Richtiger Umgang mit Kleinkind in der Trotzphase

 Ingrid Henkes Frage an Ingrid Henkes Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

Frage: Richtiger Umgang mit Kleinkind in der Trotzphase

Guten Morgen Frau Henkes, meine Tochter ist 2,5 Jahre alt und war bisher ein sehr liebes und umgängliches Kind. Seit ein paar Wochen hat sich dieses leider verändert. Wenn man ihr Verhalten auf uns Erwachsenen projezieren würde, würde man sagen, sie wäre unzufrieden, nur am meckern und "verdreht" (ein "Muffkop ;-)). Wenn es nicht nach ihrer Nase läuft, gibt es Stress und sie weint und schreit, aber man kann sie noch irgendwie wieder zurück holen. Dieses Verhalten denke ich, ist ganz normal und noch im Rahmen?! Dann haben wir aber andere Situationen, die etwas anders ausfallen. Meistens geht es darum, wenn ich, mein Mann, unsere andere Tochter (7 Jahre) oder ihre Bezugserzieherin weggehen wollen. Vorher konnten wir sie auch mal beim Opa und Oma lassen. Nun will sie immer mit und wenn das nicht geht, flippt sie regelrecht aus. Sie ist wirklich wie von Sinnen und schreit sich richtig in Rage, ist wehrig und zittert dabei. Man merkt, sie kommt einfach nicht mehr runter und man bekommt sie nicht bei Sinnen.Ich nehme sie im Arm, rede ruhig mit ihr, versuche mit ihr zu kuscheln, biete ihr andere Situationen an etc. aber nichts davon hilft ihr. Das einzige, was bisher geholfen hat war leider der TV. Dann merkt man, wie sie runer kommt und sich "erholt". Danach ist alles wieder gut. Sie schläft im Moment auch sehr schlecht. Können Sie mir diese Phase erklären und haben noch Tipps, wie wir sie besser und ohne TV aus diesen Situationen holen können? Danke für Ihre Hilfe.

von Simi1986 am 01.07.2021, 08:39



Antwort auf: Richtiger Umgang mit Kleinkind in der Trotzphase

Guten Tag, ich denke, Sie können davon ausgehen, dass ein Teil des beschriebenen Verhaltens Ihrer Tochter durch die entwicklungsbedingten Auseinandersetzungen um Grenzen und die Durchsetzung des eigenen Willens ausgelöst wird. Das ist tatsächlich ganz normal und im Rahmen aber leider oft sehr anstrengend. Das Verhalten Ihrer Tochter, wenn vertraute Menschen weggehen wollen, lässt auf Ängste vor Verlassenwerden schließen. Kleinkinder sind ja immer wieder damit beschäftigt sich ein allmählich schrittchenweise von den Eltern zu lösen - beim Laufen lernen, dem Kennenlernen anderer Personen, dem Eintritt in den Kiga u.ä.. Das ist einerseits eine gute und wichtige Erfahrung für Kinder, weil es sie etwas unabhängiger von den Eltern macht und sie das Gefühl bekommen, auch ohne Eltern etwas bewirken zu können. Andererseits kann diese neu erworbene Unabhängigkeit auch immer Ängste - sozusagen vor der eigenen Courage - auslösen. Dann merken Kinder plötzlich, z.B. bei aller Begeisterung schon in den Kiga zu gehen, dass sie sich ganz schön weit von den Eltern entfernen und dabei eigentlich doch noch sehr klein und hilflos sind. Das sind natürlich eher unbewusste Prozesse, als dass sie dem Kind wirklich so durch den Kopf gehen, aber sie sind sehr wirksam. Diese Ängste können dann beim Kind dazu führen, dass es eine Weile wieder mehr den nahen Kontakt zu den wichtigsten Bezugspersonen braucht, um sich sicher zu fühlen. Wenn das Kind auf dieser Entwicklungsstufe genügend gute Erfahrungen gemacht hat und weiß, dass die Eltern zurückkommen und die guten Elternbilder verinnerlicht hat, kann es diese Ängste überwinden und sein Verhalten ändern. Das ist allerdings ein Prozess und lässt sich nicht gewollt beschleunigen. Sie können Ihre Tochter unterstützen, indem Sie solange wie nötig Situationen, in denen sie sich verlassen fühlt, vermeiden. Sicher erklären Sie ihr auch immer die jeweilige Notwendigkeit. Das ist wichtig und wird ihr auf Dauer helfen, aber damit sind in diesem Alter Ängste kaum zu binden. Vielleicht würde es Ihrer Tochter helfen, wenn sie etwas von Ihnen behalten könnte, solange Sie weg sein müssen. Bezüglich Beruhigung durch TV bin ich eher skeptisch. Den starken Angstreiz durch den noch stärkeren visuellen Reiz des Fernsehers zu überlagern, scheint mir nicht geeignet, um Ihrer Tochter zu helfen ihre Angst zu überwinden. Dabei wird sie vermutlich eher die Erfahrung machen, dass man jeden Reiz noch toppen kann, statt zu erleben, dass man Reize auch mildern kann. Dass Sie sich derzeit kaum von Ihnen beruhigen lässt, zeigt ja, dass ihr Anstniveau hoch ist. Dann darf es auch ruhig eine Zeit dauern, bis die Beruhigung durch Ihre Anwesenheit und den Körperkontakt eintritt. Wenn Ihre Tochter genügend gute Erfahrungen mit diesen Situationen gemacht hat, wird sie diese Entwicklungsphase verlassen können und sich Neuem zuwenden. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes

von Ingrid Henkes am 01.07.2021



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