Stillberaterinnen als Ernährungsexperten für Säuglinge

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Stillberaterinnen als Ernährungsexperten für Säuglinge

Hallo liebe Biggi, hallo liebe Kristina, ausdrücklich auch hallo liebe Danyshope und alle anderen, die eine gute Quelle horten :-), ich suche nach (guten!) Quellen zum Thema "1er-Nahrung". Besonders zu dem Thema, wann 1er-Nahrung indiziiert ist und warum man aber im Normalfall bis zum Ende der Säuglingsmilchzeit mit Pre gut auskommt. Hintergrund ist, dass noch immer viele Kinderärzte und Hebammen dazu raten, doch auf die 1er umzusteigen, damit das wenige Wochen alte Baby nicht "alle zwei Stunden kommt" - was jedoch ernährungsphysiologisch völlig normal und sogar wünschenswert ist. Ich weiß aber, dass es in bestimmten Fällen eine (medizinische!) Indikation für das Reichen von 1er-Nahrung gibt - beispielsweise bei bedenklich übergewichtigen Babies, die einfach kein Sättigungsgefühl kennen (aus welchem Grund auch immer). Dass dann eben dort versucht wird, dem Kind alle Nährstoffe zuzuführen, den "Dauerhunger" aber irgenwie zu bremsen. Welche Fälle gibt es da noch? Wenn ich höre "das Kind nimmt zuwenig zu, Sie sollten statt alle drei Stunden Pre lieber alle drei Stunden 1er reichen", statt zu empfehlen, die Fütterungsfrequenz der Pre zu erhöhen, schlackern mir häufig die Ohren. Oder auch die weitläufige Meinung, dass das Baby NIE mehr als 1 oder 1,1 Liter Pre pro Tag trinken darf. Ja, wenn es über lange Zeit mehr als 1,25 Liter am Tag trinkt, sollte mal geschaut werden, ob spezielle Gründe vorliegen, warum das Schätzchen so ein Vielfraß ist. Ich meine jedoch das phasenweise "clustern", welches dem Säugling ja ebenso im Blut liegt wie das Saugen selbst. Aber ich verquatsche mich schon wieder :-). Der langen Rede kurzer Sinn: ich wünsche mir Quellen. Ganz, ganz lieben Dank! LG Sarah mit Jendrik (19 Monate, dank euch noch immer gestillt, kein Ende in Sicht)

von Jendriks_Mama am 02.07.2014, 22:45



Antwort auf: Stillberaterinnen als Ernährungsexperten für Säuglinge

Liebe Sarah, es gibt Babys, die zu wenig zunehmen und wenig Appetit haben, da wird manchmal empfohlen, angereicherte Nahrung zu geben. Muttermilch ist der Goldstandard und von allen künstlichen Säuglingsnahrungen ist diesem Goldstandard die Pre Nahrung noch am ähnlichsten. Alle weiteren Nahrungen entfernen sich immer weiter von Goldstandard, was keinerlei Vorteile für die Gesundheit des Kindes bringt. Deshalb ist es nicht sinnvoll und vom ernährungsphysiologischen Standpunkt her auch nicht notwendig, andere Nahrung als Muttermilchersatz zu geben, als eine Pre Nahrung. Wenn Sie sich die Zusammensetzung der künstlichen Säuglingsnahrungen anschauen, dann können Sie sehen, dass Pre Nahrung eindeutig zu bevorzugen ist. Spätestens bei der sogenannten Folgemilch 2 ist es dann sogar so, dass diese kaum noch an die Muttermilch angepasst ist, oft sehr süß ist und von der Zusammensetzung her so, dass sie nicht mehr als ausschließliche Nahrung für das Kind ausreicht. Sie darf deshalb auch nur in Zusammenhang mit Beikost gegeben werden. Es gibt Länder, in denen Folgenahrungen gar nicht erhältlich sind. Eltern erhoffen sich, was die Werbung ja auch deutlich suggeriert, dass ihre Kinder mit einer Folgenahrung seltener gefüttert werden müssen und länger schlafen. Das ist der Hauptgrund, warum diese Nahrungen verkauft werden. LLLiebe Grüße Biggi Welter Pre, 1 oder 2 – was bedeuten die Kürzel der Säuglingsnahrung von Denise Both, IBCLC Die EU Norm unterscheidet zwischen drei verschiedenen Nahrungsarten: • Säuglingsanfangsnahrung • Folgenahrung • Antigen Reduzierte Nahrung Säuglingsanfangsnahrungen sind künstliche Säuglingsnahrungen, die den Nährstoffbedarf eines Babys in den ersten vier bis sechs Monaten als Alleinnahrung decken und zusammen mit geeigneter Beikost das gesamte erste Lebensjahr gegeben werden können. Sie tragen die Silbe "Pre" oder die Zahl "1" im Namen. Unter einer Pre Nahrung wird eine adaptierte Säuglingsnahrung verstanden, die der Muttermilch weitestgehend angeglichen ist, was ihre Zusammensetzung an Mineralstoffen, Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß betrifft. Pre Nahrungen können, wie Muttermilch, nach Bedarf (ad libitum) gegeben werden. "1" steht für teiladaptierte Nahrung. Diese Säuglingsnahrung ist zum Teil der Muttermilch angeglichen, enthält mehr Eiweiß und außer Milchzucker noch weitere Zucker sowie Stärke. 1er Nahrung ist nicht so dünnflüssig wie Pre Nahrung und hält länger vor. Teiladaptierte Nahrung sollte nicht nach Bedarf gegeben werden. Folgenahrung wird durch eine "2" gekennzeichnet. Sie ist nicht mehr als alleinige Nahrung für den Säugling gedacht, sondern sollte frühestens ab dem fünften Monat zusammen mit Beikost gegeben werden. Ihre Zusammensetzung unterscheidet sich grundlegend von der der Muttermilch. Für allergiegefährdete Babys, zu denen zur Zeit etwa ein Drittel aller Neugeborenen zählen, gibt es antigen reduzierte Nahrungen, die durch die Abkürzung "HA" erkennbar sind. "HA" steht für hypoallergen und es bedeutet, dass in diesen Nahrungen das Kuhmilcheiweiß in kleinere Bestandteile aufgespalten wurde. Durch die Zerlegung des Eiweißes kann das Allergierisiko verringert werden. Außer den oben aufgezählten Nahrungen gibt es noch Spezialnahrungen (zum Beispiel laktosefreie Säuglingsnahrung oder Nahrungen mit sehr geringem Phenylalaningehalt), die besonderen Situationen vorbehalten sind. So kommt es zwar sehr selten vor, aber es gibt tatsächlich Fälle, in denen ein Baby keine Muttermilch erhalten darf (bei Galaktosämie, einer sehr seltenen Stoffwechselstörung) oder nicht ausschließlich gestillt werden darf (z.B. bei Phenylketonurie (PKU), ebenfalls eine Stoffwechselstörung).

von Biggi Welter am 03.07.2014