Schreibaby?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Schreibaby?

Hallo liebe Frau Betz, mein Sohn ist jetzt 9 Tage alt. Schon im Kreißsaal ließ er sich nur schwer beruhigen und seitdem ist er jede Nacht länger wach und schreit sehr viel. Zuletzt von 22.00 Uhr bis 3.00 Uhr. Wobei er nicht ununterbrochen schreit, aber doch lange und immer verzweifelter. Momentan ist mein Mann noch zu Hause, so dass ich Unterstützung habe. Allerdings wird er ab Anfang März wieder arbeiten. Ich habe noch eine kleineTochter, die ich an Dr. Posths Grundgedanken orientiert erziehe, von denen ich bisher sehr überzeugt war. Am Tag ist mein Sohn bisher recht entspannt. Doch habe ich große Sorge, dass sich das noch ändert. Jedes Weinen verursacht momentan Angst und Stress bei mir und ich will es sofort und schnell abstellen. Nun bin ich sehr zerrissen und habeAngst vor März. Ich frage mich wie ich alles auf die Reihe kriegen soll...Haushalt, Spielgruppe für meine Tochter,meiner Tochter genug Aufmerksamkeit zukommen lassen und dabei meinen Sohn nach Dr. Posths Maßstäben gerecht werden, bzw. ihn nach dr Regulationsstörungstheorie wenigen Reizen und klarer Routine aussetzen. Zudem frage ich mich wer Recht hat, die Vertreter der Regulationsstrungstheorie oder Dr.Posth...woran soll ich mich da halten? Ich möchte nichts falsch machen und weder meinen Sohn fürs Leben mit einem Päckchen belasten noch meine Tochter. Die Theorie, dass es sich um eine Kommunikationsstörung zwischen Eltern und Säugling handelt belastet mich zusätzlich. Ich bin zerissen zwischen Theorien und schlechtem Gewissen meinen Kindern gegenüber....oder hat mein Sohn doch organische Probleme...die 3 Monatskoliken, die alle leugnen, bis auf Dr.Posth, der selbsthergestelltes Ila-Med verordnet hat. Muss ich jetzt irgendwie versuchen dieses Medikament zu organisieren? Entschuldigen Sie meine Gedankensprünge, aber ich bin momentan überfordert und sehr verunsichert. Vielen Dank und viele Grüße Nina

von nina229 am 15.02.2016, 10:38


Antwort auf: Schreibaby?

erstmal: herzlichen Glückwunsch zur Geburt! Auch wenn Sie sich jetzt sehr viele Gedanken machen und sich vielleicht überfordert fühlen - Sie haben Ihre zweite Geburt hinter sich und großartiges geleistet. Dass trotzdem die Nerven blank liegen ist insbesondere im Wochenbett nicht ungewöhnlich. Dies heißt aber nicht, dass Ihre Fragen unberechtigt sind! Ich glaube, viele Eltern sind hin und hergerissen und stellen sich ebenfalls die Frage, wer den Recht hat. Zudem kollidieren sehr hohe Erziehungsideale oftmals mit dem Alltagsleben, so dass viele Eltern sich inkompetent und hilflos fühlen und sich gar nicht mehr trauen, eine eigene Position zu finden. Hinzu kommt bei Ihnen vielleicht jetzt noch durch die Hormone verstärkt Zweifel, es mit zwei Kindern zu schaffen. Es ist ja auch wieder alles neu und Sie müssen sich erst kennenlernen und im Alltag zurechtfinden. Widersprüchliche Gefühle und Ängste sind daher normal – Sie sollten sich deshalb nicht verurteilen! Zu Ihrer Frage, wer Recht hat: Sie werden es geahnt haben, auch Ihnen kann Ihnen diese Frage nicht beantworten. Ich könnte jetzt mit wissenschaftlichen Erkenntnissen hin und her argumentieren, doch letztendlich hat jede Theorie, jede Methode, jeder Ansatz Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken, Vor- und Nachteile. Doch eines können sie alle nicht: Kinder erziehen! D.h. die Hauptaufgabe macht kein Experte für Sie! Es ist sicher gut, sich ein Grundgerüst an Informationen zuzulegen, doch letztendlich müssen Sie es leben (können). Was ich grundsätzlich schwierig und wenig hilfreich finde ist Dogmatismus. Ich persönlich werde immer dann misstrauisch, wenn isolierte Befunde herangezogen werden um eine "einzig wahre, gute und förderlichen Weg zu postulieren und zwar egal von welcher Richtung die Infos kommen. Dies suggeriert ein Allheilmittel, was so aber nicht existiert. Dafür sind Kinder und Ihre Eltern einfach zu unterschiedlich. Eltern wollen allerdings genau oft dieses Allheilmittel bzw. eine 1 zu 1 Anleitung haben, weshalb der Elternratgebermarkt ja auch riesig ist. Geht heute überhaupt noch was ohne Ratgeber oder entsprechende Kurse? Fakt ist, die menschliche Psyche verlangt nicht nach Perfektion! Selbstredend passiert viel in den frühen Jahren, natürlich wissen wir um Bindung und respektvolle, gewaltfreie Erziehung und Förderung - doch gleichsam braucht es kein Diplom um Kinder psychisch gesund groß zu ziehen. Vertrauen Sie daher mehr Ihrem Gefühl, auch wenn das mal nicht lehrbuchkonform ist. Und wenn Sie noch was lesen wollen, was Ihnen Ihre Ängste vielleicht etwas nimmt, googeln Sie mal „good enough parenting“… Und was Ihren Kleinen angeht: mit neun Tagen ist es noch viel zu früh, um sich solche Gedanken zu machen. Wahrscheinlich ist sein Tag-Nacht-Rhythmus noch nicht synchron zur realen Zeit. Das wird sich aber schon bald ändern. Achten Sie auf Ruhe (auch bei sich“) und lassen Sie sich Sachen abnehmen. Sollte es Ihnen zu viel werden und kann in der Familie niemand aushelfen, so ist vielleicht das das Projekt wellcome (www.wellcome-online.de) etwas für Sie. Und denken Sie daran, Wochenbett heißt nicht umsonst Wochenbett! Erholen Sie sich gut! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 17.02.2016


Antwort auf: Schreibaby?

Entschuldigen Sie, da ist mir ein"n" abhanden gekommen. Ich meinte natürlich Fr. Bentz, nicht Fr. Betz :)

von nina229 am 16.02.2016, 00:49


Antwort auf: Schreibaby?

Liebe Frau Bentz, vielen Dank für Ihre aufbauenden und herzlichen Worte, die mir schon sehr weitergeholfen haben. Sie haben Recht. Ich werde mich um weniger Perfektionismus und Dogmatismus bemühen und lernen auf mein Gefühl zu hören. Aber jetzt gehen wir es erstmal langsam an :) Herzliche Grüße Nina

von nina229 am 18.02.2016, 00:37