Frage: Wahrnehmungsstörung

Hallo Herr Dr. Posth, bei meinem Sohn (2,5 Jahre alt) wurden leichte Wahrnehmungsstörungen festgestellt(Berührungsängste, er mag kein Schaukeln, Dreirad, Bobbycar, leichte Sprachverzögerung, ...). Jetzt soll er eine Therapie bekommen. Meine Frage hierzu: Was ist in diesem Zusammenhang eine Summationstechnik nach Pat Wilbarger und ist eine Therapie immer notwendig (ist m.E. immer mit sehr viel Stress für das Kind verbunden und ich würde ihm lieber im häuslichen Umfeld helfen, wenn das möglich ist. Er bekam nämlich auch schon 18 Monate KG nach Voijta und das war ganz, ganz schrecklich.)? Vielen Dank für Ihre Mühe im voraus.

Mitglied inaktiv - 14.08.2006, 06:26



Antwort auf: Wahrnehmungsstörung

Stichwort: Wahrnehmungsstörung Hallo, der Begriff Wahrnehmungsstörung durchläuft seit Jahren eine inflationäre Verwendung, d.h. man benutzt ihn, um alles Mögliche im Verhalten der Kinder zu erklären, was schwer zuzuordnen ist. Insofern kann man der Diagnose zunächst einmal nicht wirklich trauen. Definiert sind derzeit eigentlich nur die auditive Wahrnehmungsstörung, die besagt, daß das Kind das Gehörte in seinem Gehirn nicht richtig verarbeiten kann, und die visuelle Wahrnehmungsstörung, die dasselbe für das Sehen aussagt. Danach wird es mit Wahrnehmungsproblemen kompliziert. In Mode ist unter den Ergotherapeut(inn)en die taktile Wahrnemungsstörung, bei der behauptet wird, daß das Kind extrem berührungsempfindlich ist und deswegen Berührung jeglicher Art (passiv wie aktiv) meidet. Dadurch können die Kinder eine räumliche Vorstellung nicht ausreichend entwickeln und das Resultat wären in ihrem Bewegungsmuster auffallend unsichere Kinder. Diese Form nennt man deswegen auch taktil-kinästhetische Wahrnehmungsstörung. Was sich so klug und irgendwie auch schlüssig anhört, ist jedoch bislang unbewiesen. Dazu kommt, daß sich aufbauend auf diesen Behauptungen alle möglichen Konstrukte von schlecht seitendefinierten Kindern bis hin zu in der Kreuzung der Hirnhälten gestörten Kindern in die Welt gesetzt werden. Aber noch nie wurden solche Entwicklungsstörungen neurophysiologisch eindeutig nachgewiesen. Normalerweise entwickeln sich alle diesen wichtigen! Fähigkeiten zur Körperbeherrschung im Laufe der Kindheit ganz von allein durch ständig und spontan ausgeführte Übungen, wie Ballspielen, Roller- und Rädchen fahren, auf Bäume klettern, Turnen, Balancieren, Sprungübungen, Purzelbäume oder Räder schlagen, Hüppekästchen oder Seilchen springen usw. usw. Das Problem ist, daß sich die Kinder heutzutage aus vielerlei Gründen viel zu wenig in dieser Weise bewegen. Einerseits wird ihnen zu wenig Freiraum gegönnt (oder er ist, wie in Großstädten, oft definitiv nicht vorhanden). Zweitens ist die Ablenkung durch die Medien zu stark. Drittens schwächt das zunehmende Übergewicht vieler Kinder die eigenen Funktionen. Es gibt sicher noch mehr Gründe. Für ein 2 1/2-jähriges Kind ist die "Diagnose" Wahrnehmungsstörung meines Erachtens aber ohnehin noch zu früh, es sei denn, es würde eine auditive Wahrnehmungsstörung bei erheblicher Sprachentwicklungsverzögerung vermutet, oder es bestünde ein gravierender Sehfehler. Zunächst einmal wären also ganz viele Unternehmungen angesagt, die die Bewegungsfähigkeit und Körperkontrolle in besonderer Weise fördern. Dazu trägt auch ein gut ausgestatteter Kinderspielplatz bei. Nach einem Jahr wäre eine neurophysiologische Kontrolle angezeigt, z.B. ein altersangepaßter MOT (Motoriktest). Die Behandlungsmethode nach Patricia Wilbarger ist in Deutschland noch weitgehend unbekannt. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 14.08.2006



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