Frage: Das Kind entscheiden lassen?

Hallo Dr. Posth, meine Tochter 5,8 darf vieles entscheiden, sofern nichts Gravierendes meinerseits dagegen spricht (Kleidung, Essen, Aktivitäten, Schlafsituation). Nun habe ich von Erzieherin, die Tonfeldtherapie mit ihr im Kiga machtu. Ärztin für Kinder und Jugendpsy. gehört, dass ein solcher eher partnerschaftlicher Umgang sie überfordern würde und sie ängstige, da ich an Stärke verliere und sie nicht wirklich Kind sein könne. Solche Kinder hätten auch in der Schule ab 2. Klasse Probleme. Ich solle mit ihrem Vater einen Kurs "Starke Eltern starke Kinder" besuchen Wie passt dies zu ihrem Regelkonzept? Ihre Hauptprobleme sind Trennungsangst (momentan kaum noch) u. geringer Selbstwert. Ihr Vater und ich sind seit 3 Jahren getrennt, sie hat aber guten, täglichen Kontakt zum Vater und ist 2 Tage die Woche bei ihm. Im Kiga ist sie gut sozial integriert und hat kaum Sozialängste. (Ich habe schon öfters geschrieben) Vielen Dank für Ihre Antwort Tina

Mitglied inaktiv - 03.10.2011, 10:03



Antwort auf: Das Kind entscheiden lassen?

Stichwort: Erziehung Liebe Tina, Tonfeldtherapie sagt mir nun gar nichts. Aber das war wohl auch nicht Ihre Frage. Die Angst vor dem partnerschaftlichen Umgang zwischen Eltern und Kindern hat ihre Wurzeln in der autoritären Erziehung. Dass sich ein natürliches hierarchisches Gefälle zwischen Eltern und Kindern automatisch dann ergibt, wenn die Beziehungsmuster stimmen, wird in dieser Anschauung nicht wahrgenommen. Die autoritäre Erziehungskonzeption geht dahin, dass wenn in der Erziehung nicht in ordnendes Prinzip von oben aufrecht erhalten wird, sich von unten ein übergroßer Druck zur Selbstbestimmung aufbaut. Also das Deckel- Topfprinzip. Aber ein sicher gebundenes Kind braucht sich gar nicht von unten nach oben ständig durchsetzen. Es akzeptiert die Tatsache, dass Eltern mehr Wissen, mehr Kenntnisse haben und daher vieles auch besser festlegen und regulieren können. Und weil es seine Eltern erst einmal vorbehaltlos anerkennt und liebt, richtet es sich auch danach. Damit ist das Regelprinzip als demokratisches Grundkonstrukt in der Machtverteilung zwischen Eltern und Kindern die richtige Vorgehensweise. Regeln werden vorgeben und zuletzt gemeinsam ausgehandelt. Dadurch bekommt das Kind ein gewissen Mitspracherecht und fühlt sich von der Regel nicht gegängelt. Aber das bedeutet für die Eltern kein Kniefall vor ihrem Kind. Ganz im Gegenteil werden Sie durch einen Gewinn von Ansehen und Respekt ankanntes Vorbild und Leitfigur. Der Kurs, den der Kinderschutzbund anbietet, sollte besser "Starke Kinder starke Eltern" heißen. Gefährlich oder pathologisch wird die Eltern-Kind-Beziehung dann, wenn Kinder durch Schwächen oder Probleme ihrer Eltern parentfiziert werden. Aber das ist eine Form der Beziehungs- und Bindungsstörung. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 05.10.2011