Wie ersetze ich die morgendliche Stillmahlzeit und warum nachts so oft stillen?

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Wie ersetze ich die morgendliche Stillmahlzeit und warum nachts so oft stillen?

Hallo liebe Experten! Meine Tochter ist acht Monate alt,krabbelt,zieht sich hoch und verlangt das Laufen an meinen Händen. Bis jetzt habe ich nachts und morgens noch gestillt,die Breiportionen tagsüber isst sie gut auf. Vor zwei Wochen habe ich angefangen ihr vormittags eine Dinkelstange und ein bisschen Obstbrei zu geben, weil sie jede Stunde nach der Brust verlangt hat bis zum Mittag und damit hält sie bis halb zwölf gut durch. Jetzt wacht sie allerdings nachts ungefähr alle zwei Stunden auf und zieht mich halb aus um an die Brust zu kommen und ist auch nach dem morgendlichen stillen äußerst unzufrieden.da sie uns das Essen vom Teller guckt,kriegt sie morgens und abends ein paar Stücke Brot mit Butter,die sie sich selber in den Mund steckt und kaut (sechs Zähne hat sie).kann ich die Morgenmahlzeit durch pre-Milch ersetzen und was mache ich nachts? Abstillen wäre für mich ok,da ich von Anfang an mit wunden Brustwarzen und Milchstau zu kämpfen hatte und nur aus Vernunft so lange durchgehalten habe. Danke für die Hilfe - unsere Nächte bringen uns gerade um...

von Dörthe_Bente am 09.10.2012, 10:04



Antwort auf: Wie ersetze ich die morgendliche Stillmahlzeit und warum nachts so oft stillen?

Liebe Dörthe_Bente, es ist ein normaler entwicklungsphysiologischer Verlauf, dass Babys ab dein diesem Alter nachts (wieder) vermehrt aufwachen. Dieses Aufwachen liegt nicht an der Ernährung des Kindes, sondern ist entwicklungsbedingt. Deshalb ist die Einführung von fester Nahrung oder künstlicher Säuglingsnahrung oder eben das Abstillen auch keine Garantie für angenehmere Nächte. Die Kinder beginnen die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen. All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt und, und, und ... Der scheinbare Rückschritt im Schlafverhalten ist eigentlich ein Fortschritt, denn er zeigt, dass die Entwicklung des Kindes voranschreitet. Der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab sechs Monaten (oder einer anderen Altersgrenze) nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in einster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind. Es gibt Kinder, die nachts keine Nahrung mehr brauchen, aber es gibt eben auch sehr viele Kinder, die mit einem halben Jahr noch nicht so weit sind. So wie manche Kinder bereits mit elf Monaten laufen und andere damit erst mit 16 Monaten beginnen, so entwickeln sich auch alle anderen Dinge bei jedem Kind individuell verschieden und diese Entwicklung lässt sich begleiten, aber nicht beschleunigen. Es gibt kein Patentrezept, um ein Kind zu längeren Schlafphasen zu bringen. Ich möchte Ihnen zu diesem Thema das Buch "Schlafen und Wachen ein Elternbuch für Kindernächte" von Dr. William Sears empfehlen. Dr. Sears (Professor für Kinderheilkunde) hat zusammen mit seiner Frau Martha einige Bücher zum Thema Schlaf und Kindererziehung geschrieben, in die nicht nur sein Wissen als Kinderarzt sondern auch die reichhaltige eigene Erfahrung als achtfache Eltern eingeflossen sind. In "Schlafen und Wachen" beschreibt er nicht nur, warum Kinder so schlafen, wie sie es nun einmal tun und wo sie am besten schlafen, er gibt auch Tipps wie Eltern und Kinder zu ruhigeren Nächten kommen können. Das Buch ist im Buchhandel, bei der La Leche Liga und bei jeder LLL Stillberaterin erhältlich. Ich hänge Ihnen noch einen Artikel zum Thema Schlaf an, der mich immer wieder fasziniert. LLLiebe Grüße, Biggi Die Kunst, sein Kind schlafen zu lassen Prim. Dr. Franz Paky, Leiter der Schreiambulanz (Ambulanz für Schreien und Schlafstörungen) der Kinderabteilung des LKH Mödling Schlafen, Alleinsein, Finsternis Für ein Kind gibt es nichts Schlimmeres, als den Schutz und die elterliche Geborgenheit zu verlieren. Mit der Finsternis der Nacht reißt die Gewißheit ab, dass der elterliche Schutz gegeben ist. Nichts ist leichter verständlich, als dass sowohl das Einschlafen als auch das nächtliche Aufwachen für ein Kind mit Angst verbunden ist. Es ist ebensowenig verwunderlich, dass viele Methoden entwickelt wurden, den Übergang vom Wachzustand in den Schlaf für das Kind zu erleichtern. All diesen Riten ist gemeinsam, dass sie die elterliche Gegenwart in den Schlaf hinein zu erhalten suchen (Wiegenlied, Gute Nacht Geschichte, Gute Nacht Kuß, Kuscheltier als Übergangsobjekt usw.). Schlafen Loslassen Nicht nur für das Kind ist mit dem Einschlafen eine Trennung von den Eltern verbunden. In ähnlicher Weise erleben die Eltern das Einschlafen des Kindes als Trennung. Insgeheim stellt sich die Frage: Wird das Kind ohne unsere Hilfe einschlafen? Wird sich das Kind ohne weiteres (?) von mir trennen? Wird es auch wieder von selbst wach? Zwei Arten von guten Schläfern die echten und die resignativen Nicht alle Kinder, die unkompliziert einschlafen und durchschlafen, sind zu beneiden. Wenn Babys spüren, dass ihr Schreien in der Nacht die Eltern unter keinen Umständen auf den Plan rufen kann, geben sie auf und schlafen den Schlaf der Resignation. Auf diesem Mechanismus beruht der scheinbare Erfolg der älteren Generation, ein Kind beim Einschlafen unbegrenzt schreien zu lassen. Die Entwicklung des Babys und das Schlafproblem Um das sechste Lebensmonat erweitern Babys ihren sozialen Horizont beträchtlich. Sie lernen zwischen ihren vertrauten Eltern und fremden Menschen zu unterscheiden ("Fremdeln"). Die Angst, die damit einhergeht ("Achtmonatsangst"), führt nicht selten zu einer Störung des Schlafes. Kinder, die in den ersten Lebensmonaten zur Freude ihrer Eltern bereits durchgeschlafen haben, beginnen dann nachts mehrmals wach zu werden. Oft brauchen sie nicht mehr als die Versicherung, dass alles in Ordnung ist. Ein kurzes Nuckeln an der Brust oder allein der Zuspruch einer vertrauten Stimme genügen, dass das Kind weiterschläft. Häufig führt aber die Schlafstörung zur Sorge der Mutter, dass das schon größer gewordene Kind mit ihrer Milch nicht mehr genug hat. Dann erhält das Kind an Stelle des Trostes, den es braucht, mehrere Mahlzeiten, die eigentlich überflüssig sind. Welcher Erwachsene, der gut schlafen will, würde sich absichtlich zu diesem Zweck den Bauch voll schlagen? Das Schlafparadoxon Wenn wir den Schlaf dringend herbeisehnen, stellt er sich am zögerndsten ein. Eine ganz ähnliche Erfahrung machen wir mit unseren Kindern. Wenn wir am wenigsten darauf angewiesen sind, schläft unser Kind am leichtesten ein. Brauchen wir dagegen unseren eigenen Schlaf dringend, weil wir am nächsten Tag früh aufstehen müssen oder einen schwierigen Termin haben, dann spielt das Kind nicht mit. Es will und will nicht einschlafen. Und noch weniger gönnt es uns einen ununterbrochenen Schlaf. Man gewinnt fast den Eindruck, als würden wir das Kind mit unserer Aura des Schlafzwanges am Schlaf hindern. Wenn sich ein Vater, der sein Kind mit allergrößten Mühen zum Einschlafen gebracht hat, auf leisesten Sohlen vom Bett fortschleicht, weckt er das Kind mit seiner Angst, dass es wieder wach werden könnte, tatsächlich auf. Dieses Phänomen zwingt uns dazu, über den eigenen Schatten zu springen. Wir müssen uns nach dem Rhythmus des Kindes richten und aufhören, ihm unsere Bedürfnisse aufzuzwingen. Individueller Schlafbedarf Jedes Kind braucht wie übrigens erwachsene Menschen auch eine individuelle Zahl von Schlafstunden. Die Spannbreite liegt bei Kindern im zweiten Lebenshalbjahr bei 9 bis 14 Stunden (Largo Kinderjahre 1999, S. 27). Behinderung der Selbstregulation Groß ist die Gefahr, dass sich Eltern in guter Absicht in Vorgänge einmischen, über deren Ablauf das Kind selbst bestimmen soll. Als Beispiele seien das Essen und das Trinken, die Kleidung und die Kontrolle von Stuhl und Harnausscheidung genannt. Die Selbstregulation über diese Vorgänge wird vom Kind im Lauf seiner normalen Entwicklung übernommen. Greifen die Eltern allerdings in diese Entwicklung ein, wird die Selbständigkeit nicht erreicht. Den Eltern bleibt damit die Bürde der Kontrolle erhalten, und das Kind bleibt in Abhängigkeit. In typischer Weise tritt dieser Mechanismus beim Schlaf auf. In der Meinung, dass die Eltern die volle Verantwortung für die Tiefe und die Dauer des Schlafes ihres Kindes tragen, wird dem Kind seine Selbständigkeit verwehrt und die Eltern zerbrechen an der Bürde der Kontrolle, die sie selbst nicht abgeben können. Die Kunst, sein Kind schlafen zu lassen Auf übermüdete und erschöpfte Eltern wirkt es vermutlich zynisch, wenn ich davon spreche, dass es bei der Kunst, sein Kind schlafen zu lassen, um die eigene Gelassenheit und das Loslassen des Kindes geht. Nach allem, was man schon versucht hat, sollte es gerade mit dem Loslassen funktionieren, wo man doch weiß, dass nichts schwerer ist im Leben als das Loslassen. Vertrauen in die Selbstregulation des Kindes ist der Schlüssel zum Loslassen und damit auch zum Schlafenlassen des Kindes. Wenn man dieses Vertrauen erwirbt, wird man sich vom Kind für die Zeit des Schlafes trennen können, ohne den Kontakt ganz zu verlieren. Das Kind wird auch in einer unruhigen Umgebung und ohne großes Geschrei einschlafen können. Vor allem wird es möglich sein, das Kind im Elternbett schlafen zu lassen und auf diese Weise das Stillen nach dem natürlichen Bedarf von Mutter und Kind beizubehalten. Jedes Kind kann schlafen lernen Weil es schwierig ist, diese Zusammenhänge bewußt zu machen, erfreuen sich Bücher, die sich auf ein Training bzw. auf eine Dressur des kindlichen Verhaltens beschränken, großer Beliebtheit. Am populärsten sind zur Zeit wohl Methoden der dosierten Frustration. Anstatt bei sich selber anzufangen, läßt man das Kind etwas länger schreien, so lange, bis es davon überzeugt ist, dass man als Nachtwächter oder Tröster nicht in Frage kommt. Der Erfolg stellt sich scheinbar ein, indem das Kind den Schlaf der Resignation schläft. Die Chance, dass sowohl die Eltern als auch das Kind aus dem Problem des gestörten Schlafes etwas lernen und auch für sich gewinnen, wird damit aber vertan. Wir sollten die Chance wahrnehmen, die darin liegt, die Kunst zu erwerben, sein Kind schlafen zu lassen

von Biggi Welter am 09.10.2012



Ähnliche Fragen ähnliche Fragen

Dauer Stillmahlzeit

Sehr geehrte Frau Welter, Ich freue mich total, dass das Stillen unseres Sohnes so gut klappt und ich ihn satt bekomme (11 Wochen, 66cm und 6,4 kg) obwohl ich selbst eher zu den kleineren Frauen gehöre) Die Stillmahlzeiten dauern jedoch immer so um die 45 Minuten auch gerne länger. Er fordert dies 6 mal am Tag. Meine Frage, mir wurde damals im K...


Stillmahlzeit ersetzt?

Guten Abend, ich hätte eine Frage. Mein Sohn isst mittags ca. 160g Brei, danach möchte er nicht mehr stillen. Abends isst er seit zwei Wochen ca. 120g Milchbrei mit Pre angerührt und möchte danach ebenfalls nicht mehr gestillt werden. Er scheint satt zu sein, kommt dann erst in der Nacht ab 1 Uhr wieder. Soll ich es weiterhin versuchen ihn noch z...


Wie kann ich die Länge der stillmahlzeit nachts verkürzen ?

Guten Abend, Ich bräuchte mal ihre Hilfe meine Tochter (7 Monate alt ) wird noch voll gestillt. In der Nacht wo ich sie noch um die 2 mal stille ist es so das sie wach wird ich sie dann anlege und die ersten 4-6 min trink sie auch richtig und dann ist es eigentlich nurnoch nuckeln . Nach den min Versuch ich dann ihr den Schnuller zugeben aber...


Viel Milch - eine Brust pro Stillmahlzeit möglich?

Sehr geehrte Frau Welter, mein Baby ist jetzt in der 7ten Woche und ich habe weiterhin mehr Milch, als er trinken kann und habe leichte Verhärtungen, die auch nach dem Stillen noch da sind. Ich muss ab und an meine Brüste ausstreichen, weil sie schmerzen. Aktuell gebe ich 4 Min. die erste Seite, dann nach einer aktiven in Pause die Zweite. ...


Eine Stillmahlzeit abstillen

Hallo Biggi, ich habe eine Frage zum Thema Abstillen von einer Stillmahlzeit. Meine Tochter ist fast 8 Monate alt und wurde von Anfang an gestillt. Mit Einführung der Beikost wurde das natürlich weniger, sie bekommt aber immer noch nach jedem Brei Muttermilch und zu den Breimahlzeiten etwas Wasser. Ab April, wenn sie ca. 10 Monate alt ist, gehe ...


Wie lange muss eine Stillmahlzeit dauern, wie lange dürfen Stillpausen sein?

Liebe Frau Welter, immer lese ich mit Interesse hier im Forum, da ich ein absoluter Fan des Stillens bin. Ich stille auch jetzt wieder meine zweite Tochter voll, die mittlerweile 3 Monate alt ist. Bei meiner ersten Tochter hat das (Voll-)Stillen von Anfang an super geklappt, sie hat aber sehr selten länger als 5 Minuten an der Brust getrunken....


Pro Stillmahlzeit nur eine Brust, andere Brust ausstreichen?

Sehr geehrte Frau Welter, meine Tochter ist jetzt knapp 6 Wochen alt und trinkt pro Stillmahlzeit nur von einer Brust. Das führt natürlich dazu, dass die zeitlichen Abstände pro Brust recht hoch sind. Sollte die jeweils andere Brust ausgestrichen werden oder regt das die Milchproduktion weiter an? Des Weiteren haben meine Tochter und ich re...


Baby spuckt nach jeder Stillmahlzeit schwallartig.

Liebe Frau Welter, unser Sohn ist schon immer ein kleiner Spucker. Seit Neuesten jedoch trinkt er sehr lange an einer Brust, dockt ab und will immer wieder ran. Nehme ich ihn die Brust weh schreit er entsprechend wütend und weint. Gebe ich ihm die Brust wieder, spuckt er noch dem Abdocken sofort einen Schwall Milch wieder aus. Das Verhalten ist ...


Wie viel ml pro Stillmahlzeit?

Hallo Frau Welter, mein 16 Monate alter Sohn hat momentan eine Magen-Darm-Infektion. Momentan möchte er wieder mehr gestillt werden. Getränke trinkt er kaum. Wir waren aber schon beim Arzt. Ich wollte aber mal wissen wie viel er schätzungsweise pro Stillmahlzeit trinkt, falls das geht. Er trinkt immer nur en paar Minuten, höchstens 5. Das hat er a...


Definition "eine ausgelassene Stillmahlzeit"

Liebe Biggi Welter, mein Frauenarzt sagte mir, daß bereits eine ausgelassene Stillmahlzeit zum Eisprung führen könne. Ich hab dann vergessen zu fragen, ab wann genau man von einer ausgelassenen Mahlzeit spricht. Meine Tochter (8 Wochen) wird voll gestillt und schläft manchmal durch; da sie aber nach dem Stillen und Wickeln nicht sofort ei...