Unsichere Bindung?

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Unsichere Bindung?

Guten Tag, uns interessiert, was in unserem Söhnchen (14 Monate) vor sich geht und wie wir ihn unterstützen können.Wir denken, wir haben eine innige, gute Beziehung zu unserem Kind, lachen viel, spielen, sind draußen. Der Vater ist durch Corona viel zu Haus gewesen und es scheint, als würde unser Sohn ungefähr gleichermaßen an uns hängen. Unser Sohn hat als Säugling oft geweint, wir haben ihn also viel getragen und nicht weinen lassen, er schläft auch bei uns im Bett. Nun denken wir es wäre langsam nötig, dass er sich ein bisschen löst, aber das löst nun regelrechte Bockanfälle aus. Gerade sind wir in der zweiten Woche der Kitaeingewöhnung, und er findet keinen Zugang zur Erzieherin, interessiert sich nicht für sie und weint und krallt sich an mir fest, sobald ich mal aufstehe und den Platz wechsele. Ich dachte unsere Bindung wäre so gut, dass er Mut hätte, sich auch anderen zuzuwenden, aber er wird nun immer anhänglicher und mein Druck wächst, da ich arbeiten möchte, aber auch kein weinendes Kind in der Kita lassen kann. Wir fragen uns, ob wir ihn nicht genug stärken, in dem wir ihn wenn er weint immer gleich hochnehmen. Er ist aber auch meist so gut wie untröstlich, wenn wir nur kurz den Raum verlassen wollen. Dann wiederum wenn wir spazieren gehen rennt er ohne sich umzusehen in alle Richtungen und staunt über die Welt. Die Erzieherin ist nett und bemüht um ihn, aber eben auch eine ernste, ruhige Natur-wir albern eher herum mit ihm, gerade wenn er bockig wird.

von FamilieW am 09.08.2021, 12:58



Antwort auf: Unsichere Bindung?

Hallo, die Entwicklung eines Kindes lässt sich nicht planen (und damit auch das eigene Leben nur bedingt, solange man kleine Kinder hat). Auch wenn Sie alles richtig und regelgerecht gemacht haben, gibt es viele Faktoren, die die Entwicklung beeinflussen und die oft nicht in unserer Macht stehen. Auch die innere Bedeutung von Erfahrungen und Situationen ist oft so unterschiedlich, dass eine Zuordnung von Verhalten und Erfahrung wenig Sinn macht. Es sind komplexe Abläufe und direkte Kausalitäten sind bei diesem Thema nur in unserem Kopf. Die Frage jetzt ist also nicht, was haben wir falsch gemacht, dass unser Kind sich im Bindungstest nicht so verhält wie angenommen und uns nicht einfach gehen lässt. Die Frage ist, was braucht mein Kind jetzt, um seine Ängste vor Trennung besser eingrenzen zu können. Ihr Kind ist in einem Alter, wo die Bezugsperson eben noch nicht fest innerlich abgebildet ist und die Angst, verlassen zu sein, noch häufiger auftritt. Da haben Sie hohe Erwartungen. Ihr Kind hat Sie nicht "im Griff", aber es hat noch nicht genügend (Selbst-)vertrauen, um sich ohne Sie in die Welt zu wagen (was für dieses Alter völlig ok ist). Das gilt es zu akzeptieren und Vertrauen zu schaffen, was allerdings mit Zeitdruck nicht einfach ist. Denn je mehr das Kind merkt, dass Sie jetzt eigentlich woanders sein wollen, desto schwieriger ist es, Sie loszulassen ("allgemeine Elternerfahrung"). Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 10.08.2021



Antwort auf: Unsichere Bindung?

Ich muss noch anmerken, dass wir einen 15 qm Spielbereich im Wohnzimmer abgegrenzt haben, von dort aus kann er uns auch in der Küche stets sehen, und wir können auch alle zusammen drin kuscheln. Aber allein bleibt er nicht mehr darin, er schreit und schmeißt sich hin und guckt uns weinend zu. Wir haben es irgendwie nicht geschafft im beizubringen, auch mal allein zu sein für kurze Zeit. Gerade wollte ich den Spielbereich verlassen, das ahnt er schon und wirft sich auf mich. Weinen lassen wollen wir ihn beide nicht. Unsere Familien meinen, "er hat uns im Griff". Wir würden ihn gern stärken, aber wenn er weint und schreit fällt es uns schwer. Mit ihm sprechen und weiter z.B. abwaschen bringt eigentlich nur mehr Geschrei. Mit Tränen.

von FamilieW am 10.08.2021, 07:50



Antwort auf: Unsichere Bindung?

Danke für Ihre Einschätzung Herr Dr. Vielleicht hat ja doch noch jemand hilfreiche Praxistipps für unsere Situation. Habt ihr Eure Kinder auch mal weinen lassen? Hatte es den gewünschten Effekt oder eher Resignation? Oder hat es gar zu mehr Klammern geführt? Wie habt ihr Eure Kinder in diesem Alter stärken können, oder ist es einfach noch zu früh für Fremdbetreuung ( was die Kündigung meines Beschäftigungsverhältnisses bedeuten würde. Machbar, aber da man als Frau sowieso mit weniger Gehalt und höheren Hürden zu kämpfen hat, wäre es ein Rückschritt den ich wohl nicht mehr aufholen werde beruflich. Ich möchte für mein Kind da sein, aber eben auch finanziell und als Vorbild).

von FamilieW am 11.08.2021, 13:21



Antwort auf: Unsichere Bindung?

Hallo, Du fragst nach Erfahrungswerten. Nein, ich habe meinen Sohn (mittlerweile knapp 27 Monate) noch nie weinen lassen. Gerade in dem jungen Alter, wie Euer Kind ist, wäre mir das eh nie in den Sinn gekommen, da sie da aufgrund mangelnder Möglichkeiten noch gar nicht manipulativ sein *können*. Ich habe aber wie Du Verwandtschaft (insbesondere meine Mutter), die das noch, sagen wir es freundlich, „klassisch“ sieht und mich ab und zu mit solchen Weisheiten à la „Das Kind tanzt Dir irgendwann auf der Nase herum“ versorgt. Davon lasse ich mich aber nicht beeinflussen. Die Eingewöhnung in die Krippe lief bei uns auch mit knapp 14 Monaten ab. Dabei habe ich mich sehr an der „sanften Ablösung“ von Dr. Rüdiger Posth (gut zu ergooglen) orientiert. Kurz davor hatte ich mich geärgert, da mir mein Sohn dann im Endeffekt zu jung war, aber die relativ langsame Eingewöhnung (hatte mir 5 Wochen frei genommen, nach 3,5 Wochen waren wir durch) hat super funktioniert, und er geht gerne in die Krippe (bis zum 2. Geburtstag 8.45 - 14 Uhr, seitdem bis 16 Uhr). Ich hätte und würde ihn aber nie weinend dort zurücklassen. Dank Home Office und einigermaßen entspannter Arbeitsatmosphäre kann ich da relativ locker sein. Ich denke, in dem frühen Alter klappt es bei manchen, bei manchen einfach noch nicht. Je angespannter Du wirst, desto mehr überträgt sich das aufs Kind. Meiner Meinung nach ist er zu klein, um irgendwas mit ihm einzuüben, Ihr habt da nix verpasst oder ihn verwöhnt. Ihr müsst nichts tun oder üben, weil Ihr denkt, nun wäre mal was „an der Zeit“. Lasst Euch leiten vom Bauchgefühl und schenkt ihm Eure Liebe und Aufmerksamkeit, Zu Deinem Problem: Du hast doch insgesamt drei Jahre Anspruch auf Elternzeit (und damit Kündigungsschutz). Lässt sich darüber nichts lösen? Kannst Du sie verlängern? Ist Dein Arbeitgeber vielleicht kulant genug, dass Du die Situation erläutern kannst und damit die Frist (ich glaub, sieben Wochen zwischen Antrag und Beginn Elternzeit) überbrückbar bist? Wenn Du Dich austauschen möchtest, kannst Du mir auch gerne eine PN schicken. Viele Grüße!

von Curcuma am 14.08.2021, 22:43



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