Lieber Dr. Bluni,
mein 2. Sohn ist jetzt 5 1/2 Wochen alt. Ich stille ihn und ich muss sagen, er hat einen recht guten Hunger (darüber bin ich natürlich sehr froh !!!). Seit ca. 1 1/2 Wochen bin ich öfter am Tag weinerlich. Den Grund dafür weiß ich manchmal selber nicht. Außerdem habe ich das Gefühl, meinen Sohn nicht genug lieb zu haben, obwohl er natürlich mein kleiner süßer Schatz ist. Ich trage ihn den ganzen Tag umher (Tragetuch oder Arm) und er bekommt ständig Streicheleinheiten, sobald er wach ist. Also eigentlich bräuchte ich diese Gedanken gar nicht zu haben.
Ich weiß nun nicht, ob es Wochenbettdepressionen sind oder ob es einfach der normale "Erschöpfungszustand" nach einer Geburt ist. An Appetitlosigkeit bzw. Schlaflosigkeit oder anderen Depressions-symptomen leide ich nicht.
Falls es Wochenbettdepressionen sind, gehen die von alleine wieder weg ? Welche Behandlungsmöglichkeiten außer der Gabe von Antidepressiva gäbe es ?
Vielen lieben Dank für Ihre Antwort.
Yvonne
Mitglied inaktiv - 17.05.2009, 19:38
Antwort auf:
Wochenbettdepression ?
Liebe Yvonne,
eine gewisse Antriebslosigkeit und Abgeschlagenheit nach der Geburt ist sicher keine untypische Erscheinung, da mit der Muterrolle doch eine erhebliche Veränderung einhergeht, die auch nicht nur auf hormonelle Umstellungen oder eine eventuelle Blutarmut zurückzuführen ist.
Dieses ist meist ein sehr komplexes Geschehen, bei dem neben den Abläufen der Geburt auch psychosoziale Gründe eine erhebliche Rolle spielen, auch, wenn dieses für die Betroffen nicht primär so zu sein scheint.
Auch, wenn diese Veränderungen häufig nur temporär begrenzt auftreten, bedarf es manchmal einer recht langen Zeit bis die Frau sich in dieser neuen Rolle mit einer ganz anderen Beanspruchung, einem ganz anderen Tagesablauf, anderen Anforderungen in nicht unerheblichem Maße zurechtfindet. Sicher wird auch vom Partner eine große Menge an Einfühlungsvermögen, und entsprechende tatkräftige & emotionale Unterstützung gefordert.
Allerdings sollte die Frau hier auch immer mit ihren betreuenden Arzt/Ärztin sprechen, da die Abgrenzung gegenüber dem so genannten Baby-Blues oder einer Depression schwierig sein kann und die Übergänge hier fließend sein können, was die Diagnose manchmal erschwert.
Bei einem Baby Blues handelt es sich um eine vorübergehende, kurz andauernde psychische Störung mit einer milden depressiven Symptomatik, die durch Erschöpfung, Weinen, Traurigkeit, Stimmungslabilität, Ängstlichkeit und Irritierbarkeit gekennzeichnet ist.
Der Baby Blues tritt mit einer Häufigkeit von etwa 50% zumeist zwischen dem 2. und dem 5. Tag nach der Geburt auf und dauert wenige Stunden bis zu wenigen Tagen.
Zu einer Depression im Wochenbett kommt es im Schnitt bei etwa 10% der Frauen. Sie beginnt meistens in den ersten Wochen nach der Geburt mit wiederkehrenden Episoden für zwei bis sechs Monate. Für eine biologische Ursache gibt es bis heute noch keine hinreichenden Beweise. Viel wichtiger für die Entstehung sind persönliche und soziale Faktoren insbesondere aus der Zeit vor der Geburt.
Als Risikofaktoren werden depressive Episoden in der Vorgeschichte, Stressbelastung in der Schwangerschaft, sozioökonomische Faktoren, geringe oder keine soziale Unterstützung, Unzufriedenheit mit der Partnerschaft, Ungewolltheit der Schwangerschaft, traumatische Erlebnisse in der eigenen Kindheit, traumatisches Erleben der Geburt und biologische Auslöser diskutiert.
Frühzeichen können häufig übersehen werden, da die Warnzeichen sehr diskret sind oder sein können.
Das Mittel der Wahl bei einer Depression im Wochenbett ist die konsiliarische Betreuung durch einen Psychotherapeuten oder Psychiater. Neben einer eventuellen Gabe von Psychopharmaka hat sich die Verabreichung von Östrogenen in einer Übersichtsarbeit als wirksam gezeigt.
Wichtig zu erwähnen bleibt auch die Erkenntnis, dass es infolge der Depression im Wochenbett zu einer gestörten Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind kommen kann, was wiederum negative Auswirkungen auf die kognitive und emotionale Entwicklung des Kindes haben kann.
Aus diesem Grund ist die erwähnte Behandlung umso sinnvoller.
VB
von
Dr. med. Vincenzo Bluni
am 18.05.2009