Trauma durch Operation und Endoskopien?

Dr. med. Ludger Nohr Frage an Dr. med. Ludger Nohr Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Frage: Trauma durch Operation und Endoskopien?

Sehr geehrter Herr Nohr, meine Tochter (3 J.) hat eine Ösophagusatresie und wurde einige Tage nach der Geburt operiert. Zehn Tage später konnte sie erstmals trinken. Mit 14 Mon. hatte sie eine erste Endoskopie, mit 21-23 Mon. dann drei weitere. Seit den schwierigen Tagen nach der Geburt frage ich mich, was dieses Erlebnis - Operation, Sedierung, Nahrungs- und dann auch Medikamentenentzug, Trennung von den Eltern - mit einem Neugeborenen macht. Aufgefallen ist mir z.B., dass meine Tochter in der Babymassage am Ende der Massage ruhig dalag, während ausnahmslos alle anderen Babys weinten. Bei einer Impfung als Säugling hat sie nicht geweint; die Ärztin meinte, das sei ihr noch nie vorgekommen. Nach dem Säuglingsalter fiel mir nichts weiter auf, ausser, dass sie extrem Angst hat, sich von mir zu trennen, und sehr wenig schläft. Eigentlich habe ich mehrere Fragen: 1. Muss ich mit einer Traumatisierung rechnen, die langfristige Folgen haben wird? 2. Was kann ich tun, um meine Tochter "aufzufangen"? Ich habe bisher versucht, eine sehr enge Bindung aufzubauen, war das richtig? Sie trennt sich nun eben auch sehr schwer von mir. 3. Gibt es Literatur zu dem Thema? 4. Wie gehe ich konkret bei der KiGa-Eingewöhnung damit um, dass meine Tochter sehr grosse Angst hat, sich zu trennen? Die Erzieherinnen meinen, ich soll mich verabschieden und einfach gehen, sie würden sie schon trösten. Ich danke Ihnen sehr!

von Joaninha am 13.09.2018, 04:05



Antwort auf: Trauma durch Operation und Endoskopien?

Liebe Joaninha, ihre Tochter hat ohne Zweifel traumatische Situationen erlebt. Welche Folgen diese haben, ist im Einzelfall nicht wirklich vorhersehbar. Was allerdings klar ist, dass solche Erfahrungen Auswirkungen haben. Die Kinder haben eine bedrohliche, nicht erklärbare Belastung erlebt, die nicht in Worten ausgedrückt werden kann, weil es in diesem Alter noch keine Sprache gab. Es ist also erlebt, aber nicht bewusst. Gut verstehbar ist, dass die Kinder eine enge Anbindung suchen und auch die Sicherheit der Primärbeziehung besonders brauchen. Gleichzeitig ist es wichtig, sie nicht als Problemkind innerlich abzuspeichern, was zur Folge haben könnte, dass man helikoptert. Diese richtige Mischung aus Schutz und Zutrauen/Motivierung zu finden ist das Ziel. Das gilt auch für die Eingewöhnung im KiGa. Gehen Sie davon aus, dass es gut klappt und wenn nicht, reagieren Sie, nicht umgekehrt. Literatur würde ich erstmal meiden, weil sie oft die "Problematisierung" verstärkt. Dr.Ludger Nohr

von Dr. med. Ludger Nohr am 14.09.2018