Lieber Dr. Bluni,
ich würde gerne wissen, ob es häufig vorkommt, daß ein pp Depression noch so spät (mein Baby ist 7 Mon alt) auftreten kann oder ob es sich um eine "normale" Depression, die ich vorher schon hatte, handelt?
Danke
Mitglied inaktiv - 11.08.2009, 16:51
Antwort auf:
Wochenbettdepression
Hallo,
eine gewisse Antriebslosigkeit und Abgeschlagenheit nach der Geburt ist keine untypische Erscheinung, da mit der Muterrolle doch eine erhebliche Veränderung einhergeht, die auch nicht nur auf hormonelle Umstellungen oder eine eventuelle Blutarmut zurückzuführen ist.
Dieses ist meist ein sehr komplexes Geschehen, bei dem neben den Abläufen der Geburt auch psychosoziale Gründe eine erhebliche Rolle spielen, selbst, wenn dieses für die Betroffen nicht primär so zu sein scheint.
Zwar treten diese Veränderungen häufig nur temporär begrenzt auf, aber es bedarf manchmal einer recht langen Zeit, bis die Frau sich in dieser neuen Rolle mit einer ganz anderen Beanspruchung, einem ganz anderen Tagesablauf, anderen Anforderungen in nicht unerheblichem Maße zurechtfindet. Dabei wird auch vom Partner eine große Menge an Einfühlungsvermögen und entsprechende tatkräftige & emotionale Unterstützung gefordert.
Von diesen typischen psychischen Veränderungen leichter Art im Wochenbett grenzen wir allerdings den Baby-Blues und die Depression des Wochenbettes ab. Die Übergänge können hier fließend sein, was die Diagnose manchmal erschwert. Aus diesem Grund ist es für die betroffene Wöchnerin empfehlenswert, in dieser Situation auch ihre betreuende Ärztin/Arzt zu informieren, bzw. zu konsultieren.
Beim „Baby Blues“ handelt es sich um eine vorübergehende, kurz andauernde psychische Störung mit einer milden depressiven Symptomatik, die durch Erschöpfung, Weinen, Traurigkeit, Stimmungslabilität, Ängstlichkeit und Irritierbarkeit gekennzeichnet ist.
Der Baby Blues tritt mit einer Häufigkeit von etwa 50% zumeist zwischen dem 2. und dem 5. Tag nach der Geburt auf und dauert wenige Stunden bis zu wenigen Tagen. Als Risikofaktoren werden depressive Episoden in der Vorgeschichte, Stressbelastung in der Schwangerschaft, sozioökonomische Faktoren, geringe oder keine soziale Unterstützung, Unzufriedenheit mit der Partnerschaft, Ungewolltheit der Schwangerschaft, traumatische Erlebnisse in der eigenen Kindheit, traumatisches Erleben der Geburt und biologische Auslöser diskutiert.
Der Übergang vom Baby-Blues in eine Depression kann ebenso fließend sein.
Zu einer Depression im Wochenbett kommt es im Schnitt bei etwa 10% der Frauen. Sie beginnt meistens in den ersten Wochen nach der Geburt mit wiederkehrenden Episoden für zwei bis sechs Monate.
Für eine biologische Ursache gibt es bis heute noch keine hinreichenden Beweise. Viel wichtiger für die Entstehung sind persönliche und soziale Faktoren insbesondere aus der Zeit vor der Geburt. Risikofaktoren wie eine frühere Depression in Kombination mit geburtshilflichen Problemen wären hier z.B. zu nennen. Frühzeichen können häufig übersehen werden, da die Warnzeichen sehr diskret sind oder sein können.
Das Mittel der Wahl bei einer Depression im Wochenbett ist die konsiliarische Betreuung durch einen Psychotherapeuten oder Psychiater. Neben einer eventuellen Gabe von Psychopharmaka hat sich die Verabreichung von Östrogenen in einer Übersichtsarbeit als wirksam gezeigt.
Wichtig zu erwähnen bleibt auch die Erkenntnis, dass es infolge der Depression im Wochenbett zu einer gestörten Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind kommen kann, was wiederum negative Auswirkungen auf die kognitive und emotionale Entwicklung des Kindes haben kann. Aus diesem Grund ist die erwähnte Behandlung umso sinnvoller.
VB
von
Dr. med. Vincenzo Bluni
am 11.08.2009