Wie kann sich mein Baby Selbstberuhigung lernen

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Wie kann sich mein Baby Selbstberuhigung lernen

Liebe Frau Dr. Bentz, mein Sohn, fast 9 Monate, schläft von Anfang an sehr schlecht. Vormittags manchmal eine halbe Stunde nach viel Geschrei, Mittagsschlaf eine Stunde, aber nur im Elternbett wenn ich daneben liege. Nachts kommt er alle 1,5 bis 3 Stunden (er schläft in seinen Bett, das wir direkt neben unserem gestellt haben). Er hat nachts selten Hunger aber braucht meine Brust zur Beruhigung. Zum Einschlafen muss er gestreichelt werden und schläft nur unter großen Protest ein. Nachts brüllt er von 0 auf 1000 und streicheln ändert nichts sondern er wehrt die Hand ab und schreit sich in rage. Er schreit dann auch im Familienbett weiter bis er sich an meiner Brust beruhigen darf. So geht es nun fast 9 Monate und ich fühle mich psychsich und physisch nur noch erschöpft. Wir haben einen Abend versucht nach dem Buch "Jedes Kind kann schlafen lernen" zu handeln, nachdem er aber nur noch schrie und sich in der Zeit durch nichts außer meiner Brust wieder beruhigen ließ, haben wir es abgebrochen. Wie kann ich meinen Sohn helfen sich selbst zu beruhigen und ihn in den Schlaf begleiten? Haben Sie einen Tipp das nächtliche Beruhigunggsstillen abzugewöhnen? Sorry für den langen Text und schon mal vielen Dank für Ihre Antwort. Viele Grüße

von kinderwunsch83 am 11.04.2016, 11:12


Antwort auf: Wie kann sich mein Baby Selbstberuhigung lernen

Liebe Kinderwunsch83! ich kann verstehen, wie sehr sie das Ganze erschöpft und an Ihre Grenzen führt. Wie Sie an meiner Vorrednerin sehen, gibt es ganz unterschiedliche Möglichkeiten, sich Schlafproblemen zu stellen. Erfolgsentscheidend ist dabei jedoch immer, dass ein Weg zu Ihnen und Ihrer Situation passt. Ich propagiere daher auch nicht eine Methode, sondern versuche, individuelle Lösungen zu finden. Das Familienbett kann eine prima Sache sein, ist aber sicher kein Allheilmittel. Argumente, die gegen ein Familienbett sprächen, wären: a) jemand fühlt sich mit dieser Lösung nicht wohl und /oder b) bekommt dauerhaft zu wenig Schlaf (dies können auch sehr sensible Kinder sein) wenn eines oder beides erfüllt ist, kann es - wie in Ihrem Fall - zu einer Negativspirale kommen und es wird von einem Extrem ins andere geschwenkt /Familienbett vs. Ferbern). Ich stelle immer wieder fest, dass sich das dann weiter fortzieht: Ferbern -misslungener Versuch - schlechtes Gewissen -noch mehr elterliche Einschlafhilfen als Kompensation- zurück ins Familienbett - erneute Krise - wieder Ferbern... Das alles kann zu einer permanenten Belastung für die Familie werden und schließlich dreht sich dann - wie schon meine Vorrednerin anmerkte - alles nur ums Thema Schlaf. In so einer angespannten, festgefahrenen Situation wird es dann immer schwieriger, die Geduld für wirklich nachhaltige Veränderungen aufzubringen. Mein erster Rat daher: machen Sie sich frei von irgendwelchen Idealmodellen, die Sie vielleicht im Kopf haben oder vermittelt bekommen - Sie müssen Ihren Weg finden! Sie werden so oder so auf Kritik stoßen: wenn Sie ihr Kind ins Familienbett packen und dauerstillen oder wenn Sie Ihr Kind ins eigenen Bett legen und abstillen. Natürlich kann man von den Erfahrungen andere profitieren - doch letztendlich müssen immer Sie Ihren Alltag bewältigen. Wenn etwas bei jemand geklappt hat, heißt das noch nicht, dass dies auch bei Ihnen klappt. Von daher: vielleicht ist der Weg von CK18 eine Möglichkeit, vielleicht aber auch nicht. Bei ihr hat es geklappt, weil es für Sie so ok und stimmig war, so konnte Sie die Geduld aufbringen, abzuwarten. Doch bei Ihnen mag das anders sein. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie weniger liebevoll, belastbar oder kompetent sind. Menschen reagieren unterschiedlich auf Schlafmangel und haben ein unterschiedliche hohes, biologisch determiniertes Schlafbedürfnis. Das klingt vielleicht alles banal, ist jedoch für Eltern, die vielleicht sogar zum ersten Mal ein Kind bekommen haben, wirklich schwierig und erfordert Selbstbewusstsein, Selbstreflexion und Vertrauen in sich und das Kind. Elternsein heißt auch, Fehler zu machen, keine Garantien und nicht immer 100% alles beeinflussen zu können. Sie machen Ihre Sache bestimmt sehr, sehr gut, auch wenn nicht alles perfekt klappt. Die Crux ist bloß, dass Eltern gerade bei wichtigen Entwicklungsschritten (die gleichzeitig auch immer etwas "Sprengstoff") beinhalten, unsicher werden, weil das positive Feedback fehlt: man wird "angeschrien", das Kind nörgelt, trotzt, schläft schlecht etc. So kann schnell der Eindruck entstehen, man bekomme "es nicht hin", "habe nichts im Griff" oder sei eine schlechte Mutter / ein schlechter Vater". Doch bedeutet Elternsein eben nicht die Abwesenheit von Schwierigkeiten oder das Fehlen von Konflikten. Dies allerdings nur vorweg: Also, was können Sie tun? Ich finde den Kompromiss, Bett neben Elternbett sehr gut. So bekommt Ihr Kind Nähe, aber gleichzeitig haben Sie etwas mehr Platz und sind als Beruhigungsquelle nicht immer sofort greifbar. Natürlich bedeutet so eine sanfte Lösung jedoch auch, dass es etwas mehr Geduld erfordert, Änderungen herbeizuführen. Zunächst sollten Sie sich überlegen, ob Sie nachts komplett abstillen möchten, oder ob Sie das Stillen einfach reduzieren wollen. Von fachlicher Seite gibt es hier keine eindeutigen Empfehlungen. Stillen ist per se kein Hinderungsgrund für Selbstregulation, wenn man ein paar Dinge beachtet. Ferner ist es kein Zeichen einer gestörten Selbstregulation, wenn ein Kind sich gut an der Brust beruhigt. Wenn Ruhe allerdings ausschließlich durch die Brust erlangt werden kann, kann dieses ab einem bestimmten Alter zu Problemen führen und zwar bei Mutter und Kind. Hinweise, dass dies bei Urvölkern so erfolgreich praktiziert werde, finde ich übrigens schwierig wie pauschale Aussagen, dass nur so eine bindungsorientierte, "natürliche" Erziehung funktioniere: (1) unterscheidet sich der Alltag bei Urvölkern extrem von unserem Alltag. Insbesondere der Schlaf der Erwachsenen verteilt sich mehr auf Tag und Nacht, während wir hier einfach eine Konzentration auf den Nachtschlaf haben. Wir müssen aber hier, in unserer Welt klarkommen und unsere Kinder auch. Wir müssen also unter Berücksichtigung unserer Lebensgewohnheiten und -umstände einen Weg finden. (2) Häufiges Stillen hat zwar ebenso wie Tragen im Durchschnitt einen positiven Effekt auf die Schreidauer im Allgemeinen, jedoch verringert es nicht exzessives Schreien. Man kann sogar zeigen, dass Kinder, die exzessiv schreien, die Rückkopplung von Hunger-Sättigung-Befriedigung gestört ist. So zeigen Experimente, dass diese Kinder nur bei der unmittelbaren Gabe von Glukose beruhigt sind, , während Kinder ohne die Schwierigkeiten auch danach noch einen Sättigungseffekt zeigen. Gleichsam ist Ruhe an das Vorhandsein der Brustwarze im Mund gekoppelt, während andere Kinder nach dem Saugen zufrieden und ruhig sind D.h. bei Kindern mit Regulationsschwierigkeiten muss umgedacht werden Es ist aus meiner Sicht also völlig legitim, bei einem 9-monate alten, gesunden Kind mit Normalgewicht, schrittweise Mindeststillabstände einzuführen. Für die Bindung ist es schließlich wichtig, dass Sie überhaupt Momente positiver Interaktion mit dem Kind erleben und nicht völlig entnervt und erschöpft sind. Wichtig ist dabei, dass Sie am Tag darauf achten, dass Ihr Kind ausreichend Ruhe bekommt, um genug zu essen. Die Hauptarbeit liegt also hier auch am Tage, nicht beim Einschlafen. Dann machen Sie sich einen Plan (z.B. abends stillen, dann vielleicht einmal um Mitternacht und dann frühmorgens eine Stillmalzeit nach einer längeren Pause von vielleicht ca. 4-5 Stunden.). Zwischendurch gibt es den Schnuller oder Wasser als Beruhigung. Gern empfehle ich für die Übergangszeit, das Kind zum Vater zu legen, der es dann zu den Malzeiten zu Ihnen zum Stillen bringt. Das entlastet beide und ist für das Kind meist einfacher. Am besten fangen Sie damit am Freitag an, dann haben Sie übers Wochenende schon die härtesten Nächte überstanden und können sich zudem gegenseitig am Tag noch etwas Schlaf gönnen. Wenn Ihr Kind dann weint, sollten Sie / der Vater bei ihm bleiben, aber sonst möglichst wenig Beruhigungshilfen geben. Auf Streicheln sollten Sie ggf. verzichten, wenn Ihr Kind sich einschreit. Manchen Kindern ist selbst das ein zu intensiver Reiz! In der Behandlung von exzessiv schreiend Säuglingen wird daher auch häufig empfohlen, immer genau zu gucken, ob ein Kind wenn es unruhig ist besser auf Stimme oder Berührung reagiert. Beides ist vielen einfach zu viel des Guten. Dann heißt es durchhalten, durchhalten, durchhalten! Anders aber als beim Ferbern kann man so meiner Ansicht allerdings sicherer sein, dass ein so junges Kind wie Ihres, zwar Stress, aber keine Angst verspürt, denn es ist ja immer einer da. Hilfreich ist zudem, dem Kind das, was Sie tun begleitend zu erklären "Ja, ich weiß das ist jetzt schwer, doch du schaffst das. Mama ist ja da etc.) Selbstverständlich kann Ihr Baby noch nicht den Wortlaut verstehen, wohl aber Tonlage, Mimik und Gestik! Außerdem hilft es vielen Eltern, selbst ruhig zu bleiben, weil sie sich gewissermaßen entlasten können ("Ja, mir ist auch zum Heulen zumute und bin auch völlig am Ende. Doch wir kriegen das hin"). Wenn Sie dann noch am Tag auf einen einigermaßen stabilen Rhythmus achten, sollte sich die Lage bald bessern! Dafür drücke ich fest die Daumen und wünsche Ihnen allen viel Kraft! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 18.04.2016


Antwort auf: Wie kann sich mein Baby Selbstberuhigung lernen

Hallo, ich bin zwar nicht Frau Dr. Bentz, aber ich habe /hatte auch so ein Baby, welches sich ausschließlich durch die Brust beruhigen ließ. Für mich kommt schreien lassen nicht in Frage und somit schlief mein Kind immer neben mir mit der Brust ein und hat bei dem kleinsten Mucks, der daraufhin deutete, dass gleich wieder gebrüllt werden konnte, sofort die Brust bekommen. Das habe ich ca. 14 Monate so betrieben. Nur so kamen wir alle zu Schlaf und so ist aus dem Baby ein durchschlafendes Kleinkind geworden. Ohne Training. Ich möchte dir damit sagen, dass es besser wird, egal welchen Weg ihr einschlagen werdet. Für mich kam, aus eigener Bequemlichkeit, weil mein Kind schlief ja immer wieder mit Brust ein, ohne zu brüllen, kein "Training" in Frage. Ich stand innerlich einfach nicht dahinter und somit wäre es gescheitert. Allerdings war und ist das Einschlafen immer noch ein Problem, welches sich aber wesentlich verkleinert hat. Mein Kind wird mit 21 Monaten immer noch in den Schlaf begleitet, wir haben ein Familienbett und da legen wir uns gemeinsam hin, es gibt noch eine Flasche Milch, die Spieluhr und je nach Müdigkeitsgrad wird nach 2 oder 30 Minuten geschlafen. Teilweise muss ich mein Kind festhalten, weil es motorisch einfach nicht zur Ruhe kommt! Ich war/bin immer froh, dass mich mein Kind für den Mittagsschlaf brauchte, denn so konnte ich ohne schlechtes Gewissen einfach mit schlafen! Entscheidet euch konsequent für einen Weg, hinter dem ihr steht und es wird mit viel Geduld besser. Ich weiß, wie anstrengend das ganze ist und ich kann dir nur aus meiner "ich habe es überlebt"-Sicht raten: Fokussier dich nicht zu sehr auf's Schlafen! Ich hatte unbewusst immer Angst vor der Schlafenszeit und das hat mir zum einen die Freude an meinem Kind genommen und zum anderen hat mein Kind gespürt, dass ich unsicher bin und da gab es noch mehr Theater. Im Nachhinein bin ich traurig darüber, dass ich mein Kind immer nur aus der Perspektive "alle anderen Kinder schlafen, nur meins macht Theater" gesehen habe. Ich habe meinem Kind nicht zugetraut, dass es auch mal ohne Brust z.B. im Kinderwagen oder der Trage einschläft. Und hätte ich nicht meinen Mann gehabt, der es einfach GEMACHT hat, hätte ich diese Erfahrung nie gemacht, aus Angst. Traut eurem Kind mehr zu und steht hinter einer Methode und euer Kind wird es akzeptieren, auch wenn es dauert und anfänglich Nerven kostet. Und "ein Mal ausprobiert" zeigt keinen Erfolg an, der Misserfolg zeigt nur, dass euer Kind sich 9 Monate bereits an eine andere Einschlafmethode gewöhnt hat. Und Gewohnheiten gibt man nur ungern auf! Viel Erfolg, gute Nerven und viel Freude mit eurem Kind!

von CK18 am 16.04.2016, 07:41