Wie bringe ich mein 12 Monate altes Kind dazu allein einzuschlafen?

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Wie bringe ich mein 12 Monate altes Kind dazu allein einzuschlafen?

Liebes Stillberatungsteam, ich habe das Problem, dass ich meine 12 Monate alte Tochter bisher immer mit Stillen und anschließendem Umherlaufen und im Arm Wiegen ins Bett bringe. Ich würde es so auch beibehalten, aber da sie langsam zu schwer wird, würde ich sie gerne dazu bringen, selbst in ihrem Bettchen ein zu schlafen. Meine Tochter ist zum Glück kein Schreikind und wird auch in der Nacht in der Regel nur 2-3 mal wach. Am Tag schläft sie momentan 2 mal für ca 1 1/2 Stunden und wenn sie wach wird, ist sie direkt stehts ruhig und gut gelaunt. Wenn sie dann doch mal weint, hat das meist einen Grund (Krankheit, Zahnen, Entwicklungsschub). Wir haben auch feste Einschlafrituale, die sie mittlerweile gut versteht (Zähne putzen, Licht dämmen, ein Buch vorlesen, umziehen, ich spreche nur noch leise oder im Flüsterton, Stillen). Ich habe bereits die ersten Versuche unternommen und sie sowohl neben mich in mein Bett, als auch in ihr eigenes Bettchen gelegt und ruhig mit ihr gesprochen oder ein Schlaflied gesungen. Das Problem hierbei ist jedoch, dass sie von Minute zu Minute immer wacher/aktiver wird und am Ende (nach ca. einer halben Stunde) nur noch spielen will, obwohl sie wahnsinnig müde ist. Auch wenn sie in der Nacht wach wird, setzt sie sich sofort auf und legt sich nícht von alleine wieder hin. Auf die Methode sie weinen zu lassen bis sie aus Resignation oder Schwäche von selbst einschläft möchte ich gerne verzichten, da ich merke, dass sie meine Nähe noch sehr braucht und genießt. Haben Sie vielleicht einen guten Rat, wie ich am besten vorgehen sollte? Vielen leiben Dank, Audrey

von Audrey19 am 05.02.2020, 12:09



Antwort auf: Wie bringe ich mein 12 Monate altes Kind dazu allein einzuschlafen?

Liebe Audrey, das von Dir beschriebene Verhalten ist ziemlich normal für Babys und Du machst sicherlich nichts falsch!!! Ja, Dein Kind WIRD von ganz alleine länger schlafen und auch irgendwann durchschlafen, wenn Du ihm die Zeit schenkst. Genauso wie Du es beschreibst, machen es Mütter seit Urzeiten mit ihren Babys und es hat noch nie einem Baby geschadet. Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist es so, dass Mütter ihre Babys in den Schlaf stillen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Babys nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben. Es hat seinen Grund, warum stillende Mütter die besten Einschlafhilfen SIND. Beim Saugen an der Brust findet ein Baby das, was es braucht: Trost, Nahrung, Sicherheit. Es liegt vermutlich an einer gewissen neurologischen Unreife, wenn einige Babys das mehr brauchen als andere, und es "verwächst" sich wirklich von alleine!! Ein Baby muss eine gewisse Reife erreichen, um längere Zeit schlafen zu können. Wann dieser Zeitpunkt erreicht wird, ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Du kannst jetzt mit vielen Tricks versuchen, die Situation zu verändern, aber es wird nur Stress und Tränen geben, denn dein Kind IST einfach in der Phase, in der es dich so viel braucht. In dieser Zeit verarbeiten Kinder vieles in der Nacht, und brauchen die Bestätigung, dass Mama ganz nah ist, und die beruhigende Milch, noch ziemlich. Es ist kein Rückschritt, wie es scheint, sondern zeigt, dass sich dein Kleines weiter entwickelt! Dein Baby braucht also vor allem eines: Zeit zum Reifen. Vielleicht "schenkst" Du ihm einfach noch ein bisschen von dieser Zeit, in der du ihm gestattest, so zu sein, wie es ist. Du machst nichts falsch! Wichtig ist auch, dass Du weißt, dass dies zwar eine lange Phase ist, aber sie WIRD vorbei gehen! Bis dahin ist es meist einfacher, das Drumherum zu ändern, als das Baby. • Nimm ALLE Hilfe an, die Du bekommen kannst. Erkundige dich mal, ob Du nicht eine Haushaltshilfe bekommen kannst (wegen absoluter und chronischer Erschöpfung). Möglicherweise kann dir auch deine Mutter, Schwiegermutter, Schwester oder eine Freundin (selbstverständlich auch das männliche Pendant dazu) etwas unter die Arme greifen. Das können ganz simple Dinge sein z.B. einmal alle Fenster putzen, deinen Bügelkorb leerbügeln, einige vorgekochte Mahlzeiten für deine Tiefkühltruhe, ein Nachmittag Babysitten während Du in die Sauna gehst oder sonst etwas für dich tust ... • Vielleicht findest Du auch einen verantwortungsbewussten Teenager, der gegen geringes Entgelt bereit ist, mit deinem Kind zu spielen oder spazieren zu gehen. In dieser Zeit solltest Du dann aber wirklich entweder schlafen (bzw. ruhen) oder DIR etwas Gutes tun. • Lass den Haushalt auf Sparflamme laufen. Nicht alles muss gebügelt werden. Wenn Handtücher nach dem Baden und Duschen wieder aufgehängt werden, statt auf dem Fußboden zu landen, können sie mehrmals benutzt werden, das spart Wäsche. Es ist nicht wesentlich mehr Arbeit die doppelte Menge Spaghettisoße zu kochen, aber Du hast dann eine fast fertige Mahlzeit für die Tiefkühltruhe. Es schadet nicht der Gesundheit der Familie, wenn Du die Fenster erst wieder im nächsten Jahr putzt. Du wirst sicher einiges finden, was im Haushalt nicht so perfekt gemacht werden muss. Achte darauf, dass Du genügend isst und trinkst. Du musst keine perfekten Menüs kochen und essen, einigermaßen ausgewogen reicht und es darf auch Tiefkühlgemüse statt frischem Gemüse sein (dann sparst Du dir auch das Schälen und Putzen). Eine hungrige Mutter ist nicht so belastbar. Sehr empfehlenswert ist auch von Sibylle Lüpold das Buch: "Ich will bei euch schlafen - Ruhige Nächte für Eltern und Kinder.“ Dein Kind kann nicht "verwöhnt" werden, wenn es viel Nähe und Zuwendung bekommt. Eine Kollegin von mir hat dazu einen schönen Text geschrieben, aus dem ich jetzt einen Abschnitt zitiere: "Das Kind wird verwöhnt und verzogen. "Ja, das ist jetzt schon total verwöhnt" "Ihr verzieht das Kind, nachher will es nur noch auf den Arm" "So lernt das Kind ja nie alleine einzuschlafen, alleine zu spielen, sich mit sich selbst zu beschäftigen ..." "Wie soll das Kind denn seinen Rhythmus finden, wenn Du es ständig mit der herumziehst". So und ähnlich lauten viele Aussagen wohlmeinender Freunde, Verwandte und auch wildfremder Menschen, von denen man auf der Straße angesprochen wird. Was ist dran an dieser Theorie, dass das Baby durch die Zuwendung, die es erhält verwöhnt und verzogen wird? Bernadette Stäbler beschreibt in ihrem Buch "Mama" die Angst, sein Kind nicht richtig zu erziehen: "Und schon ist sie da, diese Angst, sein Kind zu verziehen. Welche Ursachen hat sie? Denn, wer dieses unschuldige Baby anschaut, fühlt sich sehr glücklich. Niemand kann sich vorstellen, dass es eines Tages unerwünschte Handlungen vollbringen wird. Wenn wir also von "verziehen" sprechen, haben wir ein älteres Kind vor Augen. Das Kind im Trotzalter, das immer "nein" ruft, läßt seine Mutter denken: "Was für einen Dickkopf habe ich mir großgezogen. Sicher habe ich es falsch gemacht!" Ist es wirklich so wichtig, dass unsere Kinder vor der Zeit lernen, alleine zu schlafen, alleine zu sein und sich mit sich selbst zu beschäftigen? Ist es notwendig, dass wir Erwachsenen unseren Lebensrhythmus ändern und an das Baby anpassen, damit sich das Kind gut entwickelt? Auch hierzu möchte ich wieder aus dem Buch von Bernadette Stäbler zitieren: "In vielen ursprünglich lebenden Kulturen, die wir "primitiv" nennen, wurden inzwischen Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse eine Umwälzung unserer Ansichten über die herkömmliche Kindererziehung mit sich brachten. Ich möchte eine afrikanische Studie herausgreifen und vereinfacht darstellen: Die erste Gruppe gebar ihre Babys zuhause und ließ diese keinen Moment allein. Geborgen bei der Mutter, wurden sie nach Bedarf gestillt und mussten niemals schreien. Bald ging die Mutter wieder auf das Feld, um die gewohnte Arbeit zu verrichten, das Neugeborene in ein Tragtuch geschlungen. Die Kontrollgruppe bekam ihre Babys im Krankenhaus mit aller medizinischen Hilfe, einschließlich schmerzlindernden Medikamenten. Gleich nach der Geburt wurden Mutter und Kind getrennt, um zu ruhen. Die Babys bekamen Fläschchen und Schnuller, weil dies "das Moderne" war. Daheim schliefen die Kinder in ihrem Bettchen, in ihrem eigens dafür hergerichtetem Zimmer. Allein, ohne Körperkontakt. Alles ging recht zivilisiert zu, nämlich nach einem genauen Zeitplan, denn die Kinder sollten sich früh an ein geordnetes Leben gewöhnen und weder kleine Tyrannen noch nervös werden. Ein Jahr später offenbarte sich das Unerwartete: Die Kinder der ersten Gruppe waren in allem den anderen voraus: Sie waren intelligenter in ihren Verhaltensweisen und auch viel sozialer eingestellt, selbst die körperliche Entwicklung war besser, obwohl sie die ganze Zeit "festgebunden" waren. Ähnliche Ergebnisse ergaben vielseitige Studien in den verschiedensten Kulturkreisen. Wenn wir versuchen, dies mit einer natürlichen, einfühlsamen Intelligenz nachzuvollziehen, wissen wir, warum das Ergebnis so ausfallen musste. Das Baby fühlt sich bei seiner Mutter geborgen. Es muss seine Kräfte nicht für das Weinen verbrauchen. Der mütterliche Körper gibt ihm Wärme. Wenn das Baby sich an seine Mutter schmiegt, fühlt es ein wenig von dem Glück, das es neun Monate lang im Mutterleib haben durfte. Es kennt von daher ja auch schon die Herztöne seiner Mutter, es kennt sogar schon ihre Stimme und nun sieht es endlich ihr Gesicht, ihre Augen und darf an der Brust trinken, wenn es möchte. Das ist das Glück, die mütterliche Liebe, die Impulse gibt für die Intelligenz und das soziale Verhalten. Wenn das Baby sich an die Körperbewegungen der Mutter anpassen muss, während sie ihre alltägliche Arbeit verrichtet, übt es in wundervoller Weise seine Muskeln und den Gleichgewichtssinn." (Aus: Denise Both: „Tragen") LLLiebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 05.02.2020



Antwort auf: Wie bringe ich mein 12 Monate altes Kind dazu allein einzuschlafen?

Es ist anstrengend, wenn das Insbett-Bringen abends so lange dauert, ich weiß. Aber in diesem Alter ist es normal, dass die Mäuse das noch nicht gut allein schaffen. Ich habe abends noch etwa eine Stunde am Bett gesessen, als meine Kinder schon zwei Jahre alt waren. Kleine Kinder möchten nicht allein und abseits liegen und einschlafen müssen. Sie wollen bei ihrer Mama schlafen, das gibt ihnen Sicherheit. Bei den sog. Naturvölkern schlafen daher ganz von selbst alle zusammen: Eltern und Kinder. Niemandem käme es in den Sinn, ein Kind allein schlafen zu lassen. Nun ist es in der westlichen Welt ja so, dass Erwachsene deutlich später ins Bett gehen als kleine Kinder. Da ist das mit dem gemeinsamen Schlafen nicht so einfach. Trotzdem entspricht es dem Instinkt des Kindes: Gerade beim Einschlafen will es beschützt und nicht allein sein. Da hilft es nur, anwesend zu sein. Bei uns hat es geholfen, die Kinder die ersten Lebensjahre im Familienbett schlafen zu lassen. Es riecht nach den Eltern, dort schlafen die Mäuse meist leichter ein (und besser durch) als in ihrem eigenen Bett. Vielleicht kann Dein Partner abwechselnd mit Dir Euer Kind ins Bett bringen, damit Du auch mal einen eigenen Feierabend hast. Auch Väter können das - und das Kind kann sich daran gewöhnen, dass der Papa das macht. Wenn Du verstehen willst, warum Deine Maus nicht allein einschlafen kann, lies mal diese beiden wunderbaren Bücher: William Sears: Vom Schlafen und Wachen, und Jean Liedloff: Auf der Suche nach dem verlorenen Glück. Die haben mir selbst wirklich die Augen geöffnet, und ich habe verstanden, warum rigide Methoden ("Jedes Kind kann schlafen lernen") so schädlich sind. LG

von Lillimax am 05.02.2020, 12:18