Sehr geehrter Dr.Bluni,
Bin in der 24. SSW und habe panische Angst wegen Listeriose. Normalerweise bin ich übervorsichtig mit dem was ich esse, manche sagen sogar, dass ich verrückt bin. Vor einer Woche habe ich aber einen riesen Fehler gemacht, war zum Geburtstag einer Freundin eingeladen und habe viel bulgarischen Gouda-Käse (Kashkaval) gegessen. Ich komme auch aus BG und sosweit ich weiß ist der Käse auch wärmebehandelt. Mein Problem ist aber, dass der Käse eine Woche lang NICHT im Kühlschrank war, da er kaputt war. Das habe ich allerdings später erfahren. Ich weiß, dass die Listerien sich extrem schnell verbreiten und sogar wenn da im Käse wenige waren, sind in einer Woche bestimmt super viele geworden. Ich habe immer noch keine Symptome, mache mir aber sehr viele Gedanken. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich mit Listerien angesteckt habe?
Ich bedanke mich im Voraus
Liebe Grüße
Anyas
Mitglied inaktiv - 01.12.2010, 16:32
Antwort auf:
Listeriose
Hallo,
1. eine schwangere Frau sollte nicht meinen, sie müsste sich mit Bekanntwerden der Schwangerschaft komplett von der Außenwelt abkapseln, um sich dann nur noch zur Geburt des Kindes rufen zu lassen, da ja da draußen eine Menge potentieller Gefahren vorhanden ist.
Leider werden derartige Vorstellungen in zunehmendem Maße durch Veröffentlichungen in allen möglichen Medien – vornehmlich des Internets - und der selbsternannten Expertinnen mehr als geschürt.
Und so erleben wir leider immer öfter eine gewisse Form der Hysterie im Hinblick auf potentielle Infektionsquellen in der Umwelt. Dieses bestätigen auch Ihre Ausführungen.
Zum Glück können wir hier meist entwarnen.
2. ein größeres Risiko einer solchen Infektion sehe ich in der genannten Situation allgemein nicht, jedoch können wir dieses für die individuelle Situation nie zahlenmäßig konkretisieren.
3. eine solche Situation stellt sich offensichtlich immer mal wieder ein: Das Fleisch war offensichtlich nicht ganz durchgegegart oder es wurde ein vermeintliches Rohmilchprodukt verzehrt und nun besteht die Angst einer Listeriose– oder Toxoplasmoseinfektion. Hier ist es grundsätzlich nicht möglich, nun das Risiko der Infektion zu quantifizieren.
Die Listeriose äußert sich in mäßigem Fieber, geringem Schüttelfrost, Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen; also mit den Symptomen eines grippalen Infektes beziehungsweise einer Harnwegsinfektion.
Charakteristische Hinweise auf eine Listeriose fehlen, eine Abgrenzung zur Grippe beziehungsweise anderen Infektionen ist nicht gegeben, so dass eine gezielte Suche nach den Bakterien in der Regel unterbleibt.
Bei Verdacht oder der Diagnose eine Listeriose kann mit einer antibiotischen Behandlung Schaden abgewendet werden.
Wie häufig ist eine Listeriose?
In Deutschland kommt es nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) zu rund 200 Fällen pro Jahr, die relativ gleichmäßig über das Land und das Jahr verteilt auftreten. Die Dunkelziffer ist sicher höher. Die konnatale Listeriose (Infektion unter der Geburt) wird etwa nur 30- bis 40-mal pro Jahr registriert (bei ca. 800.000 Entbindungen pro Jahr).
Kann Listeriose verhindert werden?
Die generellen Hygienerichtlinien empfehlen für die Verhinderung von Listeriosen die gleichen Maßnahmen wie zur Vorbeugung anderer durch verunreinigte Lebensmittel verursachter Erkrankungen (z.B. Salmonellen).
generelle Empfehlungen:
• Kochen Sie rohes Essen von Tieren, wie Rind, Schwein und Geflügel immer ganz durch
• Waschen Sie rohes Gemüse gründlich bevor Sie es essen
• Halten Sie bei der Zubereitung rohes Fleisch strikt fern von Gemüse und von gekochtem Essen und essfertigen Lebensmitteln
• Vermeiden Sie rohe (unpasteurisierte) Milch oder Nahrungsmittel, die aus roher (unpasteurisierter ) Milch hergestellt wurden
• Waschen Sie sich die Hände, Geschirr und Geräte, die mit rohen Lebensmitteln in Berührung gekommen sind.
Es sollte immer der behandelnde Arzt entscheiden, ob er in einem solchen Fall wirklich die Abklärung einer Listerioseinfektion für geboten hält.
Ergibt sich ein begründbarer(!!) klinischer Verdacht auf eine Listerieninfektion bei der Schwangeren, empfiehlt sich hierbei die entsprechende Diagnostik.
Diese ist aber nur durch den direkten Erregernachweis z.B. in der Blutkultur, im Liquor oder auch in Abstrichen von Neugeborenen möglich.
Sinnlos und überholt ist ein Antikörpernachweis, da es sehr viele falsch negative (Antikörper werden erst spät, bei Immunsuppression gar nicht gebildet) und auch falsch positive Ergebnisse gibt (Kreuzreaktivität mit vielen anderen Bakterien durch Antigengemeinschaft).
4. Bitte sprechen Sie sich aus diesem Grund zum weiteren Vorgehen mit Ihrer behandelnden Frauenärztin/Frauenarzt ab.
VB
von
Dr. med. Vincenzo Bluni
am 01.12.2010