Frage: Stillproblematik

Hallo, ich habe Anfang Dezember 2017 mein Baby in einer Klinik bekommen. Direkt nach der Geburt habe ich das Baby angelegt und es hat sehr deutlich gesogen. Ich hatte das Gefühl, alles ist stilltechnisch in Ordnung, weil es sehr lange gesogen hatte. Am zweiten und dritten Tag waren wir noch in der Klinik. Das Kind schlief tagsüber immer friedlich, aber die beiden Nächte lang schrie das Kind durch. Ich war total übermüdet und auch von dem durchwegs schreienden Kind total fertig (Rooming-in). In der Klinik, wo ich war, wurde einem das Kind auch nicht abgenommen, sondern man wurde immer wieder abgewimmelt "Legen Sie einfach Ihr Kind an..". Wie auch immer, so habe ich ständig das Kind eben "angelegt", aber ich hatte das Gefühl, dass es dadurch im wahrsten Wortsinn nicht "Gestillt" oder irgendwie zufrieden wurde. Seitens der Klinik musste ich dann an dem zweiten Tag in der Klinik an eine elektrische Medela-Milchpumpe, um meine Milchproduktion anzuregen, für je Seite 10 Minuten und Stufe 4. Außer dass es weh tat, kam da kein Tropfen. Außerdem wurde mir dann ein STillhütchen verabreicht, das ich nehmen sollte. Ich hab mir so Sorgen gemacht um das Kind, aber es war mein erstes Kind, sodass ich auf die Schwestern gehört habe, die mich beschwichtigten mit der Information, dass es einem Neugeborenen nichts ausmache, wenn erstmal kaum Milch komme. Begründung: "Es hat einen sehr kleinen Magen und außerdem ernährt es sich in den ersten Tagen noch vom Fruchtwasser. Da passiert nichts." Am Abend des zweiten TAges habe ich mich aus der Klinik entlassen lassen. Danach hat das Kind am Tag darauf wieder so geschrien. Ich habe es ständig umher getragen, ständig gewickelt, gewärmt und alles. Da hatte ich dann aber meine nachgeburtliche ambulante Hebamme, der ich von meiner Sorge erzählt hatte und die dann das Kind gewogen hat. Sie hat dann festgestellt, dass da Kind 15 Prozent vom Geburtsgewicht abgenommen hat und dass es eine PRE-Milch braucht. Seither geht es bergauf. Inzwischen hat mein Kind sogar mehr als das Geburtsgewicht, es hat keinerlei Trinkschwäche, sondern trinkt sehr gut seine PRE-Milch. Wir wiegen es täglich. Außerdem haben wir uns eine elektrische Milchpumpe in der Apotheke ausgeliehen und pumpen ab. Man hat da so täglich ca. 80 ml. Diese 80 ml gebe ich dann dem Kind ein Mal am Tag. Mehr kann ich ihm leider offenbar nicht geben, was ich sehr schade finde. Meine ambulante Hebamme hatte schon den Tipp, zur Milchsteigerung Boxhornkleekapseln einzunehmen und Karamalz zu trinken, insgesamt viel zu trinken und viel zu schlafen. Nun würden mich aber zwei Dinger sehr interessieren: 1. Stimmt es, dass ein Neugeborenes die ersten Tage nach seiner Geburt auch allein von seinem Fruchtwasser leben kann? 2. Was kann man machen, um genügend Milch zu produzieren, um ein Kind auch ohne PRE_Milch selbst ernähren zu können? Viele Grüße

von Issi123 am 19.12.2017, 20:41



Antwort auf: Stillproblematik

Liebe Issi123, ich denke, dass das Baby von Anfang an falsch getrunken hat und durch Schnuller und Flasche saugverwirrt wurde. Die Trinktechniken an Brust und Flasche (künstlichem Sauger) unterscheiden sich grundlegend. Manche Kinder kommen mit dem Wechsel zwischen den beiden Techniken nicht klar und versuchen dann mit der falschen Technik an der Brust zu trinken. Das funktioniert nicht, das Kind bekommt an der Brust keine oder nur wenig Milch, ist frustriert und lehnt die Brust dann im schlimmsten Fall sogar ab. In dieser Situation spricht man dann von einer Saugverwirrung. Bei den Beruhigungssaugern handelt es sich um künstliche Sauger. Und unabhängig davon, ob sie auf einer Flasche oder als Beruhigungssauger Anwendung finden, können sich künstliche Sauger negativ auf das Stillen auswirken, Dies ist eines der Probleme, die sich aus dem Gebrauch von Beruhigungssaugern beim gestillten Baby ergeben können, insbesondere dann, wenn das Baby noch nicht gelernt hat, korrekt an der Brust zu saugen. Das Saugen an einem künstlichen Sauger unterscheidet sich wie bereits geschrieben grundlegend vom Saugen an der Brust. Der künstliche Sauger ist bereits vorgeformt und relativ steif. Die Brust ist weich und nachgiebig. Ein Schnuller kann in den geschlossenen Mund eines Babys gesteckt werden. Um die Brust zu erfassen, muss das Baby den Mund weit öffnen, die Brustwarze reicht dann weit nach hinten in den Mund, wo die Bewegungen des Kiefers und der Zunge nicht stören. Auch die Bewegungsmuster der Muskeln von Mund, Gesicht und Zunge, sind am künstlichen Sauger ganz anders, als an der Brust. Mit der Saugtechnik, die das Baby beim Trinken an einem Flaschensauger oder beim Nuckeln an einem Beruhigungssauger anwendet, kann es kaum Milch aus der Brust bekommen. Du hast ganz sicher noch eine Chance, aber ja, viel Geduld wirst du benötigen! Man kann eine Faustregel aufstellen, dass ungefähr eine Woche pro Monat, der nicht mehr gestillt wurde, plus eine zusätzliche Woche gerechnet werden muss, um wieder eine ausreichende Milchmenge zu bilden. Allerdings gibt es keine Garantien. Da du nicht schreibst, WANN du abgestillt hattest, kann ich diesen Faktor nicht beurteilen, aber es klingt nicht so, als wäre es schon Wochen her. Das grundlegende Vorgehen bei einer Relaktation und auch der induzierten Laktation besteht darin, das Baby dazu zu bringen so oft wie möglich an der Brust zu saugen. Dadurch werden die Brüste (wieder) zur Milchbildung angeregt. Ein ähnlicher Effekt lässt sich auch mit einer guten Milchpumpe erreichen. Häufig ist auch zusätzliches Pumpen neben dem Anlegen des Kindes sinnvoll, um die Milchproduktion zu steigern. In manchen Fällen wird die Relaktation bzw. induzierte Laktation zusätzlich mit Medikamenten unterstützt. In den Ländern der dritten Welt, wird meist ohne Medikamente vorgegangen und die Ergebnisse sind dennoch fast immer besser als bei uns. Gut beschrieben wird der Vorgang der Relaktation in dem Buch „Stillen eines Adoptivkindes und Relaktation“ von Elizabeth Hormann (ISBN 3 932022 02 5), das im Buchhandel oder bei La Leche Liga Deutschland und bei jeder LLL Stillberaterin erhältlich ist. Adressen von Stillberaterinnen findest Du im Internet unter: http://wwwlalecheliga.de (Stillberaterinnen der La Leche Liga), http://www.afs-stillen.de (Stillberaterinnen der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen) oder http://www.bdl-stillen.de (Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC). LLLiebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 19.12.2017