Liebe Biggi, liebe Kristina,
ich habe (auch auf euren guten Rat hin, danke nochmal dafür) meine Tochter nun fast zwei Jahre lang gestillt. Mittlerweile isst sie ganz gut, sie trinkt auch Tee, Wasser und Kuhmilch, wird nur zwischendurch manchmal gestillt, zum Einschlafen und nachts.
Das Problem ist, dass ich ja eigentlich schon längere Zeit nicht so hundertprozentig zufrieden mit der Situation bin. Ich weiß aber, dass ihr meine Nähe gut tut und langes Stillen ja auch sonst eigentlich nur positive Effekte hat. Ich hab mir deshalb gesagt, ich stille sie jetzt, solange sie möchte; bin aber immer der Hoffnung gewesen, dass sie irgendwann nach ihrem zweiten Geburtstag, wenn ihre letzten Zähnchen da sind, nicht mehr gestillt werden möchte. Das Zahnen hat ihr immer doll Probleme bereitet und das Stillen hat ihr darüber hinweg geholfen. Nun bekommt sie ihre letzten Backenzähne und meine Brustwarzen schmerzen wieder vom zeitweiligen "Drauf-rumkauen". Aber ich habe mich quasi mit der Aussicht aufs Abstillen zum Durchhalten animiert. Nun habe ich aber gerade nochmal auf dieser Seite über das Langzeitstillen nachgelesen - und da steht, dass viele Kinder sich erst mit 3 oder 4 Jahren oder noch später selbst abstillen. Der Gedanke daran erschreckt mich, denn ich möchte eigentlich nicht noch zwei Jahre oder länger stillen.
Das Problem ist aber im Grunde: ich habe eigentlich keine Kraft zum Abstillen. Ich bin oft abends so müde und kaputt (mein Mann arbeitet bis spät abends, Großeltern sind alle weit weg), dass es das einfachste ist, mich mit meiner Tochter ins Bett zu legen und sie in den Schlaf zu stillen. Wenn ich mal versucht habe, sie ohne Brust zum Schlafen zu bringen, hat sie so lange geschrien, bis sie die Brust wieder bekommen hat. Das gleiche passiert, wenn mein Mann oder meine Mutter versucht haben, sie in den Schlaf zu streicheln. Manchmal schläft sie ohne Brust ein, aber nur, wenn sie vorher gestillt wurde. Meine Geduld reicht einfach nicht aus, stundenlang neben ihr zu sitzen/zu liegen oder sie herumzutragen, bis sie schläft.
Nachts läuft es ungefähr genauso, sie wird wach und wird gestillt, bis sie weiter schläft (wir schlafen im Familienbett), vor allem gegen Morgen ist sie besonders unruhig (ich habe das Gefühl, dass dann ihre Blase voll ist und sie unruhiger schläft und immer wieder wach wird; sie pullert schon lange nicht mehr im Schlaf in die Windel; wenn ich sie aber auf den Topf setzen will, schreit sie).
Momentan habe ich jedenfalls das Gefühl, dass das Stillen die unkompliziertere Lösung ist, sozusagen das kleinere Übel. Aber wenn ich mir vorstelle, dass es noch mehrere Jahre so weitergeht, bin ich regelrecht verzweifelt.
Meine Tochter geht übrigens seit November in die Kita und da schläft sie auch (fast) ohne Probleme, mit viel Streicheln und Kuscheln, ein. Ich vermute, dass sie deshalb auch mehr meine Nähe braucht und sich diese durchs Stillen holt, wenn sie wieder bei mir ist, aber wie lange noch?
Vielleicht könnt ihr mir weiterhelfen.
Vielen Dank und viele Grüße
Lena
von
LenaKL
am 03.01.2013, 22:26
Antwort auf:
Jetzt abstillen? Oder noch warten?
Liebe Lena,
viele Frauen erleben zwischendurch eine Phase der Stillmüdigkeit. Sie wünschen sich wieder mehr Freiraum für sich und auch wieder mehr Verfügungsrecht über Ihren Körper. Dieses Gefühl kennt vermutlich jede Frau, die längere Zeit stillt. Doch das ist letztlich nicht wirklich etwas, was sich durch Abstillen erreichen ließe, denn es ist nicht wirklich so, dass das Stillen die Frau „anbindet" und müde macht, sondern es ist die Mutterschaft.
Muttersein ist einer der härtesten und anstrengendsten Berufe der Welt ist, der sieben Tage die Woche und 52 Wochen im Jahr einen 24 Stunden Dienst ohne Urlaubsanspruch und Krankschreiben bedeutet. Und an dieser Tatsache ändert sich nichts, ob frau nun stillt oder nicht. Selbst wenn eine Mutter ihr Kind vorübergehend in die Betreuung durch Vater, Großmutter oder Babysitter gibt, bleibt sie die Mutter und wird das Kind nicht aus ihren Gedanken streichen können oder die Verantwortung dafür abgeben können. Abstillen gibt keiner Frau das Leben vor dem Kind wirklich zurück. Du musst dir bewusst sein, dass sich durch das Abstillen dein Leben keineswegs auf wundersame Weise positiv verändern wird. Falls Du diese Vorstellung haben solltest, kannst Du eine herbe Enttäuschung nach dem Abstillen erleben.
Deine Tochter spürt, dass Du dich ihr entziehen willst und das macht sie unsicher, so dass sie noch mehr „klammert", noch stärker deine Nähe und die Geborgenheit an der Brust sucht. Das Abstillen jetzt mit aller Macht „durchziehen" zu wollen, wird viel Kraft und Tränen bei allen Beteiligten fordern.
Vielleicht kannst Du dich noch ein wenig gedulden und erst einmal wieder etwas Ruhe einkehren lassen. Ein paar Tage einfach nur Stillen nach Bedarf und das Anbieten von Beikost auf der einen Seite und viel Erholung und Entspannung für dich selbst auf der anderen Seite. Lass Stress so gut es geht beiseite und unternimm etwas, was für dich, deinen Partner und dein Kind angenehm ist. Ob dies nun ein Ausflug in ein Thermalbad, ein paar gemütliche Stunden auf dem Sofa oder vielleicht auch ein gemeinsamer Ausflug von Vater und Tochter während Du etwas ganz alleine für dich tust, kannst nur Du wissen.
Sobald sich dann die Situation etwas entspannt hat und wenn Du für dich ehrlich alles Für und Wider des Abstillens abgewogen hast und dir dann sicher bist, dass Du abstillen willst (oder vielleicht eben doch nicht: ), überlege dir, wie Du das Abstillen angehen wirst.
Dein Baby spürt jetzt deinen Zwiespalt und da es sich nicht hinsetzen und sagen kann „Mama, ich spüre, dass Du dir nicht sicher bist, was jetzt das Richtige ist, deshalb werde ich dir jetzt bei deiner Entscheidungsfindung helfen" reagiert es auf deine Zweifel mit Unruhe, Weinen und
Verunsicherung. Es hat keine anderen Ausdrucksmöglichkeiten als Weinen und (vermehrte) Anhänglichkeit. Babys sind für „geordnete Verhältnisse", Unsicherheit und Zweifel bringen sie aus dem Gleichgewicht.
LLLiebe Grüße,
Biggi
von
Biggi Welter
am 04.01.2013
Antwort auf:
Jetzt abstillen? Oder noch warten?
Liebe Biggi,
vielen Dank für die ausführliche Antwort. Ich sehe jetzt wieder etwas klarer und denke, was du schreibst klingt sehr nachvollziehbar.
Vielen Dank nochmal und viele Grüße.
Lena
PS: Und nachträglich wünsche ich euch noch ein gesundes und schönes neues Jahr.
von
LenaKL
am 06.01.2013, 12:40