Stillen mit Schwierigkeiten

 Kristina Wrede Frage an Kristina Wrede Stillberaterin

Frage: Stillen mit Schwierigkeiten

Sehr geehrte Frau Walter, mein Baby ist fast 7 Wochen alt und ich habe es von Geburt an voll gestillt. Er hatte ein niedriges Geburtsgewicht (3000 gr bei 52 cm) und verlor knapp 10% in den ersten 5 Tagen. Mit Unterstützung einer Hebamme habe ich weiter versucht in den ersten 3,5 Wochen zu stillen. Da ich häufig anlegen sollte und er viel weinte und auch schlecht Gewicht zunahm, habe ich am Ende fast dauerhaft mit Pausen gestillt. Z.B. 30 Min stillen, 30 Min schlafen (bei längeren Pausen abgepumpt, aber immer nur ca 10-20 ml)... Etc. Ich nahm Bockshornklee, trank nur noch Stilltee und und und... So ging das die gesamten 3,5 Wochen bis ich am Ende war und er bei 57 cm gerade seine 3000 gr erreicht hatte. Ich wollte dann zufüttern, und auch der Kinderarzt riet mir dazu, da er nur am Weinen war und auch schon schlimm verhungert aussah und auch noch immer seine Wärme nicht kontrollieren konnte. Danach nahm er in 2 Wochen 800 gr zu und war wieder halbwegs im grünen Bereich. Nun wiegt er ca 4300 und schläft immer noch viel ein, und ich füttere viel zu. Bisher gibt es keine nennenswerte Besserung seines Trinkverhaltens. Zwischendurch hatte ich noch eine Brustentzündung mit Fieber und Gliederschmerzen und wollte nahezu jeden Tag aufhören zu stillen. Die Abstilltabletten liegen bereit. Nun habe ich seit gestern wieder angefangen Bockshornklee zu nehmen und Stilltee, für einen letzten Versuch. Mein Kleiner trinkt immer noch schlecht, am Anfang gut, schläft viel ein. Ich wecke ihn mit allem was empfohlen wird (wickeln, neuerdings auch Fußmassage und Rückenmassage etc). Ich stille so mit Unterbrechung 1-1,5 Std, danach füttere ich zu. Höchstens nachts kann ich aufs zufüttern verzichten, aber da sieht es zb so aus, dass ich ihn dann auch mal weiterschlafen lasse... Von 1-6.30 mit ca je 1 stündigen Pausen. Das Brusternährungsset wollte ich nun nicht mehr austesten. Haben Sie einen anderen Rat? Vielen Dank. Lg E.

Mitglied inaktiv - 10.10.2018, 18:56



Antwort auf: Stillen mit Schwierigkeiten

Liebe E., ich vermute, in eurem Fall liegt es nicht am Bockhornklee oder Stilltee, sondern eher daran, dass dein Baby nicht korrekt saugt und dadurch nicht genug Milch trinkt, sowie die Milchbildung nicht genügend anregt. Wenn er in 3,5 Wochen nicht mehr als 300 Gramm zugenommen hat, dann war das eindeutig zu wenig und das Zufüttern absolut erforderlich. Und ja, trotzdem könnte es noch klappen mit dem Stillen, wenn du die richtige Unterstützung und die nötigen Informationen bekommst. Sind deine Brüste im Laufe de Schwangerschaft deutlich gewachsen? Das wäre schon mal ein guter Hinweis darauf, dass sich Brustdrüsengewebe gebildet hat. Auch wenn du noch eine Nachsorgehebamme hast, brauchst du fürs Stillen die Unterstützung von jemandem, der in diesem Gebiet super fit und up to date ist. (Viele Experten in anderen Gebieten rund um die Mutterschaft haben schon viele Jahre keine Fortbildung mehr in Sachen Stillen gehabt...). ALso schau bitte, ob es bei dir in der Gegend eine Stillberaterin gibt. "In der Gegend" umfasst eine Entfernung von 1 Autostunde... Denn auch dann ist es es wert, sich dort Hilfe zu holen. Adressen von Stillberaterinnen findest Du im Internet unter: http://wwwlalecheliga.de (Stillberaterinnen der La Leche Liga), http://www.afs-stillen.de (Stillberaterinnen der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen) oder http://www.bdl-stillen.de (Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC). IBCLC sind die Profis unter den Stillberaterinnen, sie arbeiten nicht kostenlos, aber in einem Fall wie deinem durchaus eine Überlegung wert. Abpumpen erlaubt überhaupt keinen Rückschluss auf die tatsächlich vorhandene Milchmenge, denn wenn dabei der Milchspendereflex nicht ausgelöst wird, fließt so gut wie nichts - oder nur sehr wenig, wie bei dir. Trotzdem könnte es sein, dass deine Brust deutlich mehr bildet. Sie kann auch zu einer höheren Milchbildung angeregt werden, wenn dein Baby effizient saugt. Ein Baby kann das lernen, braucht aber Unterstützung dabei, die übers Internet kaum zu liefern ist. Darum, wie gesagt, meine Empfehlung, nach jemandem in eurer Nähe zu suchen. Fürs erste kann auch euch die Brustkompression helfen (s.u.), weil dabei einfach mehr Milch in gleicher Zeit beim Baby ankommt. Wenn es dann auch noch funktioniert, dass du an einer Seite stillst und an der anderen Seite pumpst (dabei fließt die Milch meist deutlich besser an der gepumpten Seite), kannst du deinem Kleinen auch einen Kalorienkick schenken, in dem du ihm Muttermilchsahne fütterst. Schau, dass du Milch ausstreichst (wenn es mit der Hand gut klappt, vergiss die Pumpe weg!) oder abpumpst, die du in 10 ml Spritzen aufziehst und dann kopfüber in ein Glas stellst (also mit der Spitze nach unten). Lass aber ein bisschen Luft, denn die Schwerkraft wird den Kolben vielleicht etwas weiter in die Spritze drücken... Oben auf der Milch wird sich eine Fettschicht absetzen, der Muttermilchrahm. Nach ca. 2 Stunden kannst du den wässrigen unteren Teil der Milch ausdrücken und deinem Kind die verbleibende Sahne in den Mund träufeln. Dieses Infoblatt von LLLD kann die dabei helfen, deine Milch zu gewinnen: http://lalecheliga.de/images/Infoblaetter/LLL_Muttermilch_gewinnen_und_aufbewahren.pdf Im Idealfall verschreibt dein Arzt dir auch eine elektrische Milchpumpe (MIT DOPPELPUMPSET!!!), um deine Milchbildung zu stärken. Um das Interesse deines Babys an der Brust wach zu halten, empfiehlt sich das Wechselstillen, das du wohl schon durchführst. Machst du es so? Du legst Du dein Baby an und stillst es, solange es wirkungsvoll saugt, d.h. es schluckt nach jeder oder jeder zweiten Saugbewegung. Sobald es seltener schluckt, nimmst Du es sanft von der Brust (vergiss nicht den Saugschluss zu lösen) und lässt es aufstoßen, streichelst seine Fußsohlen oder massierst es sanft entlang der Wirbelsäule, um seine Aufmerksamkeit zu wecken. Dann wird es an der anderen Brust angelegt und wieder gestillt, so lange es wirkungsvoll saugt. Schluckt es wieder seltener, wird es zurück an die erste Brust gelegt, nachdem Du es wieder etwas ermuntert hast. Dieses „Wecken und Wechseln“ wird zwanzig bis dreißig Minuten lang ausgeführt, wie bereits erwähnt tagsüber alle zwei Stunden und nachts mindestens alle vier Stunden. Ruhe dich oft aus und entspanne dich. Arbeite für eine Weile so wenig wie möglich. Die Hausarbeit läuft dir nicht davon! Stress wirkt sich ungünstig auf den Milchspendereflex und auf die Milchbildung aus. Vielleicht kannst Du ja ein paar „Stilltage“ einlegen, das heißt Du legst dich mit deinem Baby ins Bett und kümmerst dich ausschließlich um dein Baby und das Stillen. Wenn möglich, sollte dein Kind keinen Schnuller und auch keine Flaschensauger bekommen, denn diese können dazu führen (bzw. schon dazu geführt haben), dass dein Baby nicht mehr weiß, wie es richtig an der Brust trinken soll. Die eventuell notwendige Zusatznahrung sollte mit einer alternativen Fütterungsmethode gegeben werden (Löffel, Becherchen oder mit dem so genannten Brusternährungsset, das dir jedoch von einer Stillexpertin erklärt werden sollte.) Ich hoffe, das hilft euch weiter!! Lieben Gruß, Kristina Brustkompression "Der Zweck der Brustkompression ist den Muttermilchfluss zum Baby weiter zu erhalten, auch wenn das Baby selber nicht mehr so produktiv trinkt ("weit geöffneter Mund Pause dann Schliessen des Mundes"). Auf diese Weise wird das Baby länger weiter trinken. Die Brustkompression simuliert einen Milchspendereflex ("Letdown reflex") und oft stimuliert sie sogar tatsächlich das Auftreten eines natürlichen Milchspendereflexes. Diese Technik kann bei schlechter Gewichtszunahme eines Babys hilfreich sein. Die Brustkompression setzt den Milchfluss fort, wenn das Baby nicht mehr richtig von der Brust trinkt, sondern nur noch daran nuckelt, und bewirkt beim Baby folgendes: 1. Es bekommt mehr Muttermilch. 2. Es bekommt mehr fettreiche Milch (Hintermilch). Die Brustkompression Wie funktioniert sie? 1. Halten Sie das Baby mit einem Arm/einer Hand. 2. Halten Sie die Brust mit der anderen Hand, den Daumen auf der einen Seite der Brust (am einfachsten ist es, wenn der Daumen auf der oberen Seite der Brust positioniert ist), die anderen Finger auf der anderen, unteren Seite (C Griff). Alle Finger sollten ziemlich weit weg von der Brustwarze sein. 3. Schauen Sie wie das Baby trinkt. Machen Sie sich keinen Stress, sie brauchen nicht jeden Schluck zu erwischen. Das Baby bekommt eine nahrhafte Menge Muttermilch, wenn es mit der Technik "Weit geöffneter Mund Pause dann Schließen des Mundes" trinkt. 4. Wenn das Baby nur noch an der Brust nuckelt und nicht mehr richtig mit der oben beschriebenen Technik trinkt, dann ist es Zeit, die Brustkompression einzusetzen. Rollen Sie nicht ihre Finger über die Brust zum Kind, sondern drücken sie nur. Aber nicht so sehr, dass es schmerzt und versuchen Sie, die Form des Brustwarzenhofes nicht zu verändern. Mit der Kompression sollte das Baby wieder anfangen effektiv zu saugen und schlucken, d.h. mit dem Typus "Weit geöffneter Mund Pause dann Schließen des Mundes". Benutzen Sie die Brustkompression nur dann, wenn das Kind nuckelt, nicht aber wenn es richtig trinkt! 5. Belassen Sie den Druck so lange, bis das Baby auch mit der Kompression nicht mehr richtig trinkt, dann lösen sie den Druck. Oft hört das Baby ganz auf zu saugen wenn der Druck wegfällt, aber es wird bald wieder damit anfangen, nämlich sobald die Milch wieder fließt. Falls das Baby nicht aufhört zu nuckeln warten Sie einen kurze Zeit, bevor Sie wieder mit der Brustkompression beginnen. 6. Die Gründe, wieso Sie den Druck lösen sollen sind einerseits, dass Sie Ihre Hand etwas ausruhen können und anderseits, damit die Muttermilch wieder zum Kind fließen kann. Das Baby wird, falls es aufgehört hat zu saugen als Sie die Kompression gelöst haben, nun wieder damit beginnen, wenn es die Milch wieder schmeckt. 7. Wenn das Baby wieder zu saugen beginnt kann es sein, dass es effektiv trinkt mit dem Typus "Weit geöffneter Mund Pause dann Schließen des Mundes". Falls dies nicht der Fall ist, d.h. das Kind nur nuckelt, benutzen Sie wieder die Brustkompression wie oben erklärt. 8. Fahren Sie so an der ersten Brust fort bis das Baby auch trotz der Kompression nicht mehr trinkt. Sie sollten dem Baby erlauben, noch eine kurze Weile länger an dieser Seite zu bleiben, da Sie manchmal einen erneuten "Let down" Reflex (Milchspendereflex) bekommen können. Das Baby würde dann von selber wieder zu trinken beginnen. Falls es jedoch nicht mehr trinkt, erlauben Sie ihm sich selbst von der Brust zu lösen oder nehmen sie es von der Brust. 9. Falls das Baby mehr möchte, offerieren Sie ihm die andere Seite und wiederholen den Prozess." (Quelle: Handout Nr. 15. Breast Compression. Revised Januar 2005 Verfasst von Dr. Jack Newman, MD, FRCPC. ©2005; www.BreastfeedingOnLine.com; Übersetzung von: Anke Käppeli Tinnes, IBCLC in Ausbildung, Zollikerberg, April 2006)

von Kristina Wrede am 11.10.2018



Antwort auf: Stillen mit Schwierigkeiten

Entschuldigung, ich meinte Frau Welter.

Mitglied inaktiv - 10.10.2018, 19:13



Antwort auf: Stillen mit Schwierigkeiten

Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Zur Frage: meine Oberweite ist ca 1/2 Größe gewachsen, nach ca 3 Wochen. Vorher nicht (ich habe eine recht große Oberweite). Mein Problem ist derzeit, wie ich alle 2 Std anlegen soll ohne den Kleinen zu quälen. Ohne zufüttern, schreit er schon viel früher, sodass ich mind stündlich stille. Wenn ich ihn zufüttere, ist er ca 3 Std satt, manchmal 2 und manchmal 4. Die Hebamme riet mir nach dem Zufüttern 4 Std Pause zu halten. Dies habe ich meist eingehalten, aber nur mit zusätzlichem Aufwand ihn zu beruhigen und ich empfinde es als quälen, wenn ich ihn hungern lasse, weshalb ich nun zwischendurch ihm die Brust ab und zu gab. Der Frauenarzt sagte heut zu mir, wenn er nachts immer ein bisschen trinkt, dann einschläft und wieder wach wird, so wie ich es die letzten 2 Nächte probierte um nicht zufüttern zu müssen, würde ich ihn quälen und er verwies auf seine 30 jährige Berufszeit. Ich danke Ihnen für die zahlreichen Vorschläge! Lg E.

Mitglied inaktiv - 11.10.2018, 11:18



Antwort auf: Stillen mit Schwierigkeiten

Liebe E., beim Stillen gibt es keinen Mindestabstand, den du einhalten müsstest, auch nicht, wenn du Pre fütterst. Muttermilch ist nach 60 - 90 Minuten verdaut, wenn er also häufiger trinken will, dann ist das super!! Was genau dein Kinderarzt damit meint, dass du dein Baby quälen würdest, wenn du ihn nachts immer wieder trinken lässt, verstehe ich nicht. Auch dass er seit 30 Jahren Kinderarzt ist belegt zu dieser Frage doch nichts, denn ich vermute, er hat nicht 30 Jahre lang nachts gestillt ;-) Im Ernst... daran ist nichts verkehrt. Verkehrt ist, wenn dein Kleiner hungert, weil er nicht genug aus der Brust bekommt über den Tag und die Nacht hinweg. Dann macht es durchaus Sinn, einige Tage lang zuzufüttern, wenn parallel dazu an der Erhöhung der Milchmenge und dem Stillmanagement gearbeitet wird! Hast du mal nach einer Stillberaterin vor Ort geschaut? Lieben Gruß, Kristina

von Kristina Wrede am 11.10.2018



Antwort auf: Stillen mit Schwierigkeiten

Liebe Kristina, vielen Dank für die Hilfe. Bisher habe ich aufgrund der Hebamme, die ich bis diese Woche hatte, noch keine Stillberatung in Anspruch genommen. Wie ich nun vermute, habe ich vieles nicht optimal gemacht und vieles ggf verschlimmert. Ich füttere seit 3,5 Wochen bereits aus Flaschen zu und ein Schnuller ist aufgrund seines sehr hohen Nuckelbedürfnisses mittlerweile auch im Einsatz. Da das Leben seit 7 Wochen nur noch aus Fütterung besteht und ich die Zeit mit ihm nicht optimal genießen kann, weiß ich nicht, ob ich dann noch die Kraft aufbringe, seine schlechte Trinktgewohnheit zu ändern, denn das scheint ja wohl das größte Problem zu sein. Ich dachte immer es lag nur daran, dass er immer schlief. Aber jetzt wo er seit ein paar Tagen wacher ist, hat sich nichts verbessert. Die Methoden von Ihnen probiere ich noch weiterhin aus, ggf gehe ich noch zu einer Stillberatung. Der Frauenarzt im Rahmen der Nachsorge (nicht Kinderarzt) meinte, dass ich mein Baby quäle, da er nicht zur Ruhe kommt, wenn er nachts stündlich wg Hunger aufwacht. Das hat mich sehr fertig gemacht. Ich will mein Baby nicht quälen nur weil ich versuche ihn zu stillen. Daher sind Ihre Worte sehr beruhigend gewesen. Lg E.

Mitglied inaktiv - 12.10.2018, 09:25



Antwort auf: Stillen mit Schwierigkeiten

Liebe E., ja, manchmal ist der Start nicht so optimal. Auch dafür ist es gut, dass Frauen 8 Wochen lang unter besonderem Schutz stehen, wenn sie in der Wochenbettzeit sind. Zwar lebt die heute bei uns kaum noch jemand, doch es ist immer noch genau die Zeit, die es in der Regel braucht, damit alles wieder einigermaßen in der (neuen) Spur läuft. Ein Baby ist darauf eingerichtet, häufig zu erwachen um zu trinken. Und meist erwacht es gar nicht komplett, vor allem, wenn es nachts bei Mama liegen darf. Da wird dann im Halbschlaf gestillt - und wenn die Natur es so eingerichtet hat, hat das schon einen Grund. Also wirklich keine Sorge wegen "Baby quälen". (Und ich wüsste noch immer gern, wie genau diese 30-jährige Erfahrung aussieht. Woher will jemand das denn wissen, wie es einem Kind geht, dass nachts wach wird um zu trinken??) Lieben Gruß, Kristina

von Kristina Wrede am 13.10.2018