Wie Geschwister aufeinander vorbereiten?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Wie Geschwister aufeinander vorbereiten?

Liebe Frau Bentz, Ich bin in der 33 SSW und habe noch einen recht kleinen Sohn mit 11 Monaten. Das heißt, die zwei werden ungefähr 1 Jahr Altersunterschied haben. Mich würde es interessieren wie ein so kleines Kind, wie mein Sohn, das Geschwisterchen akzeptiert/darauf reagiert bzw. In wiefern er in seinem Alter schon etwas versteht, was das Baby angeht. Kann ich ihn in irgendeiner Weise darauf vorbereiten? Merkt er das etwas "im Busche" ist? Wird es für ihn sehr verwirrend sein wenn das Baby da ist? Wie wird er sich fühlen? Er schaut meinen riesen Bauch immer verdutzt an...

von Anilux am 06.06.2016, 20:40


Antwort auf: Wie Geschwister aufeinander vorbereiten?

Liebe Anilux, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zur Schwangerschaft! Die kommende Zeit wird für Sie alle ereignisreich und mit einigen Veränderungen verbunden sein. Die beste Vorbereitung mit als Mutter von "2 under 2" ist meines Erachtens, das Chaos ein wenig gedanklich vorwegzunehmen und nicht den Anspruch zu haben, alles perfekt und womöglich noch allein zu wuppen. Sollten Sie jetzt noch keinen Babysitter oder andere Betreuungsmöglichkeiten haben, wäre dies die erste Maßnahme, die ich empfehlen würde. Viele trauen sich diesen Schritt nicht, weil sie befürchten, dass das ältere Kind sich dann durch die Geburt des Geschwisterchens abgeschoben fühlen könnte. Fakt ist aber nun, dass mit zwei so kleinen Kindern die Ressourcen limitiert sind. Läuft dann mal nur eine Kleinigkeit nicht ganz rund (Kind schläft schlecht, Kind ist krank etc.) und man hat keinen Plan B, können aus normalen Alltagsprobleme schnell größere Belastungen werden. Diesen Stress kann man sich durch gute Planung und die vorherige (!) Organisation von Hilfe gut ersparen. Es ist viel schwerer, dass alles zu organisieren, wenn man zwei kleine Kinder hat und dann ein Problem auftritt. Doch das nur als wohlgemeinten Tipp einer Mutter mit "2 under 2" Erfahrungen und weniger als Psychologin (-; Was Ihre Frage betrifft, so ist dies schwer zu beantworten, da Kinder natürlich einen sehr unterschiedlichen Entwicklungsstand haben. Ich bin mir jedoch relativ sicher, dass auch ein so kleines Kind die Schwangerschaft einer Mutter in irgendeiner Form "riecht" - ohne wirklich zu verstehen, was da genau passiert und was einen erwartet. Selbst für uns Erwachsene ist ja eine Schwangerschaft und Geburt etwas ganz Besonderes und bringt zumindest mich - trotz aller Informationen was wie wann und warum passiert - immer wieder zum Staunen. Informationen wie "da wächst ein Baby in Mamas Bauch", oder " dann bekommst du ein Geschwisterchen" sind für die ganz Kleinen daher verständlicherweise zu abstrakt und können ggf. sogar ängstigend wirken. Ich würde daher auch auf entsprechende Bücher, die fürs Kindergartenalter super sind, in diesem Alter noch verzichten. Wenn das Baby erstmal da ist, wird es in der ersten Zeit bei solch Kleinen noch keine direkte Eifersucht auslösen. Auch das wäre noch zu komplex gedacht. Was allerdings schon stattfinden kann, ist ein Kampf um (Ihre) Ressourcen, sprich das ältere Kind merkt, dass etwas Ihre Zeit und Aufmerksamkeit bündelt und fordert dann natürlich sein angestammtes Recht ein. Hierfür sollte man viel Verständnis zeigen und möglichst gelassen reagieren, wenn es zu Rückschritten in der Entwicklung kommt und sich ein Kind plötzlich wieder viel bedürftiger zeigt. Ferner sollte man nicht enttäuscht sein, wenn das ältere Kind nur wenig Begeisterung zeigt, so ein Baby ist außer „süß“ ja nun auch nicht so spannend. Umgekehrt können Sie von Ihrem kleinen Großen natürlich noch kein Verständnis für die neue Situation erwarten. Appelle an den „großen Bruder“ können da leicht überfordern und die Rolle von vorneherein unattraktiv machen. Was die Interaktion angeht, so wird diese zunächst vermutlich zwischen freundlich-neugierigen Bestaunen (auch Kinder reagieren auf das Kindchenschema und finden Babys niedlich) und Ignorieren schwanken, denn wie gesagt können ja beide noch nicht so richtig viel miteinander anfangen. Toll für das ältere Kind ist es, wenn ein Baby dann irgendwann zurücklächelt und sich später herzhaft über seine Späße freut - ein richtiges Erfolgserlebnis! Etwas spannungsreicher wird es dann meist, wenn die Kleinen mobil werden und damit eben auch ihren Radius erweitern. Jetzt kann es schon mal etwas gröber werden, denn man stört sich gegenseitig halt mal. Allgemein weiß man aus der Geschwisterforschung, dass ein kurzer Abstand von gleichgeschlechtlichen Geschwistern potentiell am meisten Sprengstoff beinhaltet. Die Konkurrenz ist hier einfach unmittelbar da. Allerdings - und das kann ich bestätigen - sind auch die Interessen und der Entwicklungsstand sehr dicht beieinander. Das bedeutet eben auch, dass beide mehr miteinander anfangen können als etwas ein Junge und ein Mädchen, die fünf Jahre auseinander sind. Zudem lassen sich einige Dinge nahezu in einem Abwasch erledigen, weil das jüngere Geschwisterkind sich sehr viele Dinge abgucken kann. So hat man oft weniger Mühe bei dem zweiten Kind mit Dingen wie Essen lernen, sich anziehen, Trocken werden etc. Doch das alles ist natürlich nur graue Theorie. Wie Ihr Alltag in der Realität aussehen wird, kann Ihnen die Forschung nicht sagen. Sie können zwar einiges dafür tun, dass sich Ihre Kinder gut verstehen, doch sollte Ihnen bewusst sein, dass Ihr Einfluss limitiert ist. Es ist daher m. E wichtig, weder sich noch den Kinder allzu viel Druck zur Harmonie zu machen. Ein Kind sollte merken, dass seine Eltern es unabhängig von Geschwisterkind lieben. Eifersucht und Konkurrenz unter Geschwistern sind normal und nicht immer kann und muss man seinen Bruder oder seine Schwester toll finden. Trotzdem kann man aber eine tolle Familie sein. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die kommende, spannende Zeit! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 10.06.2016