Guten Tag Frau Henkes,
vor 2 Wochen kam unser zweiter Sohn auf die Welt. Mein großer Sohn ist fast vier und hatte sich während der Schwangerschaft sehr auf das Baby gefreut. Dann aber seitdem wir nach Hause kamen, ist er wie ausgewechselt. Er freut sich schon auf den Bruder, möchte mit ihm kuscheln und küsst ihn liebevoll, aber uns macht er verrückt. Er hört nicht was wir sagen, macht das Gegenteil. Schreit extrem laut, wenn das Baby in der Nähe schläft und weckt es absichtlich. Schmeißt Sachen in die Luft und springt wild herum, wenn ich das Baby auf dem Arm halte. Er sagt ständig wir seien alle blöd, blöde Mama, blöder Papa, blödes Baby, er sagte schon zwei mal er will das Baby tot machen. Das mach mir schon sehr viele Sorgen. Wir versuchen stets liebevoll zu erklären, dass wir ihm lieben und das es toll ist ein Bruder zu haben. Und wenig Aufmerksamkeit bekommt er auch nicht, eigentlich trotz Baby hat er immer noch fast unsere volle Aufmerksamkeit. Der Papa verbringt die meiste Zeit mit ihm und haben immer viel Spaß. Ich nehme mir auch 1-2 Stunden täglich für ihn. Trotzdem provoziert er uns ständig und langsam sind wir an unseren Grenzen gestoßen und fühlen uns machtlos. Wir haben mit Büchern versucht, hilft leider nicht. Ich habe schon erwartet, dass es am Anfang schwierig sein wird, das es Eifersucht geben wird, aber so schlimm habe ich es mir nicht vorgestellt. Was können sonst noch machen, bzw. Was haben wir falsch gemacht?
Grüße
T.
von
TanchetoHello
am 19.08.2021, 07:57
Antwort auf:
Geschwisterkind
Guten Tag,
falsch gemacht haben Sie sicher nichts. Die neue Situation ist für Sie alle nicht leicht. Aber Ihr Sohn benötigt Zeit, um mit dem "Konkurrenten" und seinen widerstreitenden Gefühlen fertig zu werden. Die sogenannte Entthronung ist für Kinder wirklich schwer zu verarbeiten. Sicher hat Ihr Sohn sich vorher auf das Baby gefreut. Er konnte sich aber auch nicht vorstellen, was das wirklich für ihn bedeuten wird. Er muss befürchten, dass der Bruder ihm nicht nur Ihre Aufmerksamkeit entzieht (daher die ganzen ungebärdigen Aktivitäten), sondern dass er ihm auch Ihre Liebe wegnimmt. Er beobachtet ja, wie liebevoll Sie mit dem Baby umgehen. Ihr Sohn kann aber noch nicht wissen, dass Liebe unteilbar ist. Jetzt wird er lernen, dass Sie Ihre beiden Kinder gleich intensiv lieben. Das ermöglicht ihm, dies auch Schritt für Schritt zu lernen und den Bruder in sein Herz zu schließen. Dazu benötigt er aber Zeit, denn er muss viele gute Erfahrungen machen, die ihm helfen, die neue Familiensituation psychisch zu integrieren. Er muss immer wieder erleben, dass Sie ihn weiterhin lieben wie zuvor, dass er seinen Platz behält und dass der Bruder keine wirkliche Bedrohung für ihn darstellt.
Es könnte hilfreich sein, ihn als "Großen" zu bestärken und ihm Möglichkeiten zu bieten, wie er Ihnen helfen kann. Ihr Gefühl der Machtlosigkeit braucht sich höchstens darauf zu beziehen, dass Sie positive Gefühle Ihres Sohnes für seinen neuen Bruder tatsächlich nicht erzwingen können. Die werden mit der Zeit schon kommen. Sie müssen ihm dazu auch nicht all seine aktuellen problematischen Verhaltensweisen durchgehen lassen. Dann kann er sich nicht ernst genommen fühlen. Was Ihr Sohn braucht, ist das Gefühl, dass Sie Verständnis für ihn und seine Eifersucht haben und ihm nicht böse sind, wenn er dies deutlich (und auch kindlich unbeholfen) zeigt. Wenn er sagt, dass er "das Baby tot machen will", bedeutet das, dass er die alte Familiensituation ohne das Baby wiederherstellen will. Diese Zeit war ja für ihn unbelasteter. Zeigen Sie Verständnis für seine Not, aber machen Sie auch deutlich, dass Sie das Baby behalten wollen, genau wie Sie Ihren Großen auf alle Fälle behalten wollen. Diese Sicherheit benötigt Ihr Sohn jetzt.
Ich wünsche Ihnen alles gute zu viert.
Ingrid Henkes
von
Ingrid Henkes
am 19.08.2021