Hallo Herr Dr. Bluni,
ich mache mir gerade ziemliche Sorgen, da ich am Wochenende mit einem kleinen Mädchen (nicht nah, sie war nur im gleichen Raum wie ich) Kontakt hatte, das wierum mit einem Nachbarsjungen gespielt hat der vor Kurzem Windpocken hatte. Nach Meinung meiner Mutter hatte ich nie die Windpocken, nur mein Bruder, aber auch da ist sie sich nicht sicher. Ich bin jetzt in der 17. SSW. Könnte ich mich angesteckt haben? Ich bilde mir seitdem sonstwas ein und es juckt überall, dazu habe ich heute im Mund plötzlich ein kleines Bläschen, da aussieht als ob es mit Wasser gefüllt ist. Es juckt oder schmerzt aber nicht. Könnte so schnell überhaupt sowas auftreten? Wie gefährlich wäre eine Infektion? Kann es sein dass ich vielleicht doch hoffentlich immun bin, auch wenn man bedenkt dass zumindest mein Bruder wohl die Krankheit durchgemacht hat?
Danke & liebe Grüße
Marie
Mitglied inaktiv - 29.04.2010, 11:18
Antwort auf:
Windpocken??
Liebe Marie,
auch wenn es viele Schwangere nicht wissen, besitzen ca. 93-94% der schwangeren Frauen Antikörper und damit Schutz vor einer Erstinfektion mit Varizellen, dem Erreger der Windpocken und der Gürtelrose. Das heißt, sie hatten die Infektion offensichtlich durchgemacht oder sind geimpft worden. Nach durchgemachter Infektion besteht lebenslange Immunität und eine erneute Infektion mit Windpocken ist unter normalen Umständen nicht mehr möglich.
Theoretisch kann diese Schwangere mit vorhandener Immunität dann nur noch eine Gürtelrose bekommen. Dieses ist der gleiche Erreger (Varizellen). Von der geht nach bisherigen Erkenntnissen aber keine Gefahr für das Ungeborene aus.
Nach vermeintlichem Kontakt sollte im Zweifel also zunächst der Immunstatus geprüft werden.
In der Regel lässt sich anhand eines Titers schon sagen, ob eine Person nun Immunität hat oder nicht. Bestehen dennoch Zweifel, ist natürlich für all dieses Schwangeren ein Restrisiko einer Infektion gegeben.
Bei einer frischen Varizelleninfektione im 1. und 2. Trimenon (d.h. bis zum 6. Monat) sind sehr selten Syndrome bei Neugeborenen beschrieben worden (wenige Fälle in der medizinischen Literatur!), die durch Hautnarben, Unterentwicklung einer Extremität, niedriges Geburtsgewicht und verschiedene Defekte gekennzeichnet sind.
Zu unterscheiden davon sind die Varizellen perinatal (d.h. um die Geburt): Tritt das Exanthem (der Hautausschlag) der Mutter früher als 4 Tage vor Entbindung auf, erhält das Kind mütterliche Antikörper, die es vor Infektion schützen oder die Manifestation mildern. Bei Eintritt des Varizellenexanthems zwischen 4. Tag vor und 2. Tag nach Entbindung ist ein solcher Schutz nicht mehr gewährleistet: Varizellen, die beim Kind dann in der 2. Woche nach der Geburt auftreten können für das Kind fatale Folgen haben.
Das so genannte Varizellen-Hyperimmunglobulin muss innerhalb von 96 Std., besser sind 72 Std. nach Kontakt gegeben werden, wenn kein Immunschutz da ist, um einen Ausbruch abzuschwächen oder zu verhindern.
Aus diesen Gründen sollte bei fehlender Immunität Kontakt der Schwangeren oder ihrer Kinder/ihres Partners die/der keine Immunität haben/hat zu bekanntermaßen Erkrankten gemieden werden.
VB
von
Dr. med. Vincenzo Bluni
am 29.04.2010