ADHS und ADS

Forum ADHS und ADS

Tagesklinik und Triple P

Thema: Tagesklinik und Triple P

Moin! Seit 3 Wochen ist unser Sohn jetzt in der Tagesklinik aufgenommen und wir nehmen am Elterntraining teil. Das ist ein ziemlicher Aufwand, aber wir möchten dieses Kind so gut es möglich ist, unterstützen. Hat jemand von Euch Erfahrung mit Triple P? Mir persönlich passen weder die Stille Treppe noch die Punktekarten in unsere Familie, aber mit der Verstärkung durch Loben von erwünschtem Verhalten und kurzer, häufiger, intensiver Zuneigung kommen wir gerade deutlich besser durch den Alltag - wobei der Betroffene ja gerade ziemlich lange außer Haus ist, wir es aber an den verbliebenen Geschwistern "üben". Es ist interessant über Erziehung und Wahrnehmung ins Gespräch zu kommen. Mein Mann sieht viele Verhaltensweisen grundsätzlich erstmal ganz anders als ich und wir haben auch sehr unterschiedliche "genervt"-Level. Mal gucken, ob wir uns da im Verlauf annähern können, denn irgendwie scheint unsere Verschiedenheit so stark ausgesprägt, dass sie diesen Sohn verunsichert. Die 3 anderen können offensichtlich besser damit umgehen. Und ich bin mit unserer großen Tochter (präpubertär) wieder in ein ganz tolles Gesprächslevel eingestiegen. Da wir uns von der Persönlichkeit sehr ähnlich sind, macht es total Spaß mit ihr wieder mehr zu quatschen - was vorher im ganzen Troubel und der ganzen Anspannung so ein bisschen verloren gegangen war. Interessanterweise hält mein Mann uns oft für kämpfende Furien, aber wir - Mutter und Tochter - sind uns an und für sich ziemlich einig! Das er unsere Kommunikationsebene anders sieht, finde ich interessant. Habt Ihr schon mal so Elterngruppenverhaltenstherapie gemacht? Nach einem bestimmten Programm? Oder eine Familientherapie? Hoffentlich lohnt sich der Aufwand für unseren Sohn. Er leidet gerade so, dass er in seiner alten Klasse so viel verpasst. Schönes Wochenende allerseits! Marén

von mareen283 am 19.04.2024, 09:37



Antwort auf Beitrag von mareen283

Ich kann dir zu Triple P nichts sagen, wir hatten aber ein ADHS-Elterntraining in der Reha, und schon davor haben wir zu Hause das Konzept von Prof. Döpfner umgesetzt (Buch: Wackelpeter und Trotzkopf). Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht. In der Reha haben mir aber die Einzelgespräche sehr geholfen, wo man nochmal einzelne Knackpunkte bearbeiten konnte. Wie geht es euch/eurem Sohn denn mit der Tagesklinik? Mir wurde heute nämlich auch eine Tagesklinik vorgeschlagen, d.h. eigentlich wurden wir fast dazu genötigt. Ich habe das (zum jetzigen Zeitpunkt) abgelehnt, weil mein Sohn sehr sensibel ist und er dann in dieser Zeit seine Freunde nicht sehen kann, die ihm zur Zeit Halt und Selbstvertrauen geben, er aus dem (sich gerade bildenden) Klassenverband gerissen wird und auch seinen Hobbys (Sportverein, Musik) nicht mehr nachgehen könnte. Das alles möchte er auf keinen Fall und ich verstehe das. Habe Angst, dass ihn das destabilisiert und dann wird sein ADHS erfahrungsgemäß noch schlimmer. Im Moment kommt er nach dem Schulwechsel gerade wieder etwas zur Ruhe. Aber unsicher bin ich natürlich schon, ob ich nicht doch über seinen Kopf hinweg entscheiden sollte. Ist Stille Treppe eine Auszeit? Und was sind die Punktekarten? Gibt es da für ihn Punkte für erwünschtes Verhalten und x Punkte ergeben eine Belohnung? Liebe Grüße Dezemberbaby

von Dezemberbaby2012 am 19.04.2024, 21:31



Antwort auf Beitrag von Dezemberbaby2012

Danke für Deine Antwort! Triple P ist etwas breiter wohl als Erziehungskonzept angelegt, es geht vor allem um positive Verstärker in der Erziehung. Diese penetrante Betonung von positiv ist etwas anstrengend, aber bei unserem Sohn zeigt sie erstaunliche Wirkung! Seine Motivation ist deutlich gebessert. Er ist aktuell ja ganz ohne Medikation, also weder pflanzlich (er hat erstmals trotz Sonnenmilch auf die Sonne reagiert unter Johanniskraut, in der höheren Dosierung macht ihm Johanniskraut Durchfall, die Antidepressiva verträgt er gar nicht, er leidet dann an extremer motorischer Unruhe). Jetzt wird es Sommer, sodass die Depression ja bei ihm abnimmt. Die Aufnahme wurde daher jetzt vorgeschlagen, damit man diagnostizieren kann, ob etwas anderes noch begleitend oder ursächlich vorliegt, wie ein AD(H)S, eine emotionale Störung oder oder oder. Noch wissen wir nichts, die Diagnostik ist noch nicht abgeschlossen. Seinen Hobbys kann er weiterhin nachgehen, das Basketballtraining ist abends spät, Schwimmtraining auch, Klavierunterricht ist am Wochenende - das tut ihm gut. Seine Kumpels aus der Klasse sieht er im Training, hier merke ich schon, dass er es sehr genießt, sie zu sehen. Ich finde gut, dass wir einen Platz vor dem Schulwechsel im Sommer bekommen haben, sodass wir die Chance haben, dass er eben auf der weiterführenden Schule unbeschwert und vielleicht medikamentös gut eingestellt beginnen kann. Dafür ist auch er bereit, sich reinzuhängen und zeigt sich jedenfalls im Moment unglaublich kooperativ! Die Stille Treppe ist eine Auszeit, aber so etwas bringt ihm nichts. Er fühlt sich dann eher allein gelassen mit seinem Verhalten und ist verzweifelt. Die Punktekarten sind genauso, wie Du es beschreibst. Ich mag dieses Belohnen nicht. Für mich ist wichtig, dass die Motivation mit der Tat zusammenhängt und nicht an einer davon losgelösten Belohnung. Daher tue ich mich damit so schwer. Ich bin eine schlechte Kandidatin für klassische Konditionierung... Ansonsten, ich kann die Tagesklinik nur empfehlen, wenn man noch diagnostische oder verhaltenstherapeutische Unsicherheiten hat. Die Zeit ist sehr intensiv und anstrengend für alle Beteiligten, aber offenbar profitieren die Kinder mehr als dass sie den Anschluss verlieren. Oft scheinen sie - so die Aussage der Bezugstherapeutin - nachzureifen und sich dann viel sicherer und entspannter neu aufzustellen. Ich bin mal gespannt, ob das so sein wird. Mir ist nur ganz wichtig, dass wir alle Möglichkeiten wahrnehmen, damit wir uns hinterher keine Vorwürfe machen, sollte er doch irgendwann den Freitod wählen. Liebe Grüße! Marén

von mareen283 am 19.04.2024, 22:58



Antwort auf Beitrag von mareen283

Jetzt erinnere ich mich, dein Sohn hat mit einer saisonalen Depression zu kämpfen, du hattest darüber berichtet. So wie du es beschrieben hast, hätte ich auch die Tagesklinik gewählt. Bei euch ist die Diagnostik ja auch noch nicht ganz abgeschlossen, so wie ich es verstehe. Du hast Recht, es jetzt vor der Weiterführenden zu machen ist sehr gut. Aus diesem Grund hatten wir zu diesem Zeitpunkt eine Reha gemacht, die uns auch viel gebracht hat. Verstärkung funktioniert bei uns auch sehr gut. Und möglichst viele kleine Aufgaben (im Haushalt, beim Einkaufen etc.) übertragen, nicht im Sinne von „Du musst…“ sondern eher „Kannst du mir bitte helfen, ich schaff das grad nicht….?“ Mit der Belohnung hab ich mich auch anfangs schwer getan. Das kam mir wie Bestechung oder Dressur vor und eine intrinsische, also von innen kommende Motivation wäre mir viel lieber. Aber es funktioniert, und wir haben damit viele Erfolge, vor allem auch langfristig, erreicht. Natürlich muss man diese Punktekarten irgendwann ausschleichen, damit nicht dauerhaft eine Belohnung erwartet wird, aber das hat bisher immer geklappt. Bei uns ist nur die Impulsivität noch ein großes Problem, vor allem außerhalb von zu Hause, aber das scheint bei euch ja nicht der Fall zu sein. Ich wünsche euch jedenfalls, dass die Tagesklinik ein voller Erfolg wird. Liebe Grüße Dezemberbaby

von Dezemberbaby2012 am 20.04.2024, 01:00



Antwort auf Beitrag von mareen283

Stille Treppe/Auszeit ist ein in meinen Augen total übles Konzept, weil es die Persönlichkeit des Kindes abstraft. Dem Kind ist bei so einer Generalstäbe nicht klar, dass es nur um das Verhalten geht - die nehmen das persönlich. Aber natürlich müsst ihr schauen, was für euer Kind passt. Ich habe in schlimmen Phasen mit Kommunikation nach Gordon gute Erfahrungen gemacht.

von kirshinka am 23.04.2024, 08:05



Antwort auf Beitrag von kirshinka

Uff - wir waren heute wieder zum Elterntraining. Ich glaub, ich hab mir keine Freunde gemacht... denn auch ich bin mit dem Konzept Stille Treppe/Auszeit ganz unglücklich. Für mich ist mein Kind, wenn es so ein Implusproblem hat, akut hilfebedürftig und ganz und gar nicht allein zu lassen. Wenn er austickt, kann ich ihn nicht noch "bestrafen" indem ich ihn verbanne. Die Zeit ist zwar nur kurz, aber ich sehe keinen Sinn in den zwei Minuten, in denen er dann Selbstregulation lernen soll. Wie denn?! Ich lasse ihn ja mit seinem Frust und seiner Wut ganz allein. Das ist doch schrecklich. Ich denke, diesen Schritt kann ich nicht mitgehen. Die anderen Belohnungssachen finde ich auch total doof, denn mit Aufmerksamkeitsentzug zu arbeiten finde ich grenzwertig fies. Wenn mein Sohn mich provoziert, stänkert oder ein herausforderndes Verhalten zeigt, dann möchte ich das auch nicht einfach ignorieren. Ich möchte ihm helfen, seine Emotionen wahrzunehmen, zu sortieren und damit umzugehen - wie soll das gehen, wenn er dann 2 Minuten alleine auf einem Stuhl nebendran still und leise sitzen soll. Er ist in solchen Momenten ja selbst total verzweifelt und unglücklich. Selbstregulation muss doch irgendwie anders funktionieren. Ich suche noch nach einer anderen Lösung! Was ist denn Kommunikation nach Gordon? Liebe Grüße, Marén

von mareen283 am 24.04.2024, 18:51



Antwort auf Beitrag von mareen283

Bei uns gab es noch ein ganz anderes Problem. Unser Sohn wollte nicht freiwillig „auf der stillen Treppe“ bzw. für eine Auszeit in seinem Zimmer bleiben. Also mussten wir ihn mehr oder weniger dorthin befördern. Und wenn er nicht dort blieb, dorthin zurückbefördern. Und je größer er wurde, desto stärker wurde er….. Irgendwann gab das ziemlich unschöne Szenen bei uns. Da war klar, dass dieses Konzept so bei uns nicht funktionierte (und ich glaube bei keinem Kind mit starken Regel- und Impulsivitätsproblemen). Zum Glück haben wir dann in der Reha einen individuellen Weg gefunden. Wir setzen die Auszeit zwar noch ein, aber etwas modifiziert und nicht immer. Wenn er völlig aufgeregt ist, macht das zum Beispiel keinen Sinn, sondern wir schauen, was er gerade braucht (Trost, physische Ablenkung, Situationswechsel etc.). In bestimmten Situationen gibt es auch Auszeit, aber wenn er der dann nicht nachkommt, machen wir kein Machtspielchen draus, sondern verhängen alternativ eben eine andere Konsequenz. Mach nichts, was du vor dir selbst nicht vertreten kannst. Die anderen dürfen Ratschläge geben, umsetzen musst du nur das, was sich für dich richtig oder im Zweifelsfall wirklich notwendig anfühlt. Liebe Grüße Dezemberbaby

von Dezemberbaby2012 am 25.04.2024, 18:22



Antwort auf Beitrag von Dezemberbaby2012

Vielen Dank für Deinen Input! Ich finde mich da wieder - er braucht auch eher Trost und einen Situationswechsel als die Isolation. Vielleicht können wir das ja als "Auszeit" nutzen, indem wir ihn in den Arm nehmen, trösten und einfach da sind. Er ist ja in dieser Situation auch immer total unglücklich mit sich selbst und auf Machtspielchen habe ich erst recht keine Lust. Leider komme ich mit den vorgeschlagenen 7 Methoden bei herausforderndem Verhalten mit keiner so richtig klar. Vielleicht liegt es an meiner Aversion gegen klassische Konditionierung. Aber ich finde es einfach nicht richtig, unerwünschtes Verhalten mit Entzug von Liebe und Aufmerksamkeit zu beantworten, wenn derjenige, der das Verhalten zeigt, in dem Moment gar keinen anderen Weg für sich weiß. Mir ist nicht klar, wie er Selbstregulation in diesem Moment ohne Hilfe lernen soll... Liebe Grüße, Marén

von mareen283 am 26.04.2024, 09:26



Antwort auf Beitrag von mareen283

Hallo, wir hatten einen vollstationären Aufenthalt und der Abstand hat uns gut getan. Nahe burnout. Allerdings haben wir triple p etc.gar nicht so konsequent an die hand bekommen. Tatsächlich ist da zur Vertiefung eine Tagesklinik vermutlich eine gute Ergänzung. Allerdings hat man mich damals so herablassend im zweiten Gespräch dort nach Zuständigkeitswechsel behandelt,  dass diese Tagesklinik für mich gar kein Anlaufpunkt mehr sein wird. Im Zweifel dann lieber weiter fahren. Steht aber aktuell nichtvan. Als wir stationär zu einem anderen Träger gegangen sind (da dort nicht möglich), hat man uns sogar die Anmeldung zum Elterntraining ausgeredet, da ja nun wer anders zuständig wäre (dann aber 45 statt 15 Minuten Autofahrt!). Ich würde hier beitragen, dass jede Situation mit dem Kind gesondert gehandhabt werden muss. Mal kann ich meinen Sohn zum Beruhigen (oder auch ablenken) in sein Zimmer schicken, mal konfrontiere ich an Ort und Stelle (ok,noch bin ich die Stärkere). Dann halte ich ihn auch mal auf/fest vor der Vermeidung/Flucht, je nachdem wie gross/lang der Konflikt vorher war. Manchmal muss ich,wenn er in seinem Zimmer ist, einschreiten,weil er das Zimmer auseinander nimmt oder riskiert,sich selbst zu verletzen, gewollt oder ungewollt. Je nach Reaktion entscheide ich zunächst für mich, ob er gerade vermutlich eher  Distanz oder Nähe braucht,versuche,ihm das zu geben, erkläre ihm meine Motive dabei (teilweise wiederholt) kurz und knapp.  Meist hilft das + zu meiner Entscheidung zu stehen. D.h. nicht, nicht 1mm abweichen zu können, aber die Richtung fest zu kommunizieren. Momentan bin eben immer noch ich die Erwachsene, die mit dem Überblick und der Verantwortung (da ich ihn lieb hab, nach bestem Wissen). Das versuche ich, nicht respektlos, klarzustellen und denke, eine jeweilige Richtung ist oftmals für Kinder auch die Hilfestellung, um sich zu "fangen".   Ich lasse mich nicht als Spielball oder punching bag benutzen, aber ich bin da,auch wenn vielleicht nicht im Raum, und halte auch mal aus.   In den meisten Situationen habe ich das Gefühl, es hilft ihm und habe sogar das Gefühl,  ihm nochmals einen Schritt näher gekommen zu sein und ihm nochmal einen Tick Sicherheit gegeben zu haben.    Klassische Konditionierung ist auch nicht meins, ich arbeite auch ungern mit Belohnung per se,wie jmd.schrieb,halte ich mehr von der intrinsischen Motivation. Dafür muss ich dann vielleicht noch mehr an der Beziehung arbeiten,manchmal. Grundsätzlich würde ich aber sagen, haben Kinder so feine Antennen, dass sie merken, wenn andere etwas tun,was ihnen widerstrebt und ich denke, das verunsichert sie mehr als das es hilft. Daher schätze ich Authentizität mit als höchsten Verhaltenswert ein. Mit ADHS Kindern ist eben alles dann noch etwas intensiver. Natürlich kann man Trainings mitmachen. Aber von was man dann überzeugt ist und danach handelt (aber wenn, konsequent  und nicht mit jeder "Lehre" etwas anderes)ist dann sicher auch wieder abhängig von der eigenen Persönlichkeit, der des Kindes und ggf. Weiteren Personen.    Wünsche, dass ihr den  richtigen Weg für EUCH findet🍀

von Haasae am 26.05.2024, 05:44