Wie können wir die Schlafgewohnheiten verändern?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Wie können wir die Schlafgewohnheiten verändern?

Liebe Frau Bentz, wir benötigen einmal ihren Rat wegen unserer 14 Monate alten Tochter. Ich müsste einmal etwas ausholen: Bis zum Alter von ca. 6 Monaten hat unsere Tochter fast nach jeder Stillmahlzeit mind. 3 Std. geschlafen und Nachts sogar von 20 Uhr bis 6 Uhr durch. Sie hatte nur immer Schwierigkeiten Abends einzuschlafen, da sie immer wie wild mit ihren Armen ruderte. Einer von uns hat sich also immer zu sie gelegt und sie etwas festgehalten und wenn sie dann einmal schlief dann schlief sie auch. Mit 6 Monaten änderte sich plötzlich alles. Ich muss dazu sagen, dass sie einen fieberhaften Infekt hatte und wir in der Zeit auch noch an der Nordsee im Urlaub waren. Das Einschlafen dauerte ewig, irgendwann schlief sie dann auf dem Arm ein oder durchs stillen. In den Nächten wurde sie alle 2 Std. wach und ich habe sie immer gestillt, damit sie schnell wieder einschlief und nicht unsere große Tochter (5 Jahre) auch noch weckte. Der Infekt verschwand, wir fuhren wieder nach Hause aber das schlechte Einschlafen und nächtl. Aufwachen blieb. Mittlerweile schläft sie am Mittag von 11.30 Uhr - 13.30 Uhr und geht Abends ca. 19.30 Uhr ins Bett. Und es ist ein riesen Akt sie zum schlafen zu bekommen. Mittags laufe ich ca. 1/2 Std. mit ihr auf dem Arm durchs Zimmer (stillen habe ich ihr Mittags abgewöhnt), aber Abends dauert es bis zu 1,5 Std. bis sie schläft. Alleine in ihrem Zimmer einschlafen geht gar nicht. Sie schreit sobald ich das Zimmer verlasse oder auch nur ihre Hand loslasse. Sie wühlt im Bett hin und her und ist eigentlich total müde. Ich nehme sie gefühlte 100 x wieder aus dem Bett, trage sie hin und her oder stille sie noch einmal. Lege sie wieder hin, halte ihre Hand und dann schläft sie irgendwann ein. Das dauert alles viel zu lange, unsere Grosse muss ja auch ins Bett und mein Mann ist meist vor 20 Uhr nicht Zuhause. Für unsere Älteste tut es mir dann immer leid, meist bin ich von der ganzen Tortur schon so genervt, dass ich sie dann auch nur noch "schnell" ins Bett mache. Und Nachts geht es dann weiter. Wenn ich Glück habe schläft unsere kleinste mal 3,5 Std. am Stück. Wenn ich sie nicht stille schreit sie wie am Spieß, wenn ich versuche nicht zu stillen sondern sie nur auf dem Arm zu nehmen kann das ganze in der Nacht bis zu 1,5 Std. dauern bis sie wieder schläft. Manchmal schläft sie durchs stillen schnell wieder ein aber ich hocke meist neben ihrem Bettchen und halte wieder Hand und wenn sie beim einschlafen mitbekommt das ich mich wieder rausschleiche geht das Gebrüll wieder los. Nach 2-3 Std. wird sie wieder wach und es geht vom Neuen los. Ich bin so müde, ich habe das Gefühl ich bekomme kaum noch Schlaf. Ich würde eigentlich auch gerne abstillen, sie isst am Tag ja auch gut. Ich komme aus diesem Einschlaf- und Durchschlafproblem nicht raus und weiß nicht so recht wie ich anfangen soll, etwas zu ändern. Wie verändere ich das Zubettbringen und wie reagiere ich wenn sie Nachts alle 2 bis 3 Std. aufwacht. Sie schläft seit 2 Monaten in ihrem eigenem Zimmer. Viele liebe Grüsse von einer sehr müden Mutter...

von April2015! am 05.07.2016, 12:14


Antwort auf: Wie können wir die Schlafgewohnheiten verändern?

Liebe Ich kann mir vorstellen, dass Sie müde sind! Tatsächlich ist es jeden Nacht ein riesiger Kraftakt den Sie da absolvieren. Dass es so für Sie beide nicht weiterlaufen kann liegt auf der Hand. Den Weg zur Besserung kennen Sie eigentlich selbst. Wenn Sie etwas ändern möchten, geht kein Weg daran vorbei, vom Bisherigen abzuweichen. Es stellt sich daher die Frage, was es Ihnen erschwert, das Gewohnte hinter sich zu lassen. Sicher ist ein Großteil der Erschöpfung geschuldet. Extremer Schlafmangel macht einfach mürbe, so dass man dann schließlich alles tut, um endlich Ruhe zu haben. Es ist daher wichtig sich zu überlegen, wie Sie Entlastung und Unterstützung erfahren können. Vielleicht können Sie sich mit Ihrem Mann abstimmen, so dass er mal für eine Woche abends früher zu Hause ist. Oder Sie planen mal ein verlängertes Wochenende ein, wo Sie mit den Änderungen anfangen. Zwar muss man Geduld haben (ca. 14 Tage) bis Veränderungen greifen, doch die ersten Abende sind die Schlimmsten. Hier hilft es, wenn man sich abwechseln und aufteilen kann. Vielleicht hindern aber auch Schuldgefühle und Ängste Sie daran, etwas zu verändern? Im Grunde ist klar, dass es ohne Verzicht auf intensive elterliche Einschlafhilfen und das Beruhigungsstillen nicht gehen wird - also auch nicht ohne Protest. Viele Eltern haben die Sorge, dass dies Ihre Beziehung zum Kind belasten könnte oder das Kind einem Schaden bekommt. Doch mal abgesehen davon, dass es einen erheblichen Unterschied macht, ob ein Neugeborenes allein in einem dunklen Zimmer schreit, oder ob ein Kleinkind protestiert, weil es bestimmte Einschlafhilfen verlangt,sind die Folgen des massiven Schlafentzugs wohl für alle Seiten weitaus gravierender als kurzfristiger Stress den Veränderungen nun mal mitbringen. Viele Eltern wenden sich mit dem Wunsch an mich, aus einer Situation herauszukommen jedoch ohne Stress und Schreierei. Doch das wird in den wenigsten Fällen möglich sein. Genauso wie Ihre Tochter schreien wird, wenn sie mal ein Eis nicht bekommt, wird sie schreien, wenn Mama nicht wie gewohnt das ganze Theater aufbietet. Nicht weil sie böse oder verzogen ist. Wir alle Kleinkinder hat Ihre Tochter ein egozentrisches Weltbild. Sie checkt noch nicht, dass ihre Wünsche nicht sind Ihrigen sind und kann die Folgen ihres Handelns nicht überblicken. Ihre Logik beschränkt sich auf "Eis ist lecker und ich will eins.Punkt." Sie ist daher auch nicht motiviert, etwas zu ändern und braucht daher Sie mit Ihrer Logik und Ihrem Wissen und Erfahrungsvorspung als Wegweiser. Ja, Sie dürfen und müssen die Fäden in die Hand nehmen, denn mit totaler Erschöpfung ist niemanden geholfen. Also: meine Empfehlung: bleiben Sie bei einem(!) Ritual und einer festen Bettgehzeit. Ggf ist die Mittagsschlafzeit zu verkürzen, um abends mehr Schlafdruck zu haben. Keine Methode nützt, wenn ein Kind nicht schlafen kann, weil es nicht müde oder zu müde ist. Den individuellen Schlafbedarf können wir nicht beeinflussen, nur richtig "verteilen". Geben Sie dann eine klare Marschroute vor, wie z.B. nur noch einmal abends und morgens stillen. Bleiben Sie nach dem Ritual noch ca. 15 Minuten bei Ihrem Kind, aber ohne großartige Interaktion wie Streicheln, Tragen, Singen. Seien Sie einfach nur im Raum auf einem Stuhl und reagieren Sie nicht mehr auf das Weinen. Sie können Sie mit Worten trösten (Mama ist ja da. Du ahst es gleich gesschafft), aber auch das sparsam dosiert. Dann rücken Sie diesen Tag für Tag näher an die Tür rücken, bis Sie irgendwann ganz draußen bleiben können. So lernt Ihre Kleine zwar nicht stress- aber ohne das gefühl des Veerlassenseins das Einschlafen ohne elterliche Hilfen. Manche Eltern bevorzugen auch die Variante sich nben das Kinderbett zu legen und sich schlafend zu stellen - auch dass eine Möglichkeit. Wichtig: gehen Sie dabei nach einem festen Plan vor, der sich über einen Zeitrahmen von 2 Wochen erstrecken sollte. Hier müssen Sie konsequent bleiben und sich auf eine harte Zeit einstellen. Ggf. wechseln Sie sich mit Ihrem Mann nach einem Einsatzplan ab. Besser Sie verzichten auf einen Versuch, als dass Sie immer diese immer wieder abbrechen, denn dann wäre mit einer Verschlimmerung zu rechnen. Ggf. können Ohrenstöpsel / Gehörschutz gute Hilfsmittel sein. Ihre Tochter wrerden Sie trotzsem hören, aber die schrillen Obertöne werden abgepuffert, so dass viele Eltern selbst ruhiger bleiben können. Meist zeigt sich schon nach ein paar wenigen Tagen eine Besserung. Doch sollten Sie mit ca. 14 Tagen rechnen, bevor diese Maßnahme wirklich greift. der Zeitpunkt sollte daher auch nicht mit anderen anstrengenden Veränderungen (Kitaeingewöhnung, Umzug, Krankheit etc.) zusammengelegt werden. Ich denke, wenn Sie sich selbst die Erlaubnis geben, hier aktiv einzugreifen, werden Sie in ein paar Wochen schon gemeinsam über diese Sorgen lachen können. Nur Mut! Sie wissen, was für Sie und Ihre Familie gut ist. Auf bald bessere Nächte! Herzlich, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 10.07.2016