Lieber Herr Dr. Bluni,
noch eine zweite Frage:
Ich habe bisher (30. SSW) eine kompliaktionslose Schwangerschaft, abgesehen von einer Schwangerschaftsdiabetes, ich spritze kein Insulin und alle seit dem oGTT gemessenen Blutzuckerwerte völlig in Ordnung gewesen.
Das Kind liegt seit mehreren Wochen mit dem Kopf nach untern und ich fragte meinen FA neulich, ob das - vorausgesetzt es bleibt so - nicht eine gute Voraussetzung für eine natürliche Geburt sei. Er war zu meinem Erstaunen sehr zweifelnd und meinte, dass ich auf gar keinen Fall über den errechneten ET kommen dürfe und man an diesem Tag einleiten müsse. Da häufig dennoch keine Reaktion erfolge, müsse dann ein KS gemacht werden. Auf meine Nachfrage, warum das so sei, bekam ich leider keine Antwort. Mir ist klar, dass Sie meine spezielle Situation nicht bewerten könne, aber gibt es bestimmte Voraussetzungen, unter denen unter keinen Umständen nach dem ET noch ein paart Tage abgewartet werden kann?
Vielen Dank und herzliche Grüße
Suse06
von
Suse06
am 14.03.2012, 15:54
Antwort auf:
Einleitung unter bestimmten Umständen nötig?
Hallo,
zur Frage, ob und wann die Geburt bei einer Frau mit einem bekannten Diabetes oder einem Schwangerschaftsdiabetes eingeleitet werden soll, wenn der Entbindungstermin erreicht wurde und bis dahin der klinische Verlauf, die Ultraschallbefunde und Blutzuckermessergebnisse nicht zu beanstanden waren, gibt es in der evidenzbasierten Leitlinie zu Diagnostik, Therapie u. Nachsorge des Gestationsdiabetes der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) dazu folgende Empfehlungen:
(1) Die Indikation zur Einleitung und zum Kaiserschnitt sollen nach geburtshilflichen Kriterien erfolgen, die Schwangerschaft soll jedoch nicht über den Entbindungstermin hinausgehen
(2) Bei der Entscheidung zur frühzeitigen Einleitung bei besonders schwerem Kind (Makrosomie) soll die Ungenauigkeit bei der ultrasonographischen Bestimmung des Schätzgewichtes und das erhöhte Risiko für einen Kaiserschnitt ohne signifikante Verringerung der Schulterdystokierate (ein Zustand unter einer vaginalen Geburt, bei dem es zu einer inkorrekten Einstellung der kindlichen Schultern nach der Geburt des Kopfes kommt und somit einen geburtshilflichen Notfall darstellt) bedacht werden. Ab einem Schätzgewicht von 4500g soll der primäre Kaiserschnitt durchgeführt werden.
(Anmerkung V. Bluni: diesbezüglich wird dazu geraten, dass bei einem Schätzgewicht 4 000–4 499g eine differenzierte Aufklärung der Schwangeren über das individuell erhöhte Schulterdystokie-Risiko erfolgt, insbesondere bei ausgeprägter Kopf-Abdomen-Differenz)
In der Patientenversion der Leitlinie der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (Diabetes und Schwangerschaft) heißt es zur Frage Einleitung der Geburt bei Schwangeren mit einem Diabetes/ Schwangerschaftsdiabetes:
„Eine Einleitung der Geburt mit wehenfördernden Medikamenten ist in den meisten Fällen nicht erforderlich und immer von Ihrem persönlichen Zustand und dem Zustand des Kindes in der Schwangerschaft abhängig. Bei einer alleinigen Ernährungsbehandlung kann man einige Tage über den errechneten Geburtstermin hinaus abwarten. Wenn Sie zusätzlich mit Insulin behandelt werden, sollte möglichst nicht über diesen Termin hinaus mit der Einleitung der Geburt gewartet werden.“
Daraus lässt sich ableiten, dass es klinisch gerechtfertigt erscheint, eine Frau mit einem gut eingestellten und nicht mit Insulin behandeltem Schwangerschaftsdiabetes auch über den Entbindungstermin gehen zu lassen, wenn alle sonstigen klinischen Überwachungsparameter dieses zulassen.
Für die persönliche Situation ist jedoch immer die vorherige individuelle Abstimmung mit der/dem erfahrenen(m) Fachärztin/Facharzt in der Frauenklinik notwendig und empfehlenswert.
VB
Quellen
https://www.g-ba.de/informationen/richtlinien/19/
(Mutterschaftsrichtlinien beim Gemeinsamen Bundesausschuss, Stand: 21.04.2016, letzter Abruf: 19.09.2018)
https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/057-008l_S3_Gestationsdiabetes-mellitus-GDM-Diagnostik-Therapie-Nachsorge_2018-03.pdf
(S3-Leitlinie (057-008) Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge. Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) u. Arbeitsgemeinschaft Geburtshilfe und Pränatalmedizin in der DGGG (AGG), Stand:02-2018. Letzter Abruf: 21.09.2018)
https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/057-008p_S3_Gestationsdiabetes-mellitus-GDM-Diagnostik-Therapie-Nachsorge_2018-03.pdf
(Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) Leitlinie für Patientinnen, Schwangere und Interessierte zu Diagnostik, Behandlung u. Nachsorge, Deutsche Diabetes ‐Gesellschaft (DDG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) u. Arbeitsgemeinschaft Geburtshilfe und Pränatalmedizin in der DGGG (AGG)), Stand:02-2018, letzter Abruf: 21.09.2018
https://www.awmf.org/fileadmin/user_upload/Leitlinien/057_D_Diabetes_Ges/057-008pr_S3_Gestationsdiabetes-mellitus-GDM-Diagnostik-Therapie-Nachsorge_2018-03.pdf
(S3-Leitlinie (057-008) Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie und Nachsorge. Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) u. Arbeitsgemeinschaft Geburtshilfe und Pränatalmedizin in der DGGG (AGG): Praxisempfehlungen; Stand:02-2018. Letzter Abruf: 21.09.2018)
https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-065l_S1_Termin%C3%BCberschreitung_%C3%9Cbertragung_02-2014-verlaengert.pdf
Aktuelle Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), Vorgehen bei Terminüberschreitung und Übertragung, Stand: 02.2014, letzter Abruf:19.08.2018)
Die folgenden Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie & Geburtshilfe (DGGG) in ihrer jeweils aktuellsten Version:
015/078 Mindestanforderungen an prozessuale, strukturelle und organisatorische Voraussetzungen für geburtshilfliche Abteilungen der Grund- und Regelversorgung
087/001 Empfehlungen für die strukturellen Voraussetzungen der perinatologischen Versorgung in Deutschland
024/001 - Indikationen zur Einweisung von Schwangeren in Krankenhäuser der adäquaten Versorgungsstufe
024/002 - Verlegung von Früh- und Reifgeborenen in Krankenhäuser der adäquaten Versorgungsstufe
von
Dr. med. Vincenzo Bluni
am 14.03.2012