Guten Abend, Herr Dr. Bluni,
wir wünschen uns ein zweites Kind, ich bin aber aktuell ein wenig verunsichert, inwiefern eine Schwangerschaft in Zeiten der Pandemie nicht auch mit besonderen Risiken verbunden ist. Ich weiß, dass nach derzeitigem Stand nicht davon auszugehen ist, dass das Virus Schwangere und ungeborene Kinder mehr bedroht als andere. Ich hatte allerdings beim ersten Kind einen Gestationsdiabetes und Verdacht auf HELLP. Wie ist Ihre Einschätzung? Hielten Sie unter diesen Umständen eine geplante Schwangerschaft für leichtfertig, sollte man den Wunsch sogar lieber aufschieben - oder würden Sie sagen, bange machen gilt nicht?
von
Lois88
am 31.03.2020, 23:11
Antwort auf:
Schwangerschaftsdiabetes und Covid-19
Hallo,
Wir müssen wir sicherlich ein wenig differenzieren.
1. wenn es in der Vorgeschichte eine Situation mit einem HELLP gab, dann ist das schon sehr bedeutungsvoll und wir werden in jedem Fall dazu raten, die Empfehlungen zu beherzigen, welche Sie unter der Adresse
https://www.rund-ums-baby.de/schwangerschaftsberatung/praeeklampsie-und-erneute-schwangerschaft.htm
( bitte den Link kopieren und in den Browser einfügen)
beschrieben finden.
Hier werden dann eben die diagnostischen Maßnahmen aufgeführt, die Sie dann am besten mit der Frauenärztin / Frauenarzt im Vorfeld besprechen sollten
2. auch beim Diabetes der Schwangerschaft ist es so, dass es für eine kommende Schwangerschaft ein Wiederholungsrisiko (statistisch) von etwa 50 % gibt.
Das bedeutet, auch hier werden wir meist dazu raten, dass schon etwa in der 16. Woche ein oraler Glukosetoleranztest bei einem Diabetologen unter standardisierten Laborbedingungen durchgeführt wird. Falls das Ergebnis negativ ausfällt, sollte dieser dann in jedem Fall nach der 24. Woche noch einmal wiederholt werden.
3. die grundsätzliche Frage einer neuen Schwangerschaft steht natürlich dabei auch im Raum und hängt auch davon ab, wie die letzte Geburt verlaufen ist und wie dort die Einschätzung der Klinik war. Hier kann es gegebenenfalls sinnvoll sein, dass Sie dieses vor einer neuen Schwangerschaft mit der Frauenklinik (zuständige Oberärztin/Oberarzt/Chefarzt) besprechen. Dort sollte dann aber auch der genaue Bericht der letzten Geburt vorliegen.
4. was das Thema COVID-19 (Corona-Virus) angeht, so lässt sich dazu momentan nach jetzigem Erkenntnisstand sagen, dass wir aus den vorliegenden Studien überwiegend Daten zu Frauen am Ende der Schwangerschaft haben. Zur Frühschwangerschaft liegen keine Daten vor.
Wir gehen im Moment davon aus, dass es keine Übertragung des Virus auf das Kind gibt, die Fehlgeburtsrate nicht erhöht ist und auch der Schwangerschaftsverlauf nicht bedeutend beeinträchtigt ist. Die Daten aus den chinesischen Studien konnten bisher zeigen, dass die Infektion am Ende der Schwangerschaft (wenn es denn dazu kommt) nicht mit mehr Komplikationen verbunden ist. Hier handelt es sich in den Studien aber um eine überschaubar kleine Menge von Frauen.
Das ist aber immer eine Aussage, die sich auf den heutigen Kenntnisstand bezieht, weil es eben viel zu früh ist, um dazu mehr zu sagen.
Mittlerweile haben wir einige sehr gute seriöse Quellen, bei denen zahlreiche Fragen rund um die Schwangerschaft von seriösen Fachgesellschaften beantwortet werden.
Die entsprechenden Internetadressen finden Sie unten in der Quellenangabe.
Herzliche Grüße
VB
Quellen:
https://www.bvf.de/aktuelles/fachliche-meldungen/artikel/news/faq-fuer-schwangere-frauen-und-ihre-familien-zu-spezifischen-risiken-der-covid-19-virusinfektion/
(Berufsverband der Frauenärzte: FAQ-Sammlung für Schwangere )
https://www.dggg.de/fileadmin/documents/Weitere_Nachrichten/2020/20200320_GBCOG_FAQ_Corona.pdf
(German Board and College of Obstetrics and Gynecology: FAQ-Sammlung für Schwangere und ihre Familien)
https://www.dggg.de/fileadmin/documents/Weitere_Nachrichten/2020/COVID-19_DGGG-Empfehlungen_fuer_Kreissaele_20200319_f.pdf
(DGGG – Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe: Empfohlene Präventionsmaßnahmen für die geburtshilfliche Versorgung in deutschen Krankenhäusern und Kliniken im Zusammenhang mit dem Coronavirus)
https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)30360-3/fulltext
(Chen, Huijun, et al. "Clinical characteristics and intrauterine vertical transmission potential of COVID-19 infection in nine pregnant women: a retrospective review of medical records." The Lancet 395.10226 (2020): 809-815.)
https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/who-china-joint-mission-on-covid-19-final-report.pdf
(Report of the WHO-China Joint Mission on Coronavirus Disease 2019 (COVID-19), 16.-24. Februar 2020)
https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics/fullarticle/2763787?resultClick=1
(Zeng, Lingkong, et al. "Neonatal Early-Onset Infection With SARS-CoV-2 in 33 Neonates Born to Mothers With COVID-19 in Wuhan, China." JAMA Pediatrics.)
von
Dr. med. Vincenzo Bluni
am 01.04.2020
Antwort auf:
Schwangerschaftsdiabetes und Covid-19
Vielen Dank für die sehr differenzierte Antwort.
Mein Gynäkologe, dessen Umsicht ich sehr schätze, hatte grünes Licht für eine zweite Schwangerschaft gegeben - das war allerdings vor der Pandemie.
Die Geburt war letztendlich ein Kaiserschnitt nach frustraner Einleitung und unser Kind ist wohlbehalten und nur neun Tage zu früh auf die Welt gekommen.
von
Lois88
am 01.04.2020, 20:53