Liebe Frau Welter,
mein Sohn ist nun 5 Tage alt und wir sind seit 2 Tagen zu Hause.
Ich möchte ihn gerne voll stillen, doch so langsam kommen Zweifel auf, ob ich das durchhalten kann. Der Grund ist, dass mein Sohn quasi seit 2 Tagen ununterbrochen trinken will. Ich lese überall, dass ca. 8-12 Mahlzeiten pro Tag normal sind. Die übertreffen wir aber bei weitem. Er stillt wirklich den ganzen Tag, sobald er einschläft und ich ihn "ablöse", wird er wieder wach und will weiter stillen. Er zeigt dann auch jedes Mal echte Hungerzeichen (Schmatzen, Suchen, Saugbewegungen). Das ganze übrigens auch nachts. Seine Gewichtszunahme ist auch dementsprechend: Er wurde mit 4000g geboren, hatte bei Entlassung am Tag 3 noch 3780g und ist jetzt, 2 Tage später, schon wieder bei 3900g.
Weil ich glaube, dass er trotz Dauerstillen nicht satt wird, habe ich ihm gestern etwas Pre-Milch hinterhergegeben (ca. 50ml), auch deshalb, weil ich eine Pause brauchte. Danach schlief er endlich ein und sah satt und zufrieden aus, er schlief sogar geschlagene 3 Stunden. Daraus muss man ja schließen, dass die Pre-Milch viel sättigender ist als meine Muttermilch.
Mittlerweile zweifele ich daran, dass ich das alles durchhalten kann für die nächsten Monate. Ich habe bereits einen 2,5-jährigen Sohn, der natürlich viel zu kurz kommt und eifersüchtig ist, weil er denkt, ich "kuschele" die ganze Zeit nur noch mit seinem Bruder und nicht mehr mit ihm. Sollte ich auf Zufüttern umsteigen, damit er satt wird? Oder kann es auch sein, dass sich das irgendwann einpendelt und er besser satt wird (wenn ja, wann?)? Kann es vielleicht sogar daran liegen, dass ich momentan unter Appetitlosigkeit leide und kaum esse und deshalb meine Milch zu wenig Nährstoffe hat?
Vielen Dank schon einmal für Ihre Antwort,
Josie
von
Josie83
am 27.05.2015, 16:08
Antwort auf:
Dauerstillen bei 5 Tage altem Baby
Liebe Josie83,
deine Milch ist ganz sicher nicht weniger sättigend als Säuglingsmilch, selbst wenn Du ungern würdest, wäre deine Milch nahrhaft genug.
„Zu dünne Muttermilch“ ist ein Ammenmärchen. Am Aussehen der Milch lässt sich zudem nicht festmachen, was sie enthält.
Obwohl sich Frauen in verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Kulturen sehr unterschiedlich ernähren gibt es so gut wie keine Unterschiede in der Zusammensetzung der Muttermilch. Es ist sehr schwierig bis unmöglich, die Milchzusammensetzung deutlich über die Ernährung zu beeinflussen. Dies mag ein Schachzug der Natur sein, um das Überleben des Babys zu sichern. Ernährt sich eine Mutter nicht gut, so geht dies zunächst nicht zu Lasten der Qualität der Muttermilch, sondern zu Lasten der Mutter. Erst wenn die Reserven der Mutter erschöpft sind (zum Beispiel bei schwer unterernährten Frauen in Hungergebieten), kommt es zu Veränderungen der Muttermilch, die jedoch weniger die Qualität als die Quantität betreffen. Auch Stress führt nicht zu einer Qualitätseinbuße der Milch.
Hier gibt es nur zwei Ausnahmen, dass die Milch nicht alles enthält, was das Baby braucht: bei extremen Ernährungsformen ohne jegliche tierische Produkte (vegane Ernährung) kann der Gehalt an Vitamin B12 in der Muttermilch nicht ausreichen und bei einer sehr seltenen Stoffwechselkrankheit.Ich gehe jedoch davon aus, dass Du weder kurz vor dem Hungertod stehst, noch sich streng vegan ernährst oder gar an Hyperlipoproteinämie leidest.
Ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einige, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann.
Es gibt keinen Grund einen Mindestabstand zwischen zwei Stillmahlzeiten einzuhalten. Im Extremfall kann das „Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. All die Erzählungen von einem bestimmten Rhythmus eines Babys sind schlicht und ergreifend falsch.
Muttermilch ist innerhalb von 60 bis 90 Minuten verdaut und der Organismus eines Babys ist auf häufige Mahlzeiten eingestellt.
So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys. Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Altersstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen.
Dein Baby ist erst fünf Tage alt und es hat
noch überhaupt keine Vorstellung davon, dass es einen Unterschied zwischen Tag
und Nacht gibt.
Du musst dir vorstellen, dass dein Baby bis vor vier Wochen Tag wie Nacht
ununterbrochen Nahrung bekommen hat, ganz gleich wieviel Uhr es war. Es war
immer gleichmäßig warm und die Geräusche um ihn herum hatten auch eine
gewisse Monotonie. Nun plötzlich ist alles anders und an diese riesige Veränderung
muss er sich erst gewöhnen. Das braucht seine Zeit und fünf Tage sind viel zu
wenig Zeit, um diese Umstellung einfach zu bewältigen.
Gib dir und deinem Kind die Zeit, die ihr beide braucht, um euch an das neue Leben
zu gewöhnen. Denke daran, dass Du jetzt Wöchnerin bist. Leider ist es in unserer
Kultur nicht (mehr) so sehr verbreitet darauf Rücksicht zu nehmen, dass eine Frau,
die gerade ein Kind geboren hat, Zeit braucht. Zeit zur Erholung, Zeit zum
gemeinsamen Kennenlernen des neuen Menschleins, Zeit ums sich an die ganze
Veränderung, die so ein kleiner Erdenbürger mit sich bringt zu gewöhnen.
Wird in dieser Situation zugefüttert, wird der Brust kein erhöhter Bedarf signalisiert und die Milchmenge kann sich auch nicht auf den erhöhten Bedarf einstellen. Das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wird gestört und es kann der Beginn eines unfreiwilligen Abstillens sein.
Das Dauerstillen kann sehr anstrengend und auch nervend sein, aber es hat seinen Sinn. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass das Baby durch den Stillmarathon die Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, dass die Milchbildung angeregt wird und genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht.
Keine Angst, Babys bleiben nicht auf ewig so klein und anstrengend.
LLLiebe Grüße
Biggi
von
Biggi Welter
am 27.05.2015