Was kann ich tun bei schreianfällen

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Was kann ich tun bei schreianfällen

Hallo..mein Sohn 13 Monate hat sowohl nachts als auch tagsüber Schreianfälle , habe gerade wieder einen mit ihm hinter uns . Es ist furchtbar anzusehen und ich weiß nicht was ich tun soll. Er lässt sich weder durch streicheln kuscheln auf dem Arm nehmen oder oder nicht beruhigen ich darf ihn dann kaum berühren den schnulli will er dann auch nicht. Ich bin jedesmal total fertig nach so einem Anfall und mach mir richtig sorgen . Er ist dann wie weg gestreten hysterisch ohne zu wissen was eigl los ist . Er hat schon von Baby an viel geweint und schläft auch noch immer nicht durch vor 3 Monaten war es noch so das ich jede Stunde bis alle zwei Stunden zu ihm musste . Mittlerweile geht es etwas besser. Was kann ich denn tun ? Ich möchte doch das es ihm gut geht diese Anfälle sind wirklich schrecklich weil man ihn nicht beruhigen kann. Er ist sonst sehr auf mich bezogen und dann ist es so das ich ihn nicht mal anfassen darf es zerreißt mir das Herz . Die Anfälle dauern zwischen 30-60 min dann schläft er oder es ist als wäre nie was gewesen . Zumindest für ihn , ich bin völlig erschöpft und fertig . Ist es was ernstes ? Können das noch schlimmere Anfälle mit folgen werden. Bitte heflt mir bin wirklich verzweifelt und habe Angst . Lg

von Mats200315 am 27.04.2016, 13:11


Antwort auf: Was kann ich tun bei schreianfällen

Liebe Mats! Schreianfälle können -je nach Temperament des Kindes - wirklich sehr beängstigend sein, doch gefährlich sind sie nicht. Selbst wenn ein Kind sich "wegschreit", also durch Hyperventilieren eine Art Pseudokrampf - bekommt, ist dies für gesunde Kinder nicht gesundheitsschädigend. Dennoch sollte man dies zur Abklärung immer auch dem Kinderarzt berichten. Stress hat Ihr Kind zwar, doch Schreien ist anders zu bewerten als wenn wir eine Stunde so brüllen würden. Wir haben andere Möglichkeiten und bei uns wäre es vielleicht wirklich ein ernstzunehmender (psychischer) Notfall, doch Kinder im Alter Ihres Sohnes haben das Problem, dass viel Neues mit sehr limitierten Ausdrucksmöglichkeiten verarbeitet werden muss. Wichtig ist bei derartigen Schreiattacken Ruhe zu bewahren und sich selbst den Druck zu nehmen, das Kind beruhigen zu müssen. Das können und müssen Sie nicht! Solche Attacken sind kein Zeichen davon, dass Sie etwas falsch machen und gute Elternschaft bedeutet nicht, immer ein freudestrahlendes Kind vorweisen zu können. Wenn ein Kleinkind sich erstmal in Rage geschrieen hat, ist es für äußere Maßnahmen, insbesondere verbale Ansprachen kaum noch empfänglich. Bei uns ist das ja ähnlich, auch wir brauchen einfach mal einen Moment zum Durchatmen und können bei Stress nicht richtig nachdenken. Also wenn ein Kind erstmal soweit ist, und selbst aufm dem Arm tobt und schreit, es am besten, sich mit etwas Abstand in Sicht- und Rufweite des Kindes zu setzen und abzuwarten, bis dass Kind von allein kommt und wieder signalisiert, dass es Nähe haben will. Seien Sie selbst ein gutes Vorbild und bleiben Sie gelassen. In der Anbahnung eines solches Anfalls kann noch ein Situationswechsel, Ablenkung oder Spiegeln („ach, du bist müde und magst jetzt gar nicht mehr angezogen werden“, „Na, du bist wütend, weil du so gerne die Schokolade willst“ etc.) doch das erfordert viel Fingerspitzengefühl und klappt auch nicht immer. Die Reaktionsspanne für Gegenmaßnahmen ist also relativ kurz. Sie werden sehen, so unvermittelt wie so eine Attacke kommt, so schnell geht sie auch wieder. Dann allerdings brauchen die Kleinen viel Rückhalt. Sie werden von ihren Emotionen manchmal geradezu überflutet und können noch gar nicht richtig einordnen, was da gerade mit ihnen passiert. Nach einer Attacke ist es daher umso wichtiger, Ihnen zu zeigen, dass alles in Ordnung ist, dass man sie noch lieb hat. D.h., auch wir Eltern müssen lernen zu akzeptieren, dass alle Emotionen ok sind. Ein Kind darf also ruhig auch mal ausflippen, wütend, toben. So kleinen Kindern stehen ja nun einmal wenig alternative Ausdruckmöglichkeiten zur Verfügung, und Emotionale Kompetenz und sozial angemessener Ausdruck von Emotionen ist ja etwas, was wir alle erlernen müssen und was nicht angeboren ist. Grundsätzlich ist es daher wichtig, den Ausdruck negative Gefühle nicht unterbinden zu wollen, auch wenn es unangenehm ist. Was aber auch durchaus legitim ist, sind Situationen mit besonders viel Sprengstoff von vorneherein zu vermeiden. Spätnachmittags etwas noch schnell einkaufen muss manchmal vielleicht sein, wenn man es vermeiden kann, sicherlich für alle entspannter. Viele solcher Attacken lassen sich nämlich auf ganz einfach Dinge (Hunger, Müdigkeit, Überreizung) zurückführen und vielleicht können Sie ja typische Auslöser identifizieren und sich das Leben etwas einfacher machen. Doch wenn es passiert: atmen Sie durch und seien Sie einfach da. Ihr Kind wird Ihnen zeigen, wenn es hochgenommen und getröstet werden will.In diesem Sinne: ruhig Blut und keine Panik. Zögern Sie jedoch nicht, sich vor Ort Hilfe zu holen, wenn Sie sich weiterhin fragen, ob alles in Ordnung ist. Solche Gedanken können sehr hartnäckig verhindern, dass man die nötige Ruhe und Gelassenheit überhaupt haben kann. Alles Gute für Sie! Herzlichst, Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 10.05.2016