Schreien beim Babysitter

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Schreien beim Babysitter

Hallo! Mein Sohn ist zwar kein Schreibaby, aber meine Frage dreht sich ums Thema Schreien. Er ist jetzt 4,5Monate alt und seit vier Wochen lassen wir jeden Montag abend den 17jährigen Halbbruder auf unseren Kleinen aufpassen. Wir sind dann 1,5Std beim Training. Nach etwa 45min kommt dann die SMS "Er schreit und hört nicht auf." Ich habe ein schlechtes Gewissen meinen kleinen Sohn schreien zu lassen (obwohl er ja nicht alleine ist). Mein Mann sagt er muss sich dran gewöhnen, dass auch mal andere als Papa und Mama trösten. Was sagt die Expertin? Reicht es, dass der große Bruder da ist? Die beiden sehen sich zweimal die Woche. Und es sieht nicht so aus als ob sich unser Kleiner von ihm trösten lässt.... Oder machen wir hier einen Fehler? Herzliche Grüße, Nordlys.

von nordlys am 02.11.2015, 21:01


Antwort auf: Schreien beim Babysitter

Liebe Nordlys, aus der Ferne ist Ihre Frage tatsächlich nicht leicht zu beantworten. Es würde mich vor allem interessieren, was der Halbbruder dazu sagt, wie er die Situation einschätzt, ob er das gern und freiwillig macht, wie er mit dem Schreien umgeht etc. Allgemein ist die Betreuung eines klienen Säugling natürlich schon eine große Verantwortung. Ob man diese dem Halbbruder zutrauen kannund sollte, kann ich nicht beantworten. Auf jeden Fall fände ich wichtig, sich bewusst zu machen, dass ein schreiender Säugling eine extreme Belastung darstellt und man charakterlich entsprechend fest sein muss. Dabei ist gar nicht primär das Alter so entscheidend - ich kennen 17-Jährige die weitaus liebevoller und umsichtiger sind als viele 30-Jährige. Dennoch waren es die traurigen Fälle, wo überforderte Babysitter oder Au-pairs Babys zu Tode geschüttelt haben, die in den USA zu der ersten Aufklärungskampagnen über das Shaken Baby Syndrome geführt haben. Das heißt natürlich nicht, dass dies nur bei Fremdbetreuung auftritt! Ich kenne keine Zahlen, doch vermute dass allein aufgrund des häufigeren Kontakts Eltern auch häufiger die Verantwortlichen für ein solches Drama sind. Was ich jedoch sagen möchte ist, dass man Babysitter - vor allem junge Menschen, die noch keine Kinder haben und entsprechend auch weniger Erfahrung und Hintergrundwissen, über die Gefahr des Schüttels aufklären muss. Auch sollte man besprechen, wie man richtig reagiert, wenn man kurz davor steht, die Kontrolle zu verlieren (= Kind an einem sicheren Ort hinlegen und sofort raus aus dem Zimmer, sich beruhigen und ablösen lassen). Wichtig finde ich daher auch, dass Ihr Babysitter im Notfall auch um Ablösung bitten darf, ohne dass er mit negativen Konsequenzen oder Ärger rechnen muss. D.h. Sie sollten natürlich auch bereit sein, sofort alles stehen und liegen zu lassen, wenn er mal nicht mehr können sollte. Gleichsam sollte er wissen, was er tun sollte, wenn Ihr Baby schreit. Ich würde hier empfehlen, dass er sich neben Ihren Sohn kuschelt oder ihn trägt, gern im Tuch und ggf. mit Ohrenstöpseln, um selbst ruhiger zu bleiben. Allein schreien lassen sollte er ihn aber nicht - außer eben in den beschriebenen Notsituationen! Er darf natürlich auch Sachen anders machen als Sie! Das ist für Babys - auch für so junge - i.d.R. kein Problem, denn sie verfügen schon früh über die Fähigkeit zwischen Personen zu differenzieren. Wenn diese Dnge alle geregellt sind und zudem ein offenes, vertrauliches Klima zwischen Ihnen und dem Halbbruder besteht, er Spaß an seiner Aufgabe hat und sich dem gewachsen fühlt, spricht nicht dagegen! Genießen Sie ihr Training! Für Ihr Kind ist es wichtig, dass es nicht allein ist und dass nichts Schlimmes passiert, wenn Sie mal nicht da sind. Zudem sollte ein so junges Kind nicht durch zu viele wechselnde Gesichter irritiert werden, doch das ist ja bei Ihnen nicht der Fall! Ich persönlich bin daher durchaus für einen - wohldosierten(!) Umgang mit einen festen, verantwortungsbewussten und liebevollen Babysitter. Nicht nur, dass er für entspanntere und zufriedenere Eltern sorgt, es gibt sogar Hinweise, dass Kinder von der Erfahrung, dass auch andere sich lieb kümmern, mehr Sicherheit und Zuvertrauen in die Welt gewinnen können. Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 03.11.2015


Antwort auf: Schreien beim Babysitter

Liebe Frau Bentz! Tausend Dank¨, dass Sie sich die Zeit genommen haben so ausführlich zu antworten! Sie haben mir wichtige Anregungen gegeben (nämlich das Thema "Belastung durch Schreien" noch mal konkret anzusprechen) und gleichzeitig Mut gemacht nicht sofort aufzugeben. Der Sohn meines Mannes ist ein ruhiger, besonnener und reifer junger Mann. Und wir möchten durch die Babysitter-Aufgabe natürlich auch die Bindung zwischen den Halbgeschwistern stärken. Wir haben ihm einige Tips gegeben wie man den Kleinen trägt und beruhigt. Und er weiss auch, dass er ihn nicht alleine schreien lassen soll. Wenn mein Mann und ich weg sind, haben wir immer das Telefon an und sind nie weiter als 15min von zuhause entfernt. (Wir sind auch am letzten Montag sofort vom Sport aufgebrochen und nach Hause als wir die sms bekamen.) Für mich ist es das erste Kind und da möchte frau natürlich alles richtig machen... ;-) Ich habe soviel darüber gelesen, dass Babys beim Schreien Cortisol produzieren und dass das schädlich sein kann. Dem möchte ich meinen Sohn natürlich nicht unnötig aussetzen. Aber ein Kind was nur Mama und Papa akzeptiert, ist auch nicht mein Wunsch. Ich bedanke mich nochmals für Ihre lange Antwort! Sie leisten eine gute und wichtige Arbeit für viele Eltern! Danke!

von nordlys am 04.11.2015, 19:48