Aggressives Verhalten Gegenüber Kindern, 17monate, Wiederannäherungskriese

 Ingrid Henkes Frage an Ingrid Henkes Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

Frage: Aggressives Verhalten Gegenüber Kindern, 17monate, Wiederannäherungskriese

Liebe Frau Henkes, Vielen Dank für Ihre tolle Arbeit hier im Forum. Und eine Entschuldigung vorab für die Länge des folgenden.  Zu unserer Frage. Unser Sohn 17monate, ungeheuer intensiv im Gefühlsleben, Sonnenschein wie Wirbelwind, forumsgerecht betreut (familienbett, viel tragen, Bedürfnisorientiert) befindet sich mitten in der sehr intensiven WK, inzwischen „darf“ der Papa (der sich seit Geburt viel und aktiv mit ihm beschäftigt) auch wieder etwas übernehmen und wird wieder vermehrt „eingefordert“.. andere nahe Bezugspersonen (Großmütter, die er beinahe täglich sieht) Sind aktuell völlig „abgeschrieben“ - seit ca 1 Monat. Bereits vor etwas längerer Zeit begann die Autonomiephase, ebenfalls unverkennbar.  Waren ab seinem 11lebensmonat sehr oft auf Spielplätzen, meist 2x täglich, Krabbelgruppe und gelegentliche Verabredungen mit Kindern ähnlichen Alters. (Im näheren Bekanntenkreis gibt es allerdings keine Freunde mit Kindern seines Alters)  Nun ist er in seiner Art ein sehr starker(& großer), enthusiastischer und etwas rabiater Charakter. Oder sagen wir seine Aggressivität/impulsivität ist etwas stärker ausgeprägt als bei anderen Kindern (zuhause läuft alles rund, es wird ihm also so nicht vorgelebt). Verhält er sich uns gegenüber grob, so folgt von allen Familienangehörigen (in Absprache) ein klares „Nein“ und aufzeigen einer anderen Möglichkeit per „mach lieber Ei, hauen (/kratzen) ist doof“.  Die Aggressivität betrifft allerdings in der WK auch vermehrt andere Kinder. Nicht nur, wenn es um ein begehrtes Spielzeug geht. Sobald ein anderes Kind nur irgendwo steht, wo er gern hinmöchte- kneift, schubst und kreischt er. Gehen bisher immer dazwischen (oder bereits vorab, sodass er nicht „allein“ an andere Kinder herantritt. Es scheint als habe er oft (das war früher ganz anders) keinerlei Interesse an Interaktion. Kann so ein Verhalten mit der WK Zusammenhängen? Oder ist der zeitliche Zusammenfall eher nicht kausal? (Das verhalten wird natürlich noch intensiver, wenn etwas „nicht passt“, Hunger/Durst/Müdigkeit/Sand in Schuh/etc).  Vor allem: wie sollen wir uns verhalten?  er entfaltet er sich eigentlich wunderbar in einer „ja- Umgebung“- auch gibt feste Regeln bei uns, die wir konsequent umzusetzen suchen. momentan sind ihm soziale Situationen allerdings so ungeheur, dass man der Eindruck kriegen könnte, er sei noch nie unter Kindern gewesen oder völlig (ver)unsicher(t).. Wie geschrieben, früher hatte er großes Interesse an anderen, sowohl in Position eines Beobachters, als auch  miteinander- klar gab es auch dabei mal kleine kabbeleien, aber die gehören schließlich auch dazu. In letzter Zeit wurden seine nettgemeinten „Annäherungsversuche“ seitens vieler Kinder allerdings auch eher mit Ablehnung quittiert, da er da etwas grob vorgegangen war. Man sah richtig die verdutze Kränkung. Könnte das jetzige Verhalten Reaktion darauf sein? Noch eine weitere Frage: wann sollte man generell „eingreifen“, bei Spielplatz zankereien (abgesehen davon, dass man sein gerade überfordertes Kind in eine andere Situation bringt?) Waren übers Wochenende bei Freunden zu Besuch in einem sehr „hippen“ Stadtbezirk, das dortige Spielplatz leben hat uns ehrlich gesagt erschrocken. Hinter jedem Kind (selbst im Alter von 4+) stand mindestens ein Eltern Teil als Schatten, hat das Spiel moderiert, beobachtet und andauernd eingegriffen.  Natürlich gehen wir dazwischen, wenn er bspw mit Holzklötzen haut (da da ja was passieren kann), jedoch empfinde ich es intuitiv als wenig lehrreich für die Kinder, bei jedem noch so kleinen Zank direkt dabei zu stehen. Sicher versuchen wir unser Kind Bedürfnisorientiert zu unterstützen und ihn den Umgang mit „ärgerlichen/enttäuschten/..“ Gefühlen zu lehren. Viele dortige Kinder schienen jedoch so übersensibilisiert  zu sein, dass wirklich bei dem kleinsten Zank direkt ein Tränensturm vom Feinsten folgte. Das ging soweit, dass wir bei dem Besuch Spielplätze schließlich gemieden haben, da die Erfahrungen die er dort machte ihn richtig traurig zu machen schienen, selbst bei etwas tapsiger lieb gemeinter Kontakt Aufnahme seinerseits kreisten direkt andere Eltern drumherum die sagten „oh, das findest du aber doof, dass er deine Schaufel haben will- das macht dich traurig , nicht wahr?“ So hilft man doch keinem Kind Gefühle zu regulieren sondern legt ihm selbst empfundenes in den Mund? Oder kam es uns nur so vor, da unser Sohn gekränkt wurde? Und "sozialer Rückzug" kann schließlich keine Lösung sein? Sie merken, es stehen viele Fragen im Raum. Sicher überträgt sich inzwischen ein Stück der letzten Erfahrungen auf unsere „Gelassenheit“ - aber es begann förmlich aus "heiterem Himmel", ich denke also nicht, dass das ursächlich ist.   viele liebe Grüße an Sie und herzlichen Dank für Ihre Mühe (und entschuldigen Sie bitte die Länge)

von Anwo am 22.08.2022, 22:29



Antwort auf: Aggressives Verhalten Gegenüber Kindern, 17monate, Wiederannäherungskriese

Guten Tag, das aktuelle Verhalten Ihres Sohnes hängt sicher nicht mit der Wiederannäherungskrise zusammen. In dieser Phase zeigt das Kind temporär eine verstärkte Annäherung an die Mutter, weil ihm im Zusammenhang mit dem eigenen wachsenden Bewegungsradius klar wird, dass nicht nur es selbst sondern auch die Mutter sich entfernen kann. Das löst vorübergehende Ängste vor einem Verlust der Mutter aus. Diese Ängste will das Kind mit einem Bedürfnis nach körperlicher Nähe bewältigen. Das ist für die Mütter oft eine anstrengende Zeit. Sie dauert aber in der Regel nicht lange, wenn das Kind mehr Objektkonstanz entwickelt. Ihr Sohn ist auch kein besonders aggressives Kind. Er ist ein Anderthalbjähriger, der gerade zunehmend seine Möglichkeiten  entdeckt. Dazu gehört auch das Entdecken der eigenen aggressiven Potentiale. Das hört sich für Eltern oft schlimm an. Aber Aggression (nicht Aggressivität) gehört zu uns Menschen dazu. Wir könnten ohne sie nicht überleben. Sie muss aber im Laufe der Entwicklung gelenkt und auf sozial verträgliche Ziele gerichtet werden. Das kann Ihr Sohn aber noch nicht, weil dieser Entwicklungsprozess sich jetzt erst anbahnt. Erstmal ist es für ein Kind seines Alters großartig festzustellen, dass es mit seinem Verhalten etwas bei anderen Kindern auslösen kann. Auch sich durchzusetzen macht Kleinkindern Freude. Sie sind ja noch so abhängig, dass das eine neue Erfahrung für sie ist. Diese Erfahrungen braucht Ihr Sohn auch. Sie sind ja bei ihm und helfen ihm, zunehmend angemessener mit solchen Situationen umzugehen. Dabei können Sie nicht immer jedes Verhalten Ihres Sohnes vorausahnen und verhindern, wie Sie das auf dem Spielplatz beobachtet haben. Sie brauchen aber auch keine Sorge zu haben, dass ihr Sohn auf dem Spielplatz gekränkt wird und daher enttäuscht oder traurig ist. Solche starken Affekte lassen sich in dem Alter von unbedeutenden Anderen in solch harmlosen Situationen noch nicht auslösen. Bleiben Sie gelassen und lassen Ihrem Sohn Zeit, all das Neue zu lernen und zu integrieren. Er behält dann das Gefühl, dass er für Sie in Ordnung ist, so wie er ist. Und Schlimmes verhindern Sie und zeigen ihm, was er stattdessen machen kann. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes

von Ingrid Henkes am 23.08.2022



Antwort auf: Aggressives Verhalten Gegenüber Kindern, 17monate, Wiederannäherungskriese

Dazu fällt mir noch ein, irgendwo den Satz gelesen zu haben "alle Kinder wollen kooperieren, aber dass einigen wenigen Selbstbestimmung wichtiger als Kooperation sei" oftmals empfinde ich den Satz als passend. Unser kleiner hilft im Haushalt, gießt Blumen, erledigt kleine Botengängen (versuchen ihn aktiv miteinzubeziehen)- eben was ihm so sinnvoll scheint. Ihn allerdings in den buggy zu setzen, wenn er keine Lust hat, ist schlicht unmöglich. Ebenfalls in die kraxe- er wehrt sich mit einer Inbrunst, dass wir ihn lediglich in Extremsituationen, wenn  es keine andere Wahl gibt, dort hineinbringen können. Letztlich sind wir als Eltern die bestimmer. An der Hand läuft er ausschließlich, wenn er es motorisch nicht selbst bewältigen kann (also quasi nie), oder er Lust auf eines der Spiele hat, die wir daraus machen (sekundenweise). Versuchen ihm so viel zuzutrauen, wie rational vertretbar. Diese Neigung zur ausgeprägten selbstbestimmtheit empfinden wir auch als überaus gut für ihn, wenn es auch anstrengend sein kann; wird ihm das sicherlich später (wie auch jetzt) von großen Nutzen sein. Leider gehören aber auch die Regeln des sozialen Miteinanders dazu. Dr posth schreibt öfters, dass oftmals bindungsstörungen für kindliche Aggressionen verantwortlich seien, ehrlich gesagt, mache ich mir zunehmend sorgen, dass Doch etwas "falsch läuft". Diese WK fordert mich wirklich extrem heraus, permanent möchte er auf meinem Arm sein, sodass ich bereits seit längerem eine Schiene zur Stabilisierung des Handgelenks benötige, auch nur auf Toilette zu gehen ist ein Kraftakt an vorheriger "Spielzeug-interessant-Machung". Früher hat er gut und auch länger als gleichaltrige zeitweise allein gespielt. Inzwischen habe ich ihn permanent in einer hüfttrage, sodass ich körperlich etwas Entlastung finde und er diejenige Nähe bekommt, die er einfordert. So recht verstehe ich es nicht, als Säugling wurde er den ganzen Tag getragen, schlief nur in direktem körperkontakt. Musste nie weinen...  oder ist die Intensität der WK damit Zusammenhänged, dass der Vater auch stets verfügbar war (auch einige Monate Elternzeit)?   viele Grüße nochmals, verzeihen Sie, dass hier noch ein solcher "Zuschlag" an Infos und Fragen auf Sie zukam.

von Anwo am 22.08.2022, 23:17



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