"Schreibaby" findet tagsüber nicht in den Schlaf

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: "Schreibaby" findet tagsüber nicht in den Schlaf

Hallo Frau Dr. Bentz, meine Tochter ist gerade 6,5 Wochen alt. Seit mehr als drei Wochen schreit sie extrem viel. Anfangs nur abends 1-3 Stunden,mittlerweile auch tagsüber, wenn sie gerade nicht gestillt wird. Da mein Mann nach der Elternzeit wieder voll arbeitet,empfinde ich die Situation als sehr belastend. Unsere Kleine ist sehr neugierig und findet tagsüber kaum in den Schlaf. Im Kinderwagen schreit sie wie am Spieß bis wir sie rausnehmen. In der Trage hat sie anfangs gut geschlafen, mittlerweile geht das nur noch, solange ich mich bewege. Bleibe ich stehen oder setze ich mich hin,wacht sie sofort auf. Keine Schlafphase ist mehr länger als 30 Minuten. Abends ist sie dann so überreizt,dass sie über Stunden schreit und sich einfach nicht beruhigen lässt. Durch einen Anruf bei der Schreiberatung haben wir den Hinweis bekommen,sie ca alle 1.5 Stunden schlafen zu legen. Konkret heißt das, ich gehe mit ihr ins abgedunkelte Schlafzimmer, pucke sie (anders schläft sie gar nicht mehr) und stille sie dann in den Schlaf. Wenn ich Glück habe, schläft sie ein. Man sieht auch dass sie wirklich ziemlich müde ist. Leider wacht sie nach 30 min. wieder auf. So geht das schon seit einiger Zeit. Ich weiß einfach nicht,wie ich sie zum Schlafen kriegen soll. Nachts schläft sie entweder auf mir oder auf meinem Mann,dann schläft sie auch mal 4-6 Stunden am Stück. Tagsüber will sie nicht am Körper schlafen. Ich verstehe ja,dass sie soviel schreit,weil sie tagsüber so wenig schläft, aber ich weiß einfach nicht, wie ich ihr zu mehr Tagschlaf verhelfen soll. Auf dem Bauch liegen mochte sie am Anfang und hat so auch mehrere Stunden am Stück geschlafen, mittlerweile windet sie sich auf dem Bauch und schreit bis man sie wieder dreht. Ausflüge haben wir schon reduziert,weil sie danach eh nur schreit. Dabei würde ich gerne mal raus und bei einem Kurs andere Mütter treffen. Haben Sie eine Idee,wie ich die Situation verbessern könnte?

von IchWerdeMami2015 am 22.07.2015, 15:31


Antwort auf: "Schreibaby" findet tagsüber nicht in den Schlaf

Liebe IchwerdeMami2015! erstmal herzlichen Glückwunsch zur Geburt Ihrer Tochter! Auch wenn Sie sich vielleicht jetzt manchmal fragen werden, wie Sie das alles schaffen sollen, bin ich ganz sicher, dass Sie noch viel Freude mit Ihrer Kleinen haben werden. Manchmal ist der Start einfach schwierig und man trifft auf Unverständnis, wenn man nicht vor lauter Glück strahlt, müde, erschöpft und zeitweise einfach nur verzeifelt ist. Dies ist jedoch eher die Regel als die Ausnahme für frischgebackene Eltern. Gerade deshalb finde ich den Austausch mit anderen Eltern sehr wichtig! Isolation ist auch bei einem Schreibaby nicht notwendig. Gehen Sie also ruhig raus und treffen Sie sich mit anderen, wenn Sie das Bedürfnis haben - zusammen brüllt es sich manchmal doch leichter! Doch dies nur vorweg! Ansonsten: Den Tipp von der Schreiberatung, alle 1,5 Stunden eine Ruhepause einzurichten, ist eine gute Empfehlung! Leider tendieren Kinder mit diesen Regulationsschwierigkeiten dazu, sich selbst permanent zu überfordern und auch dann, wenn sie völlig erschöpft sind, keine eindeutigen Müdigkeitssignale zu zeigen, sondern - im Gegenteil - eher weiter nach allmöglichen Reizen zu suchen. Sie machen es also genau richtig! Halten Sie durch, selbst wenn sich zunächst keine Verbesserung zeigt und zwar aus folgenden Gründen: Ihre Tochter ist in einem Alter, wo es völlig normal ist, dass die Unruhe am Tag zunimmt, um dann wieder mit ca 12-16 Wochen abzunehmen. Es passiert jetzt einfach ganz viel. Gerade deshalb ist es wichtig, möglichst viel Routine in den Alltag zu bringen und sich nicht dazu verführen zu lassen, immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Veränderungen brauchen Zeit! Ich weiß nicht, wie lange Sie schon diese Pausen am Tag eingeführt haben, aber erst nach ca. 14 Tagen kann man sehen, ob sich Verbesserungen zeigen. Diese treten nicht immer urplötzlich auf, sondern vollziehen sich in kleinen Schritten. Manchmal übersehen wir diese kleinen Verbesserungen, so dass ich gern das Führen eines 24-h-Protokolls empfehle. Das Wichtigste ist aber, dass Eltern von Schreikindern sich bewusst machen, dass es - trotz guter und sinnvoller Maßnahmen - nicht immer gelingen wird, das Schreien abzustellen. Es liegt leider nicht immer daran, dass wir etwas richtig oder falsch machen. Das Phänomen Schreibaby ist sehr komplex und selbst Experten haben den Aus-Knopf nicht. Die allerwichtigste und erste meiner Empfehlungen lautet daher zu lernen, das Schreien besser zu ertragen und gemeinsam mit dem Kind Schreiphasen zu durchstehen. Machen Sie sich vom Druck frei, alles richtig zu machen - es wird Phasen geben, da schreit Ihr Kind - egal was Sie tun! Überlegen Sie sich daher, wie Sie diese Phasen besser aushalten: Vielleicht benutzen Sie Ohrenstöpsel und / oder vielleicht fällt es Ihnen leichter, wenn Sie nicht allein zu Hause sitzen, sondern mit dem brüllenden Kind in einen Park gehen? Vielleicht haken Sie aber auch bestimmte Uhrzeiten einfach innerlich ab, legen sich mit Ihrem Schatz hin und trösten sie, ohne die Erwartung zu haben, dass sie ruhig wird. Vorraussetzung ist allerdings,dass Sie- wenn nicht bereits geschehen - einmal kinderärztlich vorstellen. Es ist zwar selten, dass das Schreien rein organisch bedingt ist, aber es wäre blöd, wenn man was übersieht. Außerdem können Sie so beruhigter sein, dass es Ihrem Schatz gesundheitlich gut geht und sie keine Schmerzen hat, sondern einfach nur lernen muss, in dieser Welt anzukommen. Im Übrigen ist Schreien von Babys ein normales Verhalten und eben einziges Ausdrucksmittel- doch dies wird leider häufig vergessen. Natürlich haben Babys, die weinen, ein Bedürfnis, aber nicht in der Dramatik, die das permanete Weinen bei uns auslöst. Anders: auch wenn Ihr Baby herzzerreißend weint und brüllt, so ist dies anders als bei Erwachsenen zu verstehen. Nicht jedes Babygeschrei ist gleichzusetzen mit abgrundtiefer Verzweiflung, massiven Schmerzen, Panik o.ä., sondern mit Unwohlsein, Unruhe und Anspannung, die anders eben noch nicht ausgedrückt werden kann, etwa so, also ob Sie einen stressigen Tag auf der Arbeit hatten. Sprich: es passiert weder was Schlimmes mit Ihrem Kind während der Schreiphasen, noch nimmt es einen psychischen Schaden. Wichtig ist nur, dass Sie als Begleitung dabei sind, und ihr Ruhe und Trost spenden. Wir Eltern sind für die Kleinen der Spiegel, durch uns lernen sie Dinge emotional einzuordnen. Wenn wir ihnen signalisieren, es ist alles ok, ich bin bei dir, wein dich ruhig aus, dann spüren das die Kinder das. Ich möchte Ihnen daher mit auf den Weg geben, nicht zu sehr an sich zu zweifeln. Was Sie beschreiben, ist ein sehr liebevoller und feinfühliger Umgang! Fehler machen gehört zum Elternsein dazu und hat meiner Meinung nach auch noch aus keinem Kind, das nicht entsprechende Veranlagungen hat, ein Schreibaby gemacht! Viel Liebe, Kraft und Geduld! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 23.07.2015


Antwort auf: "Schreibaby" findet tagsüber nicht in den Schlaf

Vielen Dank für Ihre Antwort und die Anregungen. Dazu habe ich noch eine Frage. Mein Mann und ich haben uns mittlerweile dazu entschieden, bei Schreiphasen,diese mit ihr durchzustehen und ihr keine Reize (Trage, Wiegen,Kinderwagen etc.) mehr zu bieten. D.h. wenn sie schreit,nimmt einer von uns sie fest in den Arm (gepuckt,da sie sich sonst immer wieder hochschaukelt) und wartet dann ruhig sitzend mit ihr bis diese Schreiphase vorbei ist. Das ist emotional extrem anstrengend, aber wir haben festgestellt,dass sie sich so nachhaltiger beruhigt. Meine erste Frage: Ist pucken auch tagsüber okay? Wenn wir sie nicht pucken,wacht sie von ihren eigenen unruhigen Bewegungen immer wieder auf. Zweitens: Unsere Tochter hat nach dem Stillen immer eine Phase von ca. 15 bis 30 Minuten,in denen sie ruhig ist und sich um guckt, danach fängt jedes mal wieder die Schreiphase an. Im Anschluss daran schläft sie meist ein wenig. Nachts,also ab ca 0 uhr schläft sie ohnehin lange durch, daher haben wir da das Problem nicht. Ist es normal, dass sie nicht nur diese abendlichen Schreistunden hat sondern auch tagsüber immer wieder bis zu 1h am Stück schreit? Beim Kinderarzt waren wir schon, sie ist gesund.

von IchWerdeMami2015 am 23.07.2015, 15:57