Rund um die Erziehung

Forum Rund um die Erziehung

@Feelix

Thema: @Feelix

Hallo Feelix, ich habe dir unten noch mal auf deinen Beitrag geantwortet, merke aber heute Morgen, dass ich gar nicht richtig auf deine Frage nach der übergeordneten "moralischen" Instanz geantwortet habe, die beurteilt, ob das, was wir als Eltern empfinden, auch richtig und wünschenswert im Sinn einer "politisch korrekten" und nach Wunsch der meisten hier wohl möglichst liberalen, kindzentrierten Beurteilung ist. Die gibt es bei Juul m. E. nicht, genau darum geht es ja: Er verlangt nicht, dass sich die Eltern nun anstelle der Kinder verbiegen, sondern gesteht ihnen genauso zu, "irrationale" Befindlichkeiten zu haben und diese äußern zu dürfen - dies allerdings natürlich in einer Weise, die die Würde des Gegenübers nicht beschädigt. Im Erbsenbeispiel würde der Vater also sagen: "Bitte lass das Herumspielen mit den Erbsen auf dem Teller, ich finde es unappetitlich, wenn du mit den Fingern im Essen herummatschst." anstelle von "Hör auf der Stelle damit auf, das ist ja widerlich!" Aber eben auch kein hilflos quengelndes "Spatz, würdest du bitte die Erbsen auf dem Teller in Ruhe lassen? Du weißt, mit dem Essen spielt man nicht!" Siehst du den Unterschied? Seine These ist, dass sich dann ganz automatisch ein entspannteres Miteinander einstellt, weil sich keiner dem anderen zuliebe verbiegen oder Schuldgefühle dafür haben muss, dass er so ist, wie er ist. Das ist es wohl, was so vielen beim Lesen seiner Bücher dieses wohlige "Aha-Erlebnis" beschert. Ich finde seine These verlockend und durchaus einleuchtend... Aber ich hätte noch mal eine andere Frage an dich, die ich allerdings nicht so gern im Forum stellen möchte. Könntest du mich bitte mal anmailen? Meine Adresse ist nicolestange@arcor.de LG Nicole

Mitglied inaktiv - 10.06.2008, 07:04



Antwort auf diesen Beitrag

Liebe hase67! „Im Erbsenbeispiel würde der Vater also sagen: ‚Bitte lass das Herumspielen mit den Erbsen auf dem Teller, ich finde es unappetitlich, wenn du mit den Fingern im Essen herummatschst.’ anstelle von ‚Hör auf der Stelle damit auf, das ist ja widerlich!’ Aber eben auch kein hilflos quengelndes ‚Spatz, würdest du bitte die Erbsen auf dem Teller in Ruhe lassen? Du weißt, mit dem Essen spielt man nicht!’ Siehst du den Unterschied? Seine These ist, dass sich dann ganz automatisch ein entspannteres Miteinander einstellt, weil sich keiner dem anderen zuliebe verbiegen oder Schuldgefühle dafür haben muss, dass er so ist, wie er ist.“ Schöne These, hase67. Und, ja, ich sehe den Unterschied. Schade nur, dass genau an dieser Stelle „immer“ (also bei Juul und bei jenen, die den Juulschen Ansatz hier in diesem Forum gerne vertreten …) die Scheinwerfer ausgehen. ;-) … Denn ich hab so den Verdacht, dann --- also wenn das Kind an dieser Stelle etwa zum Ausdruck brächte: „Nein, ich würde das Herumspielen mit den Erbsen – danke – lieber nicht lassen. Mit Erbsen Herumspielen ist schööööön.“ --- wären wir doch recht schnell wieder bei der (ollen Erziehungsratgeber-)Moral von der Erbsengeschicht’. Die dann so („Sie dürfen von einem vierjährigen Kind nicht erwarten, dass es der Versuchung widersteht, mit Erbsen zu spielen und sollten es in seinem Explorationsbestrebungen auch möglichst nicht einschränken … uswusf.“) oder so („Sie können von einem vierjährigen Kind erwarten, dass es Erbsen und andere Bestandteile des Mittagessens auf dem Teller behält und sollten ihm das konsequent auf xy Weise beibringen … uswusf.“) oder vielleicht so („Selbst Schuld, wenn Sie erwarten, dass Ihr Kind mit Ihnen a) gemeinsam am Mittagstisch sitzen und dann auch noch b) Erbsen essen möchte … uswusf.“) ausfällt. Verstehst Du, was ich meine? ;-) Zu Deinen Ausführungen zu „Authentizität“ unten: „Authentizität beginnt aber m. E. erst an dem Punkt, wo man etwas außen 'Erlebtes' wirklich verinnerlicht hat, sprich: es nicht nur kognitiv als richtig und vertretbar einsortiert hat, sondern auch gefühlsmäßig damit übereinstimmt. Ich finde, die berühmte 'innere Stimme' oder das 'Bauchgefühl' ist da die ausschlaggebende Instanz.“ Ich kann Dir hier gut folgen (und ich glaube, meine angebotene Definition sagt eigentlich nichts anderes ...) möchte der Vollständigkeit halber nur ergänzen: Und das was man im Innen/“Bauch“ fühlt, sollte man im Außen sein. Vielleicht vorläufig abschließend zu Juul: Nach Deinen Ausführungen war ich an das Diktum des Heiligen Augustinus (354 n. Chr. geb.) erinnert. Abgewandelt hieße es: „Sei authentisch und dann tue, was Du willst!“ Offen gestanden gefällt mir das Original noch besser: "Liebe, und dann tu, was du willst!“ Hinzugenommen das Bonmot von Karl Valentin (1882 geb.): „Wir können Kinder nicht erziehen, sie machen uns eh alles nach!“ – hast Du eine weitere (zwar uralte aber trotzdem schicke ;-) Universalantwort zum Umgang mit unseren Kindern. :-)) Liebe Grüße, Feelix p.s.: Ja, hase67, drei Fragen schossen mir durch den Kopf, als ich Peter Bieris Essay las: Woher nimmt der Mann diese Sätze? Woher nimmt er die Zeit (neben einer Professur unter Pseudonym Romane zu verfassen *Ächz*)?! --- Und: hat der Schuft Kinder??!! ;-) pp.s.: Mail folgt.

Mitglied inaktiv - 11.06.2008, 07:45



Antwort auf diesen Beitrag

Liebe Feelix, weil es gerade zu deinen Gedanken passt, hier noch zu deiner vorhergehenden Mail: ***Ich nehme sowohl für „Authentizität“ als auch für „intrapersonales Erleben“ und noch für die zwischenmenschliche Verständigung darüber bei meinen Kindern bis zu einem gewissen Alter andere Zustände, Umstände und Anforderungen an mich als Mutter an als ich bei mir und anderen Erwachsenen als Ehefrau/Freundin/Forenuserin etc. annehme ...*** Ja, das ist schon in der Tat ein merkwürdiges „Rollenspiel“, in dem wir jeden Tag so stehen. (Und das bleibt auch unseren Kindern nicht verborgen.) Komme ich damit in eine Zerreißprobe (wie bei den Erbsen), dann ist es MEINE Aufgabe zusammen zu halten, was zusammen gehört und nicht die Aufgabe des „Erbsenzählers/Störenfrieds“. Alles was in die Richtung geht: „Nun sei doch nicht so kleinlich… Puhh, muss das jetzt sein… Nun stell dich nicht so an… Mach nicht solch ein Theater… Kannst du jetzt nicht endlich… Mach es jetzt endlich so und so… Hör auf damit, sonst…“ ist der unlogische, aber verständliche Versuch, meine Aufgabe auf einen anderen abzuschieben. Also „Scheinwerfer“ an und ausschliesslich um mich selbst gekümmert! Wenn mich eine "Erbsenzählerei" so total stört und ich das einfach nicht mehr sehen kann/will, hat meine Dreijährige einen prima und überaus genialen Tipp: „Mama, dann guck doch einfach nicht mehr hin!“ Das geht in der Tat ganz leicht (und du machst es bestimmt oft intuitiv).: Ich könnte vorschlagen, dass wir jetzt was anderes machen oder ich mache selber was anderes und räume den Tisch ab, bringe Nachtisch rein oder ich erzähle was Spannendes… Noch ein genialer Tipp meines Kind: „Mama, guck doch mal (ohne deine Erwachsenenbrille genauer hin), wie lustig das ist.“ „Ach ja, lass mich mal ausprobieren…“ Meine Universalantwort: Immer schön Licht anlassen! :-) Liebe Grüße Heike

Mitglied inaktiv - 11.06.2008, 08:58



Antwort auf diesen Beitrag

... spricht sich in dem Buch, das ich mittlerweile auch durchgelesen - allerdings mangels Zeit bisher nicht als Zusammenfassung hier ins Forum gestellt - habe übrigens ausdrücklich gegen ein kindgerechtes "Rollenspiel" beim Mit-Kindern-Sprechen aus. Natürlich passt man sich dem Gegenüber in der Weise an, dass man versucht, "seine Sprache zu sprechen", aber trotzdem empfiehlt er hier eine klare, direkte, nicht verniedlichende Sprache, eben gerade um der Authentizität willen. Was die "Lücke" betrifft bzw. diese Stelle, wo uns Juul quasi "im Regen stehen" lässt und impliziert, dass sich der Rest "irgendwie schon von selber regelt", kann ich aus meiner Erfahrung nur sagen, dass er vielfach Recht hat. Es führt in der Tat zu anderen Reaktionen bei meinen Mitmenschen - und auch meinen Kindern, die ich da natürlich dazurechne ;-) -, wenn ich ehrlich und klar sage, was ich meine, auch, wenn mich etwas stört. Um noch mal unser "Erbsenbeispiel" zu bemühen: Merkt das Kind an meiner Reaktion, dass es mir wirklich ernst ist mit dem Ekel, dann wird es sich nicht einfach aus "Jux und Dollerei" über diesen meinen Ekel hinwegsetzen, sondern zumindest ins Stocken geraten. Kinder wollen ja - womit wir bei Juuls Grundthese wären - kooperieren, und es ist ihnen eben NICHT egal, wenn sich eine wichtige Bezugsperson über ihr Verhalten ärgert, sich gestört fühlt, etc. Auch Kinder zeigen sich urchaus gewillt, Rücksichten zu nehmen, wenn sie umgekehrt ebenfalls damit rechnen können, dass die Erwachsenen auf ihre Befindlichkeiten Rücksicht nehmen. Wenn ich das für meine beiden hier gedanklich durchspiele, könnte ich mir vorstellen, dass mich unser Sohn (4) fragen würde, warum ich das unappetitlich finde und ich das dann noch etwas näher ausführen müsste. Meine Tochter (8) würde evtl. mit den Augen rollen und sagen: "Du bist aber manchmal empfindlich!" Aber innehalten würden sie sicher beide, und damit wäre ja die von Juul gewünschte Situation gegeben: Dass man sich über ein "brisantes" Thema ohne Umschweife auseinandersetzt und eine gemeinsame Lösung findet. LG Nicole

Mitglied inaktiv - 11.06.2008, 11:00



Antwort auf diesen Beitrag

... Ich bin in Eile, daher nur ein kurzer Zwischenruf in Stakkato: Ihr macht hier offenbar gerade den Gegensatz: Authentizität vs. Rollenverhalten auf - und ich frage mich, wie Ihr im Zusammenhang mit meinen Postings darauf kommt ( - oder ging es Euch um die gar nicht)?! Meine Antwort auf Juuls Authentizitätsbegriff ist jedenfalls kein ein Rückzug auf "Rollen" von Eltern oder elterliches Rollenverhalten. Darum ging und geht es mir nicht. Und mein (logisches) Problem mit Juuls Authentizitätsbegriff (dessen abgeleitete Empfehlungen für den Umgang mit unseren Kindern ohne den Rückgriff auf moralische Kategorien - "so handeln Eltern richtig"/"so handeln Eltern falsch" - auskommen will ...) und hat mit meinem Begriff von "Rollen" nichts zu tun (dessen Problematik für mich vollkommen anders gelagert wäre). Ich sehe die Verbindung nicht ... Liebe Grüße, Feelix p.s.: Herrliche Universalantwort, Mama Heike! Und wie wär's noch mit: "Immer Licht reinlassen?" ;-))

Mitglied inaktiv - 11.06.2008, 12:34



Antwort auf diesen Beitrag

auf die Geschichte mit dem "Rollenverhalten" kam ich eigentlich durch Heike, das habe ich in meinem Post einfach nicht sauber getrennt, aber das ging eigentlich an ihre Adresse. Soweit ich aber deine Ausführungen verstanden hatte, hattest du weniger ein "logisches" Problem mit Juul (da er nicht streng wissenschaftlich im Sinne eines "Schemas" argumentiert, gibt es bei ihm keine eindeutige Vorhersagbarkeit, wie sich Situationen entwickeln, sondern nur die "Erfahrung" und die "Hoffnung", dass Kommunikation zwischen Eltern und Kindern so besser funktioniert), sondern eher damit, dass sein Ansatz nicht zielgerichtet eine bestimmte Konfliktlösung anstrebt, sondern die Auflösung einer Situation offenlässt - oder bin ich da komplett auf dem Holzweg? Und dazu kann ich nur sagen, dass es mir so scheint, dass Juul prinzipiell dieses "Wenn sie a + b machen und ihr Kind x Jahre alt ist, dann können sie als Ergebnis c + d erwarten" ablehnt. Darin ist er übrigens Largo ähnlich, der auch sagt, Kinder sind wie Eltern völlig individuell, es gibt zwar gewisse grobe Kriterien, um ihr Verhalten näherungsweise einzuschätzen, aber viel wichtiger als diese Schemata, die nie ganz passen, ist das individuelle sich auf die Person des Kindes einlassen, mit der Elternperson, die man selbst mitbringt. Insofern lassen beide Ansätze auch jeglichen Versuch von Kontrolle fahren bzw. gehen davon aus, dass ein geglücktes Miteinander nicht dadurch entsteht, dass die Eltern (oder die Kinder) eine Richtung vorgeben, sondern dass dieses Miteinander im wechselseitigen Dialog für alle Seiten befriedigend entsteht. LG Nicole

Mitglied inaktiv - 11.06.2008, 13:05



Antwort auf diesen Beitrag

... denkst du an die Mail? Ich hätte eine mit meinem Job zusammenhängende Frage an dich, und es ist ein bisschen eilig... LG Nicole

Mitglied inaktiv - 11.06.2008, 13:08



Antwort auf diesen Beitrag

Liebe Feelix, ***Ihr macht hier offenbar gerade den Gegensatz: Authentizität vs. Rollenverhalten auf - und ich frage mich, wie Ihr im Zusammenhang mit meinen Postings darauf kommt*** Weil du es selbst in den „Raum“ geschrieben hast und daher wohl Bedeutung für dich hat. Dein Zitat (verkürzt): „Ich nehme …für „Authentizität“… andere Zustände, Umstände und Anforderungen an mich als Mutter an als ich bei mir und anderen Erwachsenen als Ehefrau/Freundin/Forenuserin etc. annehme.“ So wie du es schreibst, beurteilst du deine Authentizität daran, in welcher Rolle (Mutter/Ehefrau/Freundin) du gerade auftrittst. Liebe Grüße Heike

Mitglied inaktiv - 12.06.2008, 09:53



Antwort auf diesen Beitrag

Liebe Mama Heike! Vielleicht liegt's an der "Verkürzung". ;-) Noch ein Versuch: Ich nehme sowohl für „Authentizität“ als auch für „intrapersonales Erleben“ und noch für die zwischenmenschliche Verständigung darüber bei meinen Kindern bis zu einem gewissen Alter andere Zustände, Umstände (und damit verbundene Anforderungen an mich als Mutter) an als ich für "Authentizität", "intrapersonales Erleben" und die zwischenmenschliche Verständigung darüber Zustände und Umstände bei mir als Erwachsene und bei anderen Erwachsenen annehme. (Was in meinem Verständnis dann auch andere Anforderungen - nämlich u. a. keine "Erziehungs"anforderungen ;-) - an mich als Ehefrau/Freundin/Forenuserin etc. stellt.) ... Und möglicherweise meint mein Begriff von „Erziehung“ im Umgang mit meinen Kindern deshalb – gedacht und gefühlt ;-) – etwas anderes als Deiner bei Erwachsenen=Kindern bzw. Kindern=Erwachsenen. Liebe Grüße, Feelix

Mitglied inaktiv - 12.06.2008, 14:08