Guten tag,
Meine Tochter und ich haben eine bakterielle Mandelentzündung.
Meine Tochter wird 3 jahre und wird noch oft gestillt.
Sie nimmt Antibiotika cefaclor 250 und ich soll amoxicillin 1000 nehmen. Soll sie aber sofort abstillen.
Müssen wir wirklich abstillen? Oder kann sie trotz das sie ein Antibiotika und ich eins nehmen müssen weiter stillen?
Lg
von
LEOTINA
am 10.08.2022, 12:23
Antwort auf:
Stillen Antibiotika
Liebe LEOTINA,
leider wird Medikamentenrisiko häufig überbewertet und die Konsequenzen, die ein plötzliches Abstillen für das Kind mit sich bringen, werden häufig unterschätzt. Tatsächlich kommt es selten zu Symptomen einer gesundheitsschädigenden Wirkung von Medikamenten über die Muttermilch. Die Risikoinformationen in Beipackzetteln und Einschätzungen in Arzneibüchern sind irreführend und geben keine Hilfestellung bei der Wahl einer adäquaten Therapie. Für die meisten Erkrankungen stehen Medikamente zur Verfügung, die mit dem Stillen zu vereinbaren sind.
Nicht jedem Arzt ist bewusst, dass im Beipackzettel oder in der "Roten Liste" in der Regel steht, dass ein Medikament in der Stillzeit nicht gegeben werden darf, obwohl es doch möglich ist.
Darum kann und sollte sich dein behandelnder Arzt bei der Embryotox in Berlin gezielt beraten lassen!! Es ist dein gutes Recht, das auch von ihm abzufordern... Das Berliner Pharmakovigilanz und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie ("Embryotox") berät Ärzte und andere Fachleute bei Fragen zur Vereinbarkeit von Medikamenten und Stillzeit (und natürlich auch Schwangerschaft). Es ist unter der Telefonnr. 030 450-525700 erreichbar, per mail unter mail@embryotox.de, oder online unter www.embryotox.de bzw. http://www.bbges.de/content/index024a.html.
Ich zitiere hierzu noch aus „Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit“ von Spielmann, Steinhoff, Schaefer:
Antibiotika allgemein
Bei vielen Antibiotika erhält ein gestilltes Kind unter Behandlung der Mutter weniger als 1 % der auf das Körpergewicht bezogenen therapeutischen Dosis. Damit werden allenfalls minimale, in keinem Fall Bakterien hemmende Konzentrationen im Säuglingsplasma erreicht.
In der Literatur werden immer wieder folgende Risiken diskutiert:
Beeinflussung der Darmflora (ggf. „dünnere" Stuhlkonsistenz, selten Durchfall),
Beeinflussung bakteriologischer Untersuchungen, die im Fall einer Erkrankung des Säuglings erforderlich werden könnten,
Entwicklung resistenter Keime,
Sensibilisierung.
Als klinisch relevant oder gar therapiebedürftig haben sich alle diese Nebenwirkungen bisher nicht erwiesen. Am ehesten ist mit einer vorübergehenden Auswirkung auf die Stuhlkonsistenz zu rechnen (Ito 1993).
Penicilline, Cephalosporine und andere ß Lactam Antibiotika
Erfahrungen. Bei allen gängigen Penicillinderivaten (z.B. Isocillin®, Amoxypen®) liegt der M/P Quotient unter 1. Der voll gestillte Säugling erhält in der Regel deutlich weniger als 1 % einer therapeutischen Dosis (Übersicht in Bennett 1996).
Ähnliches gilt für Cephalosporine, die zum Teil im Darm des Säuglings inaktiviert werden (Übersicht in Bennett 1996). Benyamini und Mitarbeiter (2005) haben 67 Mütter mit Amoxicillin plus dem Enzyminhibitor Clavulansäure (in Augmentan®) sowie 38 mit Cefuroxim nach Nebenwirkungen bei ihren gestillten Kindern gefragt. Bei der ersten Gruppe wurden mit 22 % häufiger Symptome berichtet als bei Amoxicillin alleine. Die Symptome waren dosisabhängig, bedurften aber keinerlei Intervention. Bei Cefuroxim wurden in knapp 3% der Fälle leichte Nebenwirkungen berichtet, die im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit Cefalexin nicht häufiger auftraten.
Bei Aztreonam (Azactam®) sind nach einer Einzeldosis an die Mutter 0,2 % als relative Dosis für das Kind in der auf die Applikation folgenden Stillmahlzeitermittelt worden (Ito 1990).
Bei lmipenem (Zienam®) wurden in einer japanischen Untersuchung durchschnittlich 0,8 % einer gewichtsbezogenen, i.v. verabreichten Dosis in der Tagesmilchmenge gemessen (Ito 1988).
Von Sulbactam (z.B. Unacid®) beträgt die relative pro Tag übergehende Dosis maximal 1 % (Foulds 1985).
Enteral werden die zuletzt genannten Substanzen kaum resorbiert. Dies spricht zusätzlich für eine geringe biologische Verfügbarkeit beim gestillten Kind.
Zu anderen ß Lactam Antibiotika liegen keine ausreichenden Daten vor. Bisher gibt es keinen Anhalt für toxische Effekte beim gestillten Kind.
Empfehlung für die Praxis: Penicillinderivate und Cephalosporine gehören zu den Antibiotika der Wahl in der Stillzeit. Soweit möglich, sollten länger eingeführte Substanzen bevorzugt werden, d. h. im Fall der Cephalosporine solche der 2. Generation. Wenn erforderlich, können auch andere ß Lactam Antibiotika und Clavulansäure verwendet werden.
Gute Besserung und liebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 10.08.2022