Viele Fragen zum stillen (knapp 10 Monate altes Baby)

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Viele Fragen zum stillen (knapp 10 Monate altes Baby)

Hallo, ich mache mir in den letzten Tagen mal wieder einige Gedanken, die ich hier gern ansprechen möchte. Zum einen betrifft es die Beikost. Meine Tochter wird Anfang Januar 10 Monate alt und wir haben erst mit 7 1/2 Monaten angefangen, eine Mahlzeit mehr und mehr durch Beikost zu ersetzen, da sie vorher keinen Brei annehmen wollte. Aktuell sind wir bei 2 Mahlzeiten angekommen. Ich möchte möglichst lange weiter stillen, bis sie sich irgendwann von selber abstillt, denn sie stillt sehr gerne, freut sich immer richtig darauf und wir genießen es beide sehr. Wie mache ich jetzt in Bezug auf Beikost am besten weiter, ohne die Milchmenge negativ zu beeinflussen? Stimmt es, dass die Milchmenge nach dem 7. Monat abnimmt und die Milch dünner wird? Spricht man auch bei nur 1-2 Stillmahlzeitentäglich nach dem 6. Monat, so wie es die meisten Beikostpläne vorsehen, von „Langzeitstilen“? Ich habe im Internet gelesen, das viele Frauen nach 7 oder 8 Monaten stillen nur noch ca. 500 ml Milch am Tag bilden. Meine Kleine trinkt aber noch kein Wasser. Wie mache ist das dann am besten, damit sie weiterhin genug Flüssigkeit aufnimmt? Nachts ist es so, dass sie neben mir im Familienbett schläft und pro Nacht ca. 2-3 Mal stillt. In der Regel schlafen wir dabei beide weiter und sie macht es im Unterbewusstsein. Seit zwei Tagen wird sie nachts aber wach und weint dann etwas. Könnte es daran liegen, dass ich weniger Milch habe, oder die Milch dünner ist/ sie nicht satt wird? Sie war auch erkältet, die Erkältung klingt aber schon länger ab. Bis auf etwas husten tagsüber ist da eigentlich nicht mehr viel. Mir fiel auf, dass die Erkältung trotz stillen nicht so schnell weg ging, wie am Anfang, als sie nur wenige Monate alt war. Zudem ist es auch so, dass sie bis Anfang März, also zum 1. Geburtstag ihr Geburtsgewicht verdreifacht haben sollte. Wird sind aber jetzt erst bei 8380g und sie nimmt pro Monat zwischen 120 und 140 g zu. D.H. sie wird ihr Geburtsgewicht bis März nicht verdreifacht haben. Ist das dann schlimm? Sie ist ansonsten ein ziemlich munteres Baby, hat eine rosige Hautfarbe, gedeiht gut und hat auch viel süßen Babyspeck. Dennoch bin ich mir manchmal unsicher, ob alles gut ist, so wie wir es machen und wie es ist. Sorry für die vielen Fragen, aber ich musste sie mal loswerden, damit ich wieder den Kopf frei bekomme. Vielen Dank im Voraus und liebe Grüße, NaturalMum

von naturalMum am 28.12.2017, 15:27



Antwort auf: Viele Fragen zum stillen (knapp 10 Monate altes Baby)

Liebe NaturalMum, vor laaaanger Zeit, als ich noch in der Ausbildung zur Stillberaterin war, hat meine Ausbilderin immer gesagt „wenn man die Gewichtszunahme eines Babys bremsen will, dann sollte man bereits relativ früh mit Beikost beginnen, wenn man die Gewichtszunahme steigern will, dann sollte man auch bei dem kleinsten bisschen Durst stillen“. So würde man das heute nicht mehr formulieren, denn inzwischen weiß man ganz genau, dass es nicht notwendig ist, die Gewichtszunahme eines Stillkindes zu bremsen. Aber was stimmt, ist dass Beikost, vor allem wenn es sich um Gemüse handelt, dem Kind deutlich weniger Kalorien zuführt als Muttermilch. Ich weiß, dass fast überall steht: „zunächst wird die Mittagsmahlzeit ersetzt und im Abstand von etwa vier Wochen ersetzen Sie die nächste Mahlzeit usw". Gleichzeitig wird „eine Mahlzeit" als die Menge definiert, die in ein Gläschen passt und zwar für alle Kinder gleich. Doch dieses Schema, das leider immer noch oftmals propagiert wird verursacht in vielen Fällen nichts weiter als Stress und Tränen. Es ist einfach zu sehr in den Köpfen vieler Menschen verwurzelt, dass eine Stillmahlzeit „ersetzt" werden müsse, dabei stimmt das gar nicht. Schon der Begriff BEI Kost drückt doch aus, dass es sich bei dieser Nahrung um eine ergänzende Nahrung und nicht um einen Ersatz für die Muttermilch handelt. Wäre es ein Ersatz, dass würde es ANSTATT Kost heißen. Die Empfehlung lautet also nicht strikt erst eine komplette Mahlzeit vollständig zu ersetzen, ehe die nächste Mahlzeit ersetzt wird, sondern erst etwa eine Woche abwarten, ehe ein neues Nahrungsmittel eingeführt wird und die Beikost als Ergänzung und nicht als Ersatz für die Muttermilch betrachten. Daher gibt es auch keine festgelegte Zahl für die Stillmahlzeiten, sondern das Kind kann weiterhin nach Bedarf gestillt werden. Im gesamten ersten Lebensjahr sollte Muttermilch das Hauptnahrungsmittel des Kindes sein. Bei der Vorgehensweise, dass langsam als ergänzende Nahrung Beikost angeboten wird, hat die Brust Zeit, sich an die Veränderung zu gewöhnen, das Kind hat ebenfalls mehr Zeit für die Umstellung und die Nährstoffe aus der Beikost können in Zusammenhang mit bei der gleichen Mahlzeit angebotener Muttermilch besser verwertet werden. Auch bekommt Dein Baby dadurch zusätzliche Flüssigkeit. Man kann eine Faustregel aufstellen, dass ein Baby mit sieben Monaten eine bis zwei zusätzliche Beikostmahlzeiten ergänzend zur Muttermilch bekommt, mit acht Monaten zwei bis drei, mit neun Monaten zwei bis vier, mit zehn Monaten vier und mit zehn bis zwölf Monaten drei bis fünf. Daneben kann und darf es so oft gestillt werden, wie es möchte. Mit sieben bis neun Monaten braucht das Kind noch mindestens drei Milchmahlzeiten, mit zehn bis zwölf Monaten noch mindestens zwei. Wird das Kind ausreichen häufig gestillt, braucht es keine andere Milchnahrung und auch keinen Milchbrei oder Flaschennahrung. Du könntest einen milchfreien Getreidebrei anbieten und dann einfach noch stillen. Für Tipps rund um das Thema Beikost bietet sich das Buch „Babyernährung gesund & richtig – B(r)eikost und Fingerfood“ von Gabi Eugster an. Dort finden sich sehr viele Informationen und Tipps zum Thema Ernährung ab dem siebten Monat. Je weniger oft Du stillst, umso weniger Milch wird gebildet, das hängt aber nicht vom Alter des Kindes ab! So lange Du ausrechend oft stillst, wird die Milchmenge nicht zurück gehen. Auch die Qualität der Muttermilch wird nicht schlechter! Reife Muttermilch enthält etwa 7,3 g/100 ml Laktose sowie kleinere Mengen anderer Kohlenhydrate (Oligo und Polysacharide, Glykoproteine, Glukosamine usw.). Der Fettgehalt der reifen Muttermilch beträgt 4,2 g/100 ml, wobei der größte Teil davon auf die Triglyceride entfällt. 57 % der Fettsäuren der Muttermilch sind ungesättigt. Der Fettanteil der Muttermilch beinhaltet auch die fettlöslichen Vitamine, Phospolipide und Cholesterin. Reife Muttermilch enthält 0,9 g/100 ml Eiweiß. Zu den Molkeneiweißen gehören die Immunglobuline, Lysozym, Laktoferrin und Alphalaktalbumin. Außerdem enthält Muttermilch Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine. Weitere Bestandteile sind Hormone, Enzyme und Wachstumsfaktoren. Reife Muttermilch bleibt in Bezug auf Kaloriengehalt, Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate usw. in ihrer Zusammensetzung während der gesamten Stillzeit gleich, lediglich bei den Antikörpern und bei einigen Vitaminen und ergeben sich Veränderungen. So steigt der Antikörpergehalt mit etwa einem halben Jahr und dann nochmals im zweiten Lebensjahr (jeweils dann, wenn das Kind mobiler wird und mehr Kontakt mit der Außenwelt aufnimmt) an. In der Abstillphase kommt in Bezug auf den Salzgehalt zu Veränderungen. Die WHO empfiehlt ausdrücklich für ALLE Kinder eine Stillzeit von bis zu zwei Jahren und darüber hinaus. Es steht in der Innocenti Deklaration ausdrücklich, dass diese Empfehlungen für alle Kinder und nicht nur für Kinder in Drittweltländern Anwendung finden. Von Langzeitstillen spricht man nach dem ersten Geburtstag. LLLiebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 28.12.2017



Antwort auf: Viele Fragen zum stillen (knapp 10 Monate altes Baby)

Vielen Dank für die ausführliche Antwort und die Buchempfehlung. Ich habe mir das Buch heute bestellt und werde es Dienstag bekommen. Eine letzte Frage hätte ich allerdings noch: Ist es denn schlimm, wenn meine Tochter ihr Geburtsgewicht mit einem Jahr nicht verdreifacht hat? Liebe Grüße und vielen Dank nochmal NaturalMum

von naturalMum am 30.12.2017, 22:20