Hallo liebes Stillteam,
da ihr mir schon einmal weitergeholfen habt (vielen Dank!!!), wende ich mich heute wieder an euch, mit einem neuen Problem.
Ich war heute mit meiner Tochter (wird im Juni 3 Jahre) bei der Kinderzahnärztin. Diese stellte fest, dass die Kleine Karies im Anfangsstadium hat. Es sei noch kein dringender Handlungsbedarf, wir sollen regelmäßig zur Kontrolle kommen um nachschauen zu lassen, ob es schlimmer wird. Aufgrund des Alters soll so lange wie möglich gewartet werden mit der eigentlichen Behandlung. Kurzfristiges Ziel sei, den jetzigen Zustand so lange wie möglich zu halten.
Da ich als Kind schon Karies an den Milchzähnen hatte, achten wir sehr auf die Ernährung. F. trinkt nur Wasser und ungesüßten Tee, manchmal Kuhmilch oder stark verdünnte Saftschorle. Es gibt kaum Süßigkeiten, ihren "Süßhunger" stillt sie meist mit Obst. Ab und zu bekommt sie beim Bäcker einen Keks oder wir backen mal Kuchen. An Ostern hat sie zum ersten Mal Schokolade gegessen (konnte man den Omas nicht ausreden). Aus der Flasche hat sie nie getrunken und einen Schnuller nimmt sie nicht. Also eigentlich alles super, aber sie hat dennoch Karies mit nicht mal drei Jahren!!!
Die Zahnärztin (war recht jung, also vermutlich auf dem neuesten Stand der Kinderzahnmedizin) meinte, das Karies bei meiner Tochter könne nur vom Stillen kommen. Die Milch würde sich in den "Zahngrübchen" (Vertiefungen in den Zähnen) sammeln und Karies verursachen. Außerdem würde die Milch nach dem 6. Lebensmonat ihre Zusammensetzung ändern und mehr Zucker enthalten, so dass sie schneller Karies verursachen würde. Sie empfahl uns abzustillen oder das Stillen zumindest stark einzuschränken und vor allem in der Nacht komplett abzustillen.
Meine Tochter hat bis vor kurzem sehr schlecht geschlafen und hat in der Nacht noch bis zu ca. 10 Mal bei mir getrunken. Seit ca. 2 Monaten schläft sie (für unsere Verhältnisse) sehr gut, wacht ein oder zweimal auf und trinkt, ein paar Mal hat sie sogar schon komplett durchgeschlafen. Das ist einfach so besser geworden, ohne dass ich irgendetwas verändert habe. Nun habe ich Angst, dass wir durch ein plötzliches Abstillen in der Nacht starke Rückschläge im Schlafverhalten haben könnte, da es ja doch zunächst einmal eine starke psychische Belastung wäre. Natürlich will ich aber auch auf keinen Fall, dass sie deswegen in ihrem Alter schon eine Kariesbehandlung braucht. Ich wollte eigentlich immer, dass sie sich selbst irgendwann abstillt, und sie stillt ja schon viel weniger und ist ja eigentlich somit gerade dabei (wenn man das so sagen kann?). Ich empfinde es jedenfalls so. Und jetzt wäre es so schade, sie gegen Ende der Stillbeziehung doch noch einseitig abzustillen. Ich weiß gerade garnicht was ich tun soll und bin schon genervt wenn sie an die Brust will obwohl es mich sonst nicht gestört hat und sie ja garnix dafür kann und dann bin ich genervt von mir, weil ich genervt bin...
Ich hoffe, ihr könnt mir irgendeinen guten Rat geben!
Liebe Grüße
Tine
von
Tine1
am 02.05.2012, 14:51
Antwort auf:
Karies durch Langzeitstillen?
Liebe Tine,
das Thema Stillen und Karies ist ein Dauerbrennerthema, doch durch das ständige Wiederholen, dass Stillen, vor allem in der Nacht, zu Karies führen würde, wird diese Behauptung nicht richtiger.
Gestillte Kinder und auch langzeitgestillte Kinder bzw. noch lange während der Nacht gestillte Kinder haben nicht mehr Karies als nicht gestillte Kinder und wenn es zu Karies kommt, dann nicht wegen, sondern trotz des Stillens.
Selbstverständlich ist Zahnpflege ab dem ersten Zahn bei gestillten Kindern wichtig. Da gibt es überhaupt keine Diskussion, aber Stillen führt nicht zu Karies. Muttermilch greift die Zähne nicht an. Auslöser für Karies ist ein Bakterium mit dem Namen Streptokokkus mutans.
Weder Langzeitstillen noch nächtliche Stillen leistet entgegen der immer wieder geäußerten Meinung dem Karies keinen Vorschub. Lange gestillte Kinder, die auch zum Einschlafen und während der Nacht gestillt werden haben nicht mehr Karies als andere Kinder, eher im Gegenteil. Beim Stillen werden die Zähne nicht ständig mit Milch umspült, da im Gegensatz zu einem mit der Flasche gefütterten Kind, die Milch erst weit hinter den Zahnleisten in den Mund gelangt und von dort geschluckt wird. Die Milch läuft aus der Brust nicht einfach aus (wie das bei der Flasche der Fall ist), das Kind muss aktiv arbeiten und schluckt dann auch. Gestillte Kinder und auch langzeitgestillte Kinder bzw. noch lange während der Nacht gestillte Kinder haben nicht mehr Karies als nicht gestillte Kinder und wenn es zu Karies kommt, dann nicht wegen, sondern trotz des Stillens.
Selbstverständlich ist aber auch für gestillte Kinder Zahnpflege notwendig und wenn ein Stillkind Karies hat, dann muss das behandelt werden.
Wenn Du englisch lesen kannst findest Du weitere Informationen, auch eine Presseerklärung von LLLI zum Thema Karies auf der Homepage von LLLI (www.lalecheleague.org). Gib dort einmal die Suchbegriffe "decay", "dental caries" und "dental health" ein, dann müsstest Du entsprechende Artikel finden.
Harry Torney, ein britischer Zahnarzt hat in Nottingham auf der LLL Europakonferenz im letzten Sommer einen Vortrag zum Thema "Breastfeeding and Dental Health" gehalten und in seinem Vortrag aufgezeigt, dass es keinen Zusammenhang mit vermehrtem Auftreten von Karies und Langzeitstillen gibt.
Er hat auch eine Arbeit darüber veröffentlicht: "Prolonged, on demand breastfeeding and dental caries an investigation, Torney PH, M Dent Sc thesis, Trinity College, Dublin 1992
LLL Großbritannien hat vor etwa einem Jahr auch eine Infobroschüre mit dem Titel "Breastfeeding and Dental Health" herausgebracht. Über die LLLI Seite kommst Du auch zu Seite von LLLGB und kannst dort eventuell diese Broschüre bestellen.
Außerdem dürfte dieser Link interessant sein für dich:
http://www.stillen.ch/index.php?page=wissenswertes&lang=de
LLLiebe Grüße,
Biggi
von
Biggi Welter
am 02.05.2012
Antwort auf:
Karies durch Langzeitstillen?
Hallo,
vielen Dank für die schnelle Antwort. Aaaaber wenn Karies NUR durch die Bakterien ausgelöst werden würde, dann wäre doch die Ernährung insgesamt unbedeutend, oder? Und das ist sie doch nicht, und in Muttermilch ist auch Milchzucker, und Zucker in Verbindung mit diesen Bakterien verursacht Karies, wenn ich das so richtig verstanden hab? Und beim nächtlichen nuckeln und dabei einschlafen kann es doch schon sein, dass die Milch sich im Mund sammelt und erst viel später heruntergeschluckt wird, oder?
Versteh mich nicht falsch, ich will nicht "in den Krümeln" suchen und ich wäre total froh, wenn ich weiterstillen könnte wie bisher. Bin nur gerade noch so entsetzt, weil ich das mit dem Karies wegen des Stillens noch nie gehört hab und mir schien die Theorie der Zahnärztin auch einleuchtend...?
von
Tine1
am 02.05.2012, 16:14
Antwort auf:
Karies durch Langzeitstillen?
Liebe Tine,
Muttermilch enthält Laktose, das ist ein Zweifachzucker, der aus Galaktose und Glukose synthetisiert wird. Aber das ist nicht der wesentliche Punkt in dieser Diskussion.
Das Problem ist vielmehr, dass sich Experten verschiedener Fachrichtungen leider nur sehr wenig mit Muttermilch und dem Stillen beschäftigen und auch in ihrer Ausbildung nur wenig darüber lernen. Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass das Wissen über Muttermilch und Stillen beim medizinischen Personal fast ausschließlich aus den Informationen der Säuglingsnahrungsindustrie stammt!
Da sie wahrscheinlich auch nicht viel über die anderen Aspekte des Stillens weiß und deshalb Muttermilch und Stillen mit künstlicher Säuglingsnahrung gleich setzt, muss sie zwangsläufig zu einer anderen Meinung kommen.
Wenn ein Baby auf die Welt kommt, ist sein Mund in aller Regel noch frei von diesem Bakterium und meist bleibt dies zumindest so lange so, bis der erste Zahn da ist, bei manchen Kindern kommt es auch erst deutlich nach dem ersten Zahn zu einer Besiedelung mit Streptococcus mutans. Ein ganz wesentlicher Übertragungsweg ist übrigens das Ablecken eines runtergefallenen Schnullers durch die Mutter (oder sonst einen Erwachsenen) und das gemeinsame Benutzen eines Löffels oder das Vorkosten des Breis mit dem gleichen Löffel, wie er zum Füttern benutzt wird.
Ob ein Mensch (vermehrt) Karies bekommt oder nicht, hängt auch noch von weiteren Faktoren ab: wie gut oder schlecht hat sich die Mutter in der Schwangerschaft ernährt; waren in der Schwangerschaft Antibiotika notwendig; hatte die Mutter in der Schwangerschaft Erkrankungen, die mit hohem Fieber einhergingen; kommen in der Familie genetisch bedingt gehäuft Schmelzdefekte vor; ist das Kind zu früh geboren ...
Du siehst, selbst wenn wir als Mütter auf alles achten, so gibt es noch eine ganze Reihe von Dingen, auf die wir keinen Einfluss haben und es gibt im Leben keine Garantien.
LLLiebe Grüße,
Biggi
von
Biggi Welter
am 02.05.2012