Sehr geehrter Herr Dr. Bluni,
ich bin stak kurzsichtig ( minus 11 Dioptrien beidseitig) und habe nun gehört, daß man früher bei starker Kurzsichtigkeit zu einem Kaiserschnitt geraten hat, da sich durch das Pressen bei der Geburt die Netzhaut ablösen kann. Ist diese Empfehlung auch heute noch aktuell oder ist auch eine natürliche Geburt möglich?
Mitglied inaktiv - 18.12.2008, 11:05
Antwort auf:
Normale Geburt trotz starker Kurzsichtigkeit?
Hallo,
zum Problem der Kurzsichtigkeit und/oder Netzhautablösung und dessen Konsequenz für den Entbindungsmodus lässt sich folgendes sagen: Häufig wird die Empfehlung ausgesprochen, dass Frauen mit extremer Kurzsichtigkeit oder Problemen der Netzhaut unter der Geburt nicht pressen dürften oder man einen primären Kaiserschnitt empfehlen müsste.
Zu dieser Frage gibt es allerdings zwei sehr hilfreiche Quellen, die man dazu nennen sollte:
Als erstes wäre dieses die Augenklinik der Charité in Berlin, die eine solche Auffassung nicht nachvollziehen kann: nachzulesen unter
http://www.dog.org/1999/abstract99/422.html
Fazit dort ist:
“In dem untersuchten Kollektiv fanden sich repräsentative Schweregrade myoper Degeneration( =Kurzsichtigkeit).
Nach natürlicher Entbindung waren weder Lochbildung, Blutungen noch Netzhautablösungen zu beobachten. Aus ophthalmologischer (augenärztlicher) Sicht sind Einwände gegen eine natürliche Entbindung bei myopen Schwangeren nicht begründbar.
In einer Arbeit von Gabriele Beata Kuba, Peter Kroll; Zentralblatt für Gynäkologie, 1998, 120, Seite 406-412
"Gibt es Indikationen zur Interruptio (Schwangerschaftsabbruch) oder Sectio caesarea bzw. Kontraindikationen gegen eine Spontangeburt bei ophthalmologischen Erkrankungen (= Augenerkrankungen)? Kasuistik und Übersicht"
Zitat:
"Die meisten in den letzten Jahren erschienenen Publikationen kommen jedoch zu einem gegenteiligen Ergebnis. In der Literatur wurde noch kein Fall beschrieben, bei dem während einer normalen oder komplizierten Entbindung eine Ablatio retinae (Netzhautablösung) aufgetreten wäre. Auch in einer 1975 von Schenk durchgeführten Umfrage wurde kein einziger Fall mitgeteilt. Der Autor, ebenso wie Funk, vertritt die Meinung, daß sowohl hochmyopen (stark kurzsichtigen) als auch zur Ablatio retinae prädisponierten Frauen (Frauen die zur Netzhautablösung neigen oder ein erhöhtes Risiko hierfür haben) eine Schwangerschaft und eine vaginale Entbindung zuzumuten ist, und daß durch verbesserte Operationstechniken bei Netzhautablösung keinerlei Indikation zur Abruptio besteht [ 18, 571. Auch Sunness und Landau befürworten eine normale vaginale Entbindung bei Patientinnen mit erhöhtem Risiko für Netzhautablösungen [36, 641, ebenso Neri, zumal Entbindungen mit Forzeps oder Vakuum mit höheren Geburtsverletzungen einhergehen [48].
Auch sprechen vor der Schwangerschaft durchgeführte Ablatio-Operationen nicht gegen eine vaginale Entbindung [271.
... Man muss davon ausgehen, dass sich der Druck während des Pressens in alle Richtungen verteilt.... Aufgrund dieser Überlegung und der Tatsache, dass in der Literatur bisher kein Fall beschrieben wurde, bei dem eine Geburt zu Lochbildung bzw. Ablatio geführt hätte, sehen wir keinen Grund, Patientinnen mit hoher Myopie, peripheren Netzhautdegenerationen oder vorausgegangenen Ablatio-Operationen von einer normalen Entbindung abzuraten. Regelmäßige ophthalmologische Untersuchungen sind jedoch angezeigt, um im Falle einer zufällig auftretenden Netzhautveränderung therapeutische Schritte einzuleiten...."
Ich hoffe, Ihnen hiermit ausreichend geholfen zu haben.
VB
von
Dr. med. Vincenzo Bluni
am 18.12.2008
Antwort auf:
Normale Geburt trotz starker Kurzsichtigkeit?
Hallo,
ich bin auch sehr stark kurzsichtig (minus 10 Dioptrien beidseitig) und in der 12. SSW. Allerdings kommt bei mir noch hinzu, dass in meiner Familie genetisch bedingt Netzhautablösungen vorliegen.
So sagte mir mein FA, ich solle über einen Kaiserschnitt nachdenken und beim Augenarzt den Hintergrund der Augen (Pupillenerweiterung) untersuchen lassen. Denn wenn die Netzhaut absolut in Ordnung ist, würde einer natürlichen Geburt nichts im Wege stehen, sagte mir mein FA.
Diese Woche war ich beim Augenarzt, der meine Augen untersucht hat, OHNE die Augen zu tropfen, denn dazu ist es noch zu früh.
Mein Augenarzt sagte, es gibt 2 Arten von Tropfen: die einen können Wehen auslösen, die anderen gehen direkt in die Plazenta über. Aus diesem Grund wird die Untersuchung erst ca. 2 Monate vor dem Entbindungstermin durchgeführt und dann wird wohl vom FA und vom Augenarzt entschieden, ob ich natürlich entbinden kann oder ob ein Kaiserschnitt notwendig ist.
So werde ich mich bis dahin gedulden müssen...
Viel Glück und weiterhin eine schönen Kugelzeit!
Liebe Grüße,
Luna
Mitglied inaktiv - 18.12.2008, 19:11
Antwort auf:
Normale Geburt trotz starker Kurzsichtigkeit?
Vielen Dank für die ausführliche und schnelle Antwort! Damit haben Sie mir sehr weitergeholfen.
Mitglied inaktiv - 19.12.2008, 07:42