Wie lange mit dem stillen warten bei sehr ruhigem/geduldigem Baby?

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Wie lange mit dem stillen warten bei sehr ruhigem/geduldigem Baby?

Hallo, Mein Baby ist jetzt genau einen Monat alt. Es will immernoch alle 1 bis 2 Stunden trinken, und zwar jeden Tag und jede Nacht. Wie lange ist das normal? Ich stille "nach Bedarf", allerdings finde ich es bei ihr etwas schwierig, den Bedarf einzuschätzen. Zwischen dem ersten Schmatzer und Lippen lecken bis zum schreien vor Hunger liegt locker mehr als ne Stunde. Wenn ich sie sofort beim ersten Schmatzer anlege, ist sie noch so müde, dass ich sie garnicht angedockt kriege. Also warte ich länger, bis sie wenigstens ein bisschen wacher ist, aber dann trinkt sie nur ein paar Minuten und schläft wieder ein, und dann kann ich eine halbe Stunde später wieder mit dem ersten wimmern rechnen. Ich möchte also länger warten, aber so lange wimmert sie ganz leise vor sich hin, schläft auch wieder ein, wimmert wieder ... So kriege ich ja auch keinen Schlaf! Seit einigen Tagen plagt sie auch jede Nacht ihr Bauch, sei es Blähungen oder sonstige Nebenerscheinungen der Verdauung. Sie strampelt dann viel und wimmert, und es wird noch schwieriger abzuschätzen, ob sie nun Hunger hat oder nicht. Ich lege sie dann meist an, und sie beruhigt sich dann für eine Weile, aber ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist, oder ob ich warten sollte, bis ich eindeutige Hungerzeichen sehe. Meine Schwiegermutter meinte auch, "zu häufiges" stillen könnte auch Blähungen begünstigen. Und man will ja vermutlich auch nicht nur das stillen als Allheilmittel für alles nehmen, sondern das Kind auch anders beruhigen können, und vielleicht sogar, dass es sich auch mal selbst beruhigen kann, wenn es nur weiß, dass wir für sie da sind wenn wirklich was ist? (Wir halten uns immer im gleichen Raum mit ihr auf und lassen sie nicht alleine liegen, mal vom schnellen Händewaschen nach dem Windel wechseln abgesehen) Ich hoffe ja auch immer, wenn ich länger warte, dass sie dann mehr Hunger hat und dann länger trinkt, damit an den fettigeren Teil der Milch kommt und damit dann länger satt ist (teilweiser auch in der Hoffnung, irgendwann mal länger als eine halbe Stunde am Stück schlafen zu können). Also die Frage ist quasi, wenn mein Kind zwischen erstem und letztem (schreien) Hungerzeichen eine sehr lange Spanne hat, zu welchem Zeitpunkt auf dieser Skala sollte ich es anlegen? Und kann häufiges stillen (jede Stunde ein bisschen z.B.) Blähungen begünstigen? Ich wollte auch schon mal eine Stilberatung machen, aber in der aktuellen Corona Zeit wollten wir (die Stillberaterin und ich) lieber darauf verzichten. Vielen lieben Dank für die stets schnellen und ausführlichen Antworten! Liebe Grüße und bleiben Sie gesund, Julia

von Yuko am 08.04.2020, 10:42



Antwort auf: Wie lange mit dem stillen warten bei sehr ruhigem/geduldigem Baby?

Liebe Julia, das hört sich nach dem ganz normalen Trinkverhalten eines verhältnismäßig jungen Menschenkindes an. Mit der Brust kannst Du dein Kind nicht zustöpseln. Kein Kind lässt sich an die Brust zwingen und wenn dein Kind nicht gestillt werden will, sondern ein anderes Bedürfnis hat, dann wird es dies unmissverständlich kund tun. Stillen ist eine aktive Sache von beiden Partnern und ohne dass das Kind mitmacht, geht es nicht. Das„Marathonstillen“ ist in diesem Alter so weit verbreitet, dass es als „normal“ angesehen werden sollte. Der Fachausdruck dafür lautet „Cluster Feeding“. So kleine Babys wollen häufig, aber vor allem in unregelmäßigen Abständen gestillt werden und fast alle Babys haben eine Tageszeit, zu der sie fast ununterbrochen an der Brust trinken (oder auch nur nuckeln) wollen. Das Marathonstillen kann für Dich sehr anstrengend und auch nervend sein, aber es hat seinen Sinn. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass das Baby durch den Stillmarathon die Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, dass die Milchbildung angeregt wird und genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht. Ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einige, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann. Während eines Wachstumsschubs kann es durchaus sein, dass ein Baby alle Stunde an die Brust möchte. Es gibt keinen Grund einen Mindestabstand zwischen zwei Stillmahlzeiten einzuhalten. Im Extremfall kann das „Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. All die Erzählungen von einem bestimmten Rhythmus eines Babys sind schlicht und ergreifend falsch. Muttermilch ist innerhalb von 60 bis 90 Minuten verdaut und der Organismus eines Babys ist auf häufige Mahlzeiten eingestellt. So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys. Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Altersstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen. Wichtig ist, dass Du weißt, dass dies zwar eine lange Phase ist, aber sie WIRD vorbei gehen! Bis dahin ist es meist einfacher, das Drumherum zu ändern, als das Baby. • Nimm ALLE Hilfe an, die Du bekommen kannst. Erkundige dich mal, ob Du nicht eine Haushaltshilfe bekommen kannst (wegen absoluter und chronischer Erschöpfung). Möglicherweise kann dir auch deine Mutter, Schwiegermutter, Schwester oder eine Freundin (selbstverständlich auch das männliche Pendant dazu) etwas unter die Arme greifen. Das können ganz simple Dinge sein z.B. einmal alle Fenster putzen, deinen Bügelkorb leerbügeln, einige vorgekochte Mahlzeiten für deine Tiefkühltruhe, ein Nachmittag Babysitten während Du in die Sauna gehst oder sonst etwas für dich tust ... • Vielleicht findest Du auch einen verantwortungsbewussten Teenager, der gegen geringes Entgelt bereit ist, mit deinem Kind zu spielen oder spazieren zu gehen. In dieser Zeit solltest Du dann aber wirklich entweder schlafen (bzw. ruhen) oder DIR etwas Gutes tun. • Lass den Haushalt auf Sparflamme laufen. Nicht alles muss gebügelt werden. Wenn Handtücher nach dem Baden und Duschen wieder aufgehängt werden, statt auf dem Fußboden zu landen, können sie mehrmals benutzt werden, das spart Wäsche. Es ist nicht wesentlich mehr Arbeit die doppelte Menge Spaghettisoße zu kochen, aber Du hast dann eine fast fertige Mahlzeit für die Tiefkühltruhe. Es schadet nicht der Gesundheit der Familie, wenn Du die Fenster erst wieder im nächsten Jahr putzt. Du wirst sicher einiges finden, was im Haushalt nicht so perfekt gemacht werden muss. Achte darauf, dass Du genügend isst und trinkst. Du musst keine perfekten Menüs kochen und essen, einigermaßen ausgewogen reicht und es darf auch Tiefkühlgemüse statt frischem Gemüse sein (dann sparst Du dir auch das Schälen und Putzen). Eine hungrige Mutter ist nicht so belastbar. Blähungen sind bei Babys relativ häufig. Für eine Stillberaterin besteht der erste Schritt bei einem Kind mit Bauchproblemen darin, die Stillposition, Anlegetechnik und das Saugverhalten des Kindes zu überprüfen. Ein nicht korrekt angelegtes Kind und/oder ein Kind, das nicht richtig saugt, schluckt an der Brust meist sehr viel Luft und darin kann schon die Ursache für Blähungen begründet sein. Solange diese Ursache nicht beseitigt wird, können alle anderen Maßnahmen allenfalls "Kosmetik" betreiben, aber nicht wirklich helfen. Es kommt auch vor, dass sich keine ersichtliche Ursache für die Blähungen finden lässt. Am ehesten trifft wahrscheinlich in diesen Fällen wohl die Vermutung zu, dass manche Babys ein empfindlicheres Verdauungssystem haben als andere, und dieser Faktor, im Zusammenwirken mit Spannungen und Stress von außen, der wahrscheinlichste Grund für die Blähungen sind. Ein ruhiger, sanfter Umgang mit deinem Baby ist sehr wichtig. Viele Ärzte sind der Ansicht, dass öfter verabreichte kleine Mahlzeiten, die auf das kleine Verdauungssystem des Babys besser abgestimmt sind, ihm besser bekommen. Gerade Kolikkinder profitieren vom Getragenwerden und dem dabei zwangsläufig entstehenden Körperkontakt. Hast Du ein Tragetuch? Ein Tragetuch erleichtert nicht nur das Tragen des Kindes, es gibt dir auch die Möglichkeit zumindest eine Hand frei zuhaben. Und keine Sorge: das Getragenwerden führt nicht dazu, dass Du dein Baby verziehst. Im Gegenteil, Studien belegen, dass Kinder, die als kleines Baby viel getragen wurden, später ausgeglichener und zufriedener sind und weniger Weinen. Du kannst auch versuchen deinem Baby durch Tragen in der Kolikhaltung (auch Fliegergriff genannt, das Baby liegt mit seinem Bauch auf dem Unterarm des Erwachsenen, mit dem Kopf in der Ellenbeuge ruhend), durch massieren des Bauches und durch Wärmeanwendungen (gut geeignet dazu sind Hot Cold Packs) auf den Bauch Erleichterung zu verschaffen. LLLiebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 08.04.2020