Brauche noch einmal Rückendeckung bitte!!

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Brauche noch einmal Rückendeckung bitte!!

Ihr Lieben, erst einmal möchte ich mich für die Antwort auf meine Frage bzgl. einer Stillberatung in meiner Nähe bedanken (s. weiter unten). Ich bin tatsächlich fündig geworden :) Und nun muss und möchte ich mal wieder eine bzw. zwei Fragen loswerden. Ich habe mich - mal wieder - verunsichern lassen (bzw. verunsichere mich gerade selber) und hoffe, dass ihr mich etwas aufbauen könnt. Vorweg noch einmal kurz die Situation: Mein Baby ist fast 11 Monate. Wir sind ganz unerfahrene Eltern und haben uns vor der Geburt auch nicht mit "Elternratgebern" belastet. Als sich der Kleine aber als "Schreibaby" entpuppte, taten wir dieses doch. Neben guten und sinnvollen Tipps fanden wir immer wieder den Rat, das Baby alleine in seinem Bettchen einschlafen zu lassen. Tagsüber habe ich ihn glücklicherweise sehr schnell auf Anraten meiner Hebamme im Tragetuch getragen - er war in dieser Zeit (2./3. Monat)das ruhigste Kind! Aber abends legten wir ihn in sein Bettchen - was uns die besagten Ratgeber rieten, aber selbst die Hebamme, zwei Kinderärzte und eine Kinderpsychologin aus der Schreiambulanz - wie sollten wir es da auch besser wissen? Zu dem kommen dann natürlich auch immer noch die gutgemeinten Tipps der Elterngeneration. Mehrmals wurde uns auch zum Ferbern geraten, was wir aber zum Glück nicht gemacht haben! Aber: Wir haben die ersten 4-5 Monate schon versucht, den Kleinen in seinem Bettchen einschlafen zu lassen, sind natürlich bei ihm geblieben, haben ihn gestreichelt und wenn er angefangen hat, sehr zu schreien, haben wir ihn rausgenommen und in den Schlaf getragen. Irgendwann hat er sich angewöhnt, nur noch an der Brust einzuschlafen. Da das in eine Zeit fiel, in der er auch schlecht einschlafen konnte, habe ich das zugelassen und empfand es sogar als Erleichterung. Nun ist es so, dass er nur noch so einschlafen kann (tagsüber auch im Kinderwagen) und alle 2 Stunden wach wird und gestillt werden will (er schläft seit Langem im Ehebett). Ich habe - nachdem ich neulich noch nach Abstilltipps fragte - mittlerweile meinen Frieden damit gefunden (wären da nicht die zerbissenen Brustwarzen, aber das ist ein anderes Thema...). So, nun aber meine eigentlichen Fragen. 1. Ich lese gerade das Buch "Besucherritze", das ich ganz toll finde, da ich mich und meine Situation dort eins zu eins wiederfinde. Nun hat mich aber gerade dieses ironischerweise auch verunsichert. Ich bin - auch nicht zum ersten Mal - über die Experimente zur Bindungstheorie gestolpert. Wenn ich den Kleinen mal "abgeben" muss (war in letzter Zeit häufig der Fall, weil ich zum Arzt musste), hat er mir entweder hinterher geweint, sich dann beruhigt und toll mit der betreuenden Person gespielt und dann wieder geweint, als ich wieder gekommen bin und war nur noch in meiner Nähe zufrieden. Oder er hat die Zeit meiner Abwesenheit durchgeschrien (das kam zum Glück nur zwei Mal vor). Je nach betreunder Person und Ort der Betreuung. Kann man unsere Beziehung wohl als sicher gebunden bezeichnen? Oder deutet das Verhalten eher auf unsicher-ambivalent hin? Beim Pekip wurde mir gesagt, dass wir eine ganz tolle enge Beziehung haben. Aber ich mache mir so Gedanken über unser Einschlafen in den ersten Lebensmonaten. Im Nachhinein tut mir das so unendlich leid! Wie gesagt, wir waren ja immer bei ihm, aber wenn ich damals gewusst hätte, dass es ganz normal ist, ein Kind durch Tragen oder Stillen in den Schlaf zu bringen, hätte ich das natürlich lieber gemacht! Könnte dadurch tatsächlich eine unsichere Beziehung entstanden sein? Vom Bauchgefühl her würde ich sagen "nein". Aber ich kriege oft gesagt, dass der Kleine ja doch sehr klammere und ein ganz dolles Mama-Kind sei, das bringt mich ins Grübeln. Könnt ihr mich wohl beruhigen? 2. Ich kenne keine einzige Mutter (und ich kenne mittlerweile viele), die ihr Kind nachts so oft stillt, wie ich. Die Kinder der anderen Mütter sind alle(!) tausend Mal ausgeglichener als mein kleiner Mann. Er ist zwar ein fröhlicher und seeeeehr aktiver kleiner Kerl, aber doch sehr weinerlich. Wenn ich weggehe (und sei es nur ein paar Meter), weint er mir hinterher. Wenn ihm was nicht passt, fängt er an zu brüllen, etc. Wenn ich Erfahrungsberichte im Internet oder in Büchern lesen, dann lese ich immer: "Ich stille mein Kind in den Schlaf und lasse es bei mir schlafen und sein ausgeglichenes Wesen bestätigt mir, dass es richtig so ist." Diese Bestätigung erfahre ich eben leider nicht. Woran liegt es wohl, dass ich voll und ganz auf alle seine Bedürfnisse eingehe und er trotzdem so unausgeglichen ist? Diese fehlende Bestätigung lässt mich immer grübeln, ob das, was ich mache, wirklich so das richtige ist. Könnt IHR mir die Bestätigung geben? Ich danke euch vielmals für euren Rat!

von Poohbär am 03.04.2013, 21:15



Antwort auf: Brauche noch einmal Rückendeckung bitte!!

Liebe Poohbär, das Verhalten deines Kindes wird sicher von manchen Menschen als extrem anhänglich oder mutterfixiert bezeichnet, doch es ist ein vollkommen normales Verhalten für ein Baby. Es ist sogar wichtig, dass ein Kind zunächst eine feste und verlässliche Bindung zu einer Person aufbaut (und diese Person ist bei einem gestillten Kind naturgemäß fast immer die Mutter). Aufbauend auf dieser Erfahrung kann das Kind dann später seinen Horizont erweitern und Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen. Doch das „Fundament" der engen Beziehung zur ersten Bezugsperson sollte fest sein und so zum Fundament der Beziehungsfähigkeit und Bindungsfähigkeit überhaupt zu werden. Eine ganz wichtig Lektion, die wir Mütter trotzdem alle lernen müssen lautet: Wir können unsere Kind nicht immer glücklich machen, selbst wenn wir uns dafür auf den Kopf stellen würden oder uns selbst restlos aufopfern würden. Es steht nicht immer in unserer Macht, unsere Kinder stets glücklich zu machen, aber deshalb sind wir keinesfalls schlechte Mütter (Eltern). Babys sind von Geburt an (bzw. bereits im Mutterleib) eigene, individuelle Persönlichkeiten mit eigenem Charakter, Temperament und auch mit eigener Stimmungslage. Ob eine Mutter ein ruhiges, zufriedenes, (fast) immer lächelndes Baby hat oder ein Kind, das als „Schreibaby" bezeichnet wird, das hängt nicht zwingend von ihren Fähigkeiten als Mutter ab. Vieles ist einfach angeboren. Wenn dein Kind viel quengelt und weint, dann kann es sein, dass es ein Baby mit erhöhten Bedürfnissen ist, ein High Need Baby, wie diese Kinder von dem amerikanischen Kinderarzt Dr. William Sears genannt werden. Ein High Need Baby braucht sehr viel mehr Einsatz von seiner Mutter/Eltern. Es ist kein „pflegeleichtes" Kind. Oft zeigen sich die Erfolge der Bemühungen der Mutter erst nach längerer Zeit und die Mutter zweifelt an sich selbst. Deshalb ist es so wichtig, dass Mütter/Eltern wissen, dass es High Need Babys gibt und wissen, dass sie keine „Schuld" haben. Sehr gut beschrieben sind Hig Need Babys in dem Buch „Das 24 Stunden Baby" von Dr. William Sears und Dr. Sears gibt auch Anregungen und Erklärungen, was Eltern tun können, um zu einem einfacheren Alltag mit ihren Kindern zu kommen. Das Buch ist im Buchhandel, bei der LLL, jeder LLL Stillberaterin und im Stillshop auf dieser Seite erhältlich. Gib deinem Kind die Nähe und Geborgenheit, die es braucht und es wird von ganz alleine loslassen und dir mehr Freiheit geben. Vielleicht wäre es im Moment sinnvoll, es gar nicht abzugeben, nimm es mit, wohin immer Du gehst. Dein Kind wird ruhiger werden, wenn es sicher ist, dass Du nicht gehst. LLLiebe Grüße, Biggi

von Biggi Welter am 03.04.2013



Antwort auf: Brauche noch einmal Rückendeckung bitte!!

Hallo Poohbär, unser Sohn ist 12 Monate und hat ebenfalls ein "schwieriges Temperament" (wenn Du Zeit hast, lies doch mal hier im Entwicklungsforum dazu). Er verhält sich ähnlich wie Euer Sohn. Sicher waren die ersten Monate mit dem Einschlafen für ihn jetzt nicht so schön, aber erstens habt ihr ihn nicht alleine gelassen und zweitens: wichtig ist doch, was netto an positiven Gefühlen bei ihm übrig bleibt, und so wie Du es beschreibst, seid Ihr da sicher im Plus! Ich kenne noch mindestens zwei Kinder die so sind wie mein Sohn, ich schiebe das einfach mal aufs Temperament. Für uns haben wir entschieden, so gut es geht sein Nähebedürfnis zu erfüllen, er schläft neben mir an der Brust, häufig auch nachmittags, er geht mit aufs Klo, er sitzt beim Kochen im Stühlchen oder bei mir auf dem Arm und oft bleibt der Haushalt liegen, weil wir spielen und rausgehen. Wir fahren insgesamt sehr gut damit. Der Sohn einer Freundin war sehr extrem (Frühgeburt, ganz schlechter Start), die Eltern sind hochintelligent, wir haben uns oft gefragt, ob er sich einfach langweilt? Das war ein durchgängiges Gemeckere und Geschreie, auch nachts. Seine Eltern haben einen unglaublichen Einsatz gezeigt, seine Mama hat ihn 2 3/4 Jahre gestillt (das Abstillen war übrigens total unkompliziert, sie hat sich nie getraut und ihm dann doch irgendwann gesagt, daß die Brüste kaputt sind. Das hat er einfach so akzeptiert, wie ein kaputtes Spielzeug und ist von da an immer ohne eingeschlafen). Er ist vier Jahre alt und seit einem halben Jahr ist er nicht wiederzuerkennen. Es ist fast als ob man sich mit einem Erwachsenen unterhält, er spielt Rollenspiele und ist rundum pflegeleicht. Sogar das kleine Geschwisterchen hat ihn nicht aus der Bahn geworfen. Egal wie Du Dein Kind erziehst, es wird immer jemanden geben, der das nicht so machen würde. Ich glaube, daß es vielen Eltern viel besser gehen würde, wenn sie ohne schlechtes Gewissen einfach auf ihr Herz hören würden. Wenn es einem zuviel wird, dann sucht man doch automatisch nach anderen Lösungen, aber solange das Herz sagt, Kind tragen, Kind stillen, Kind trösten, was kann denn daran bitte falsch sein?

von emilie.d. am 03.04.2013, 22:06



Antwort auf: Brauche noch einmal Rückendeckung bitte!!

Hallo! Du bist nicht alleine! Unser kleine Maus hat knappe 3 Monate geschrien und ich war stets den Tränen nahe, hab immens an mir selbst gezweifelt und meinte, meiner Kleinen nicht gut zu tun. High-Need Baby passt auch so was zu meiner Tochter! Deutlich besser wurde es, nachdem meine Kleine krank war, sie nur mehr bei mir im Bett schlief (was wir seitdem beibehalten haben) und ich überhaupt fast den ganzen Tag (für eine Woche) im Bett mit ihr verbrachte. Mittlerweile trage ich sie sehr oft im Tragetuch (sie schläft tagsüber auch nur hier ein) und hab wesentlich mehr Selbstvertrauen in meinem Mami-Handeln. Mir wurde geraten, das Schlaftraining mit ihr zu machen. Mir wird von meiner Familie auch oft gesagt, dass ich sie verwöhne. Ich lasse sie reden, weiß bzw. kann ich fühlen, dass ich das Richtige mache. Die Kleine hat sich zum Sonnenschein entwickelt, lacht viel und herzlich und hängt auch sehr an der Mami. Was ich sehr genieße! Und: Ich kenne noch andere Fälle. Alles Gute und viel Selbstvertrauen in deinem Handeln! Du spürst selbst, was euch gut tut.

von Linasmami am 04.04.2013, 10:12



Antwort auf: Brauche noch einmal Rückendeckung bitte!!

Hallo, erst einmal: lass Dich nicht verunsichern! Du machst es sicherlich für Euch genau richtig, und die für so viele Babys falschen Ratschläge,die Ihr umgesetzt habt, habt Ihr ja geändert. Ich glaube auch, dass vieles am Temperament liegt. ABER: ich weiß auch, dass vieles an anderen Dingen liegt. Bei uns war es in solchen Phasen immer etwas wie Zahnen, Entwicklungsschübe die neues mit sich brachten, das erst mal 'sortiert und ausgewertet werden will', und auch sowas wie die Erfahrung, dass Mama und Baby zwei verschiedene Personen sind. Dies beginnt in der Regel um den 1. Geburtstag herum und könnte bei Euch genau passen. Dann sind unsere Kleinen immer anhänglicher, haben immer Angst, dass Mama weggeht und ncith wiederkommt. Sie haben noch kein Zeitgefühl und verstehen nicht, dass es keine Ewigkeit ist, bis Mama wieder kommt (oder gar für immer ist), und auch die Entfernung ist noch soooo groß, auch wenn es für uns nur ein paar Meter oder ein anderer Raum trotz offener Tür ist. Das hat sich bei uns deutlich geändert, als unsere Tochter selbst laufen konnte und mir nun überall hin folgen konnte. Sie war allerdings nicht immer so anhänglich, wenn wir woanders waren hat sie vieles neugierig erkundet und da war es nciht schlimm, wenn Mama nicht direkt daneben war. Zu dem Punkt1: dieses Weinen beim weggehen und Weinen beim Wiederkommen ist in der Regel ein Zeichen dafür, dass Eure Bindung noch so stark ist, dass sich Euer Kleiner noch nicht von Dir löst und eine Fremdbetreuung nicht unbedingt stattfinden sollte. Lies mal dazu im Forum von Dr. Posth. Klar wäre es schöner, wenn es leichter für Dich wäre, aber das kommt von allein! Gib Deinem Kleinen die Nähe die er braucht, und über kurz oder lang wird er Dir auch zeigen, dass es so richtig ist! Hab ein wenig Vertrauen in Deinen Sohn, und in Dein Bauchgefühl und Dein Herz!!! Alles Gute für Euch! LG Britta PS: auch unsere Tochter hat ihre ersten Monate viel schreien müssen, sie war 2 mal verrenkt und hatte den ganzen Tag und die ganze Nacht Koliken, aber wir haben diese schreckliche Zeit gemeistert und wir haben nun wirklich ein Kind, dass zufrieden ist, glücklcih mit anderen Kindern spielt und sogar glücklich und ohne jedes Weinen im Kindergarten ist (gut, wenn sie sihc doll gestoßen hat, dann kommen schon mal ein paar Tränen, aber das ist zuhause ja auch so). Wie gesagt, hab auch Vertrauen in Dein Kind! Das ist es, was mich diese ganze Zeit mit Kind gelehrt hat. Sieh Dein Kind als Partner (auch wenn es natürlich nicht komplett gleichberechtigt ist und nicht Deinen Alltag komplett bestimmen sollte), aber eben als kleinen Menschen und nicht als Baby, dass Dich womöglich drangsalieren oder Dir auf der Nase herumtanzen will oder was auch immer man Dir von anderen Seiten einreden will....

von brittawirdmama am 04.04.2013, 10:37



Antwort auf: Brauche noch einmal Rückendeckung bitte!!

Mensch, toll! Danke für die vielen Rückmeldungen! Ihr seid ja spitze! Und konntet mich ungemein beruhigen. Schon komisch, dass ich hier im Forum doch einige treffe, die das "Problem" kennen, während ich in der "realen Welt" völlig alleine dastehe... Ich werde einfach so weitermachen, wie bisher, lasse mich nicht beirren und sehe, was die Zeit mit sich bringt. :-)

von Poohbär am 05.04.2013, 19:12