Hilfe, mein Baby wurde in der Kinderklinik "überfüttert"!

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Hilfe, mein Baby wurde in der Kinderklinik "überfüttert"!

Hallo! Meine Maus ist jetzt genau eine Woche alt und musste leider einen Tag nach der Geburt für drei Tage in die Kinderklinik. Weil ich nachts nicht dort bleiben und stillen konnte, wurde zugefüttert (100-120 ml/Mahlzeit am 4. Lebenstag!!!), und jetzt reicht ihr mein "bisschen" Milch anscheinend nicht - jedenfalls befinde ich mich nachts 5 Stunden im Dauerstill-Einsatz. Tagsüber sind die Abstände mit 1,5 bis 3 Stunden eigentlich ganz okay, bin ich so jedenfalls auch schon von meinem ersten Kind gewöhnt. Ihr Trinkverhalten ist eigentlich sehr gut und die Windeln auch ausreichend gefüllt. Sie schläft zwar oft ein an der Brust, aber vorher schluckt sie auch ordentlich. Hab ich wirklich zu wenig Milch nachts (hätte ja nie geglaubt, dass ich diese Frage tatsächlich mal stelle...) oder kompensiert sie vielleicht noch die nächtlich Trennung der ersten Tage...? Ohne körperliche Nähe schläft sie nämlich gar nicht...

Mitglied inaktiv - 22.09.2008, 09:54



Antwort auf: Hilfe, mein Baby wurde in der Kinderklinik "überfüttert"!

Liebe Bubbles, ich verstehe deine Verzweiflung, aber dein Baby ist erst eine Woche alt und es hat noch überhaupt keine Vorstellung davon, dass es einen Unterschied zwischen Tag und Nacht gibt. Du musst dir vorstellen, dass die Kleine bis vor einer Woche Tag wie Nacht ununterbrochen Nahrung bekommen hat, ganz gleich wie viel Uhr es war. Es war immer gleichmäßig warm und die Geräusche um sie herum hatten auch eine gewisse Monotonie. Nun plötzlich ist alles anders und an diese riesige Veränderung muss sie sich erst gewöhnen. Das braucht seine Zeit und eine Woche ist viel zu wenig Zeit, um diese Umstellung einfach zu bewältigen. Gib dir und deinem Kind die Zeit, die ihr beide braucht, um euch an das neue Leben zu gewöhnen. Denke daran, dass Du jetzt Wöchnerin bist. Leider ist es in unserer Kultur nicht (mehr) so sehr verbreitet darauf Rücksicht zu nehmen, dass eine Frau, die gerade ein Kind geboren hat, Zeit braucht. Zeit zur Erholung, Zeit zum gemeinsamen Kennenlernen des neuen Menschleins, Zeit ums sich an die ganze Veränderung, die so ein kleiner Erdenbürger mit sich bringt zu gewöhnen. Das von dir beschriebene Verhalten entspricht schon fast "lehrbuchmäßig" dem eines wenige Tage oder Wochen alten Babys, das eben nicht zehn bis 15 Minuten an der Brust trinkt und danach zufrieden einschläft (Baby, die sich so verhalten, sind so schwierig zu finden, wie eine Nadel im Heuhaufen). Babys haben ein über das reine Ernährungssaugen hinausgehendes Saugbedürfnis und diesem "non nutritiven" Saugen kommt eine sehr große Bedeutung zu. Nun werden viele Menschen sagen: "Dafür gibt es ja einen Schnuller". Doch das ist eine sehr zweifelhafte Antwort. Der Schnuller ist eine Brustattrappe und von der Natur ist vorgesehen, dass das non nutritive Saugen an der Brust stattfindet. Wird der Schnuller eingesetzt, kann es nicht nur zu Saugproblemen kommen, er kann auch dazu führen, dass das Kind zu wenig Zeit an der Brust verbringt, so dass die Brust nicht ausreichend stimuliert wird und das Kind nicht die Milch bekommt, die es braucht. Der Gebrauch des Schnullers ist sehr kritisch zu sehen. Die anderen Nebeneffekte, wie häufiges Aufstehen der Mutter, weil das Kind den Schnuller verliert, sind natürlich auch nicht gerade angenehm. So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys (und keinesfalls ein Einschlafproblem). Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Alterstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen. Muttermilch ist innerhalb von 60 bis 90 Minuten verdaut und der Organismus eines Babys ist auf häufige Mahlzeiten eingestellt. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass dein Baby durch den Stillmarathon deine Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, dass die Milchbildung angeregt wird und genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht. Es ist also gut, wenn dein Kind oft an der Brust trinkt, denn umso mehr Milch wird es zur Verfügung haben. Ich kann dir gerne empfehlen, einmal ein Stillgruppentreffen zu besuchen oder zumindest einmal mit einer Stillberaterin in deiner Nähe ein direktes Gespräch (auch am Telefon) zu führen. Viele Unsicherheiten lassen sich im direkten Gespräch sehr viel besser ausräumen und der Austausch mit anderen stillenden Müttern kann sehr ermutigend sein und vor allem wirst Du sehen und erleben, dass sich andere Babys genau so verhalten wie dein kleines Menschlein. Wenn Du mir deinen Wohnort mit Postleitzahl angibst, suche ich dir gerne die nächstgelegene LLL Stillberaterin heraus. LLLiebe Grüße Biggi Welter

von Biggi Welter am 22.09.2008



Antwort auf: Hilfe, mein Baby wurde in der Kinderklinik "überfüttert"!

Jetzt, wo ich das alles lese, kommt die Erinnerung langsam zurück... mein Sohn (heute 4) war damals auch ganz groß im cluster feeding, aber man vergisst ja so viel! Gerade schläft die Maus übrigens seit 3 Stunden, und das sogar abends! Aber jetzt rührt sich was. Eine Stillgruppe habe ich mir schon gesucht, das hat mir letztes Mal auch sehr geholfen. Danke für die Erinnerung daran, dass mein Baby sich normaler nicht verhalten könnte!

Mitglied inaktiv - 22.09.2008, 22:43