Ständig Geschrei :(

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Ständig Geschrei :(

Guten Tag Frau Bentz, vielleicht haben Sie auch für meine Situation einen Rat: Meine beiden Mädchen sind rund 2 Jahre sowie 7 Wochen alt. Ständig ist Gebrüll, sie scheinen sich fast abzuwechseln. Dazu muss ich sagen dass meine 2jährige bisher nur bruchstückhaft spricht, sie versteht viel kann sich aber noch schwer verständigen. Wir stehen um 6:30 Uhr auf (die Kleine wird gg 6 Uhr gestillt) und um die Frühstückszeit die ich leider nicht ändern kann (die Große geht vormittags in Betreuung, mehr geht finanziell nicht) steigt zuverlässig wie ein Uhrwerk die Kleine so schlimm aus, dass nur die Federwiege hilft. Sie schläft ab 10 bis ca 1 Uhr- aber nur wenn wir außer Haus sind. Da mache ich Erledigungen, koche vor, putze usw. Zu Hause dann eben in der Tragehilfe unter Gebrüll. Dann wehrt sich die Große unter Heulen und Anhänglichkeit (Nur kurz Schmusen, noch mal, noch mal...) gegen den Mittagsschlaf. Auslassen ist keine Option, sie greint sonst über Stunden. Sobald ich diese "verarztet" habe ist die Kleine wach und den restlichen Nachmittag lang nur noch am Schreien. Sie döst mal kurz über Stillen oder im Arm weg, wach aber umgehend wieder auf wenn man sie ablegt. Ich habe keine 5 Minuten Ruhe. Sie wandert im Endeffekt von der Brust über kurz mal umschauen zu Geschrei und beruhigt sich erst nach geduldigem Rumgelaufe in der Tragehilfe. Ich habe den Eindruck dass sie nach max 1h inkl. 20 Min Stillen schon wieder müde ist, aber nie richtig lange ausser Mittags rein findet (wobei ich 3h echt lang finde für nen Mittagsschlaf). Beim Schreien macht sie sich steif, fuchtelt, kaut auf den Händen (will aber keine Brust) und hält die Augen geschlossen. Ich weiss am Ende nicht ob sie vor Erschöpfung oder Resignation schläft oder weil ich sie endlich zu dem gebracht habe, was sie eigentlich will - den Schlaf. Das geht bis zur Nachtruhe um 21 Uhr so. Den Papa, der bei der Großen immer Beruhigungsmittel No.1 war, nimmt sie schlecht an, schreit umso mehr. Bei mir kommen Müdigkeit (die Große schreit seit neustem unerklärlicherweise Nachts wieder bis zu 4x) und manchmal ehrlicherweise Wut und Frust zusammen. Ich beginne täglich aufs Neue geduldig und würde am liebsten am Nachmittag heulend davonlaufen oder mal ins Kissen beissen wenn die Große ihr Mittagsschlafding abzieht während Mini mir seit Stunden gefühlt pausenlos ins Gesicht brüllt oder über Stunden wie ein Stein im Tuch hängt - Rückenschmerzen :( Ich kann leider aufgrund der quirligen Großen nie und nimmer für totale Ruhe für unsere Mini sorgen, zumal gelegentliche Spieltreffs, Spaziergänge, Einkäufe und Besuch einfach sozial unvermeidlich sind und ich sonst (bitte entschuldigen Sie) vollkommen "blöd im Kopf" werde wenn ich nicht mehr unter Leute komme ... Es fehlt auch leider eine Familie vor Ort: Meine Eltern leben weit weg, zu den Schwiegerleuten haben wir kaum Kontakt. Mein Mann arbeitet lange und kümmert sich liebevoll um die Kids, steht aber dem ständigen Geschrei der Kleinen auch hilflos und zunehmend genervt gegenüber. Meine Große kann das leider nicht in Worte fassen, leidet aber meines Erachtens unter der Situation, da der Nachmittag ständig von ihrer Schwerster zerschrien wird. Ich kann nichts mit ihr zu Ende machen da die Kleine dauernd brüllt. Sie zieht sich oft zurück, sitzt weit von mir/uns weg und schaut mich und mein schreiendes Tragetuch mit großen Augen an. Zu ihr hinsetzen ist fast undenkbar da die Kleine sonst wieder schreit. Ich beziehe sie viel rund ums Baby mit ein und versuche mir Zeit freizuräumen, aber das misslingt immer (selbst wenn der Papa da ist, da sie einfach nicht bei ihm zur Ruhe kommt. Und Schlafpausen am Nachmittag macht sie ja kaum oder nur minutenweise). Ich könnte heulen so leid tut mir das für die Große. Haben Sie irgendeine Idee wie ich unsere Situation verbessern kann? Ich bin nervlich ziemlich angespannt und rette mich nur noch mit "sobald sie sitzen kann / Beikost isst / usw" wird alles besser... Denken Sie auch, dass ein Geschwister-Schreikind die Bindung meiner Großen zu mir schädigen kann? Wie Kriege ich mehr Ruhe rein (wir verlassen aber schon jetzt nur seltenst nachmittags das Haus)? Herzliche Grüße!

von Mama Halblang am 05.10.2015, 21:57


Antwort auf: Ständig Geschrei :(

Liebe Mama Halblang, uff, von Erholung im Wochenbett kann bei Ihnen ja nicht die Rede sein. Trotzdem: erstmal herzlichen Glückwunnsch zur Geburt Ihrer zweiten Tochter. Auch wenn Sie sich vielleicht manchmal wünschten, die Zeit zurückdrehen zu können, kann ich Ihnen versichern, es wird besser! Rein statistisch haben Sie jetzt schon gut die Häfte geschafft, denn die allermeisten Kinder hören mit ca. 12 -16 Wochen auf mit dem Gebrüll. Es gibt also Hoffnung! Doch wie können Sie nun diese schwere Zeit möglichst gut überstehen? Das Allerallerichstigste in Ihrer Lage ist es, dass Sie sich Hilfe und Unterstützung holen. Wenn das wie bei Ihnen eben nicht in der Familie geht, müssen Personen von außen herangezogen werden. Viele Familien sind in vergleichbar schwierigen Situationen, weshalb es auch wirklich viele Hilfsangebote gibt. Ich höre immer wieder von Eltern, dass sie keine Möglichkeiten hätten, sich Hilfe zu holen, doch dies ist eine Fehlinformation. Nicht nur, dass Sie einen Anspruch auf Unterstützung haben, sowohl die Behörden als auch zahlreiche Vereine haben das Thema "Hilfen für junge Familien" seit den letzten Jahren mehr und mehr im Blick. Es gibt also Hilfe, man muss sich manchmal eben nur trauen, sie in Anspruch zu nehmen. Rufen Sie doch heute man bei den Frühen Hilfen oder beim Jugenamt an und schildern dort Ihre Situation. Alternativ können Sie sich auch an den örtlichen Kinderschutzbund wenden, der sich in Ihrer Region gut auskennt und sicher viele hilfreiche Andressen für Sie hat. Alternativ würde ich vorschlagen, dass Sie doch nochmal prüfen, ob nicht als Überbrückung die Möglichkeit besteht, ihre Große länger betreuen zu lassen. Fragen Sie doch beim Jungendamt nach einem Zuschuss und erkundigenen Sie sich in Ihrer Einrichtung, welche Möglichkeiten bestehen. Es wäre ja schon hilfreich, wenn Sie 6-10 Wochen mal nur die Kleine zu Mittag hätten und Ihre Große vielleicht gegen 14:30 abholen. So käme vielleicht auch sie besser zu ihrem Mittagsschlaf, da dort kein kleiner Brüller stört. Meistens klappt Mittagsschlaf in der Kita oder bei der Tagesmutter erstaunlich gut. da hilft einfach die Gruppe und der geregelte Ablauf. Vielleicht suchen Sie sich zudem auch einen zuverlässigen Babysitter / Leihoma, der / die Ihnen die Kleine mal für 1-2 Stunden am Wochenende oder in den kritischen Zeit abnehmen kann oder einfach als helfende Hand da ist. Das kostet nicht die Welt und der Kinderschutzbund hat in vielen Orten entprechende Adressdateien Darüber hinaus würde ich auch vorschlagen, dass Ihr Mann wirklich einmal überlegt, wie er vielleicht übergangsweise etwas weniger arbeiten kann. Ein offenes Gespräch mit dem Vorgesetzen hilft da meist ganz viel, denn einen bewährten Mitarbeiter möchte man ja nur ungern verlieren. Unterstützung ist also das A & O und sollte auf Ihrer Prioritätenliste ganz oben stehen! Sie ist die Basis, damit Sie überhaupt die Kraft und Energie haben, etwas zu ändern, denn Änderungen bedeuten immer zunächst mehr Anstregung, Unruhe und Aufregung. Es ist daher auch nicht egoistisch, für Entlastung zu sorgen, sondern ein Zeichen für Verantwortung. Man kann und muss nicht immer alles allein schaffen und keinem in Ihrer Familie nützt es, wenn Sie ausbrennen! Niemand muss unnötig leiden und es ist kein Zeichen einer guten Mutter, dass sie sich aufopfert - auch wenn dies von außen manchmal so suggeriert wird (stell dich nicht so an) oder man sich selbst diesen Druck aufgrund falscher Idealen macht. Hinzukommt dass die größte Quelle für Ruhe bei Kindern die Ruhe der Eltern ist. Doch wie wollen Sie Ruhe spenden, wenn Sie völlig erschöpft sind? Diese Erschöpfung führt ja gerade dazu, dass wir uns in Teufelskreise hineinmanövrieren, um eben nur eine Sekunde Ruhe zu haben. Daher probieren Eltern am Limit ja auch alles Mögliche aus, und sorgen dabei unbeabsichtigt für nochmehr Unruhe. Überlegen Sie sich daher auch, wie Sie Schreiphasen gut überbrücken können. Wenn es Ihnen hilft, draußen zu sein, machen Sie das! Isolation ist bei aller Liebe zur Reizabschottung weder notwendig noch hilfreich. Versuchen Sie auch mal Ohrenstöpsel zu benutzen, dann ist das gefühl, den ganzen Tag angeschreit zu werden, nicht mehr so stark. Ansonsten gibt es hier im Forum unter Tipps Schreibaby zahlreiche Empfehlungen zu nachlesen. Doch nochmal: Sie müssen erst die Basis für Veränderungen schaffen, sprich einen möglichst geregelten Tageablauf mit regelmäßigen Ruhepausen, gleichförmigen Beruhigungsmaßnahmen und Ritualen, festen Zeiten und eben Struktur, Struktur, Struktur. Ihr Baby schreit nicht, weil Sie ein schlechte Mutter sind. Es schreit, weil es von allein Schwierigkeiten hat, einen Rhythmus zu entwickeln und sich den erforderlichen Schlaf zu holen. Je routinierter und ruhiger, je weniger Maßnahmen und Methoden - desto besser! Doch das ist schwer umzusetzten, wenn man einfach nur noch mürbe ist. Zum Abschluss noch eines: natürlich stecken Sie in keiner paradisischen Situation. Doch machen Sie sich deswegen keine Vorwürfe! Krisen sind da, um bewältigt zu werden und selbst kleine Kindern haben schon gute Fähigkeiten, unbeschadet aus solchen Situationen herauszukommen, wenn man ihnen immer wieder vermittelt, es ist jetzt alles nicht so schön, aber wir lieben dich, wir schaffen das! Die Menscheit wäre sicher schon ausgestorben, wenn Perfektion für die Entwicklung unser Kinder erforderlich wäre. Ich drücken Ihnen daher sehr die Daumen, dass Sie schnell Hilfe finden! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 07.10.2015


Antwort auf: Ständig Geschrei :(

Ein Vorschlag der bei uns (Schreihals jetzt 6 Monate, Grosser 5 Jahre) klappt. Leg dich mit beiden zum Schlafen hin. Vielleicht wehrt sich die Grosse dann nicht so und die Kleine schläft mit dir daneben gut. Und du bekommst auch mal etwas Ruhe.

von jannismumq am 22.10.2015, 01:02