Schreibaby: Durchschlafstörung mit 19 Monaten

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Schreibaby: Durchschlafstörung mit 19 Monaten

Liebe Frau Bentz, zunächst mein Kompliment: Ich lese Ihre Beiträge wirklich gerne und empfinde sie sowohl als herzlich als auch pragmatisch und hilfreich ohne dabei dogmatisch zu sein! Nun zu meinem Fall: Meine Zwillinge sind heute 19 Monate alt. Meine Tochter war ein Schreibaby, beide haben in den ersten vier Monaten nachts gar nicht geschlafen, dann führten wir ein festes Abendritual und Schlafenszeiten ein und es wurde deutlich besser. Mit ca. 10 Monaten haben wir bei beiden eine kurze Phase gehabt, in der das ins Bett bringen und Durchschlafen gar nicht klappen wollte und an zwei Abenden nach dem "Jedes Kind kann schlafen lernen" Prinzip zwei Abende/Nächte durchgehalten - mehr als zwei Stunden hat es nicht gedauert und wir sind alle fünf Minuten zum Beruhigen wieder rein gegangen. Meine Kinder schlafen von 7 bis 6:30 und mittags von 12-14 Uhr. Wenn wir sie ins Bett legen und für sie singen sind sie hellwach und können wunderbar alleine einschlafen - bisher zumindest. Das Einschlafen funktioniert auch weiterhin, das Durchschlafen macht nun schon seit drei Wochen mal mehr mal weniger Probleme. Es gibt keine Nacht mehr, in der sie sich nicht mindestens einmal lautstark melden. Manchmal ist nach 1-2 Minuten wieder Ruhe, manchmal müssen wir sie kurz aus dem Bett nehmen, beruhigen und dann wieder hinlegen. Ich habe allerdings das Gefühl, dass es immer schlimmer wird... Gestern Nacht sind wir X Mal hin, haben aber auch - wenn möglich - immer Mal wieder abgewartet, ob sie sich nach 3-4 Minuten von selbst beruhigen. Heute haben sie auch beim Mittagsschlaf Theater gemacht und mir graut es schon vor der Nacht... Ich frage mich nun, was eine sinnvolle Strategie ist? Denn alleine Einschlafen können sie schon seit Monaten, das Abendritual - bestehend aus Baden, Massage und drei Strophen "Schlaf Kindlein Schlaf" ziehen wir stoisch durch. Sollen wir es heute Nacht einfach á la "Jedes Kind kann schlafen lernen" machen? Ich habe das Gefühl, hoch nehmen und beruhigen macht es noch schlimmer im Sinne einer Erwartungshaltung: Wenn ich aufwache muss Mama/Papa her, sonst kann ich nicht weiterschlafen... Ich bekomme langsam das beklemmende Gefühl, dass es wieder so wird wie im Anfang, wo wir wochenlang keine Sekunde nachts geschlafen haben und zucke mit Herzrasen zusammen, sobald sich das Babyphone meldet. Zudem merke ich, dass ich selbst nicht mehr schlafen kann, da ich damit rechne sowieso jeden Moment wieder geweckt zu werden. Ich wäre Ihnen für einen Ratschlag wirklich dankbar. Herzliche Grüße

von Grottenolm am 06.08.2015, 16:41


Antwort auf: Schreibaby: Durchschlafstörung mit 19 Monaten

Liebe(r) Grottenolm, vielen Dank für das Lob - es freut mich sehr, dass Ihnen dieses Forum gefällt! Wie war denn die vergangene Nacht? Haben sich die Befürchtungen bewahrheitet? Abgesehen davon, dass die Temperaturen der letzten Tage nicht gerade einschlaffördernd waren, kann ich mich immer wiederholen: verwechseln Sie keine normalen zwischenzeitlichen Phasen mit der Krise, die sie zu Beginn hatten. Klar sind Sie alarmiert, kennen Sie doch die ewige Schreierei und den Schlafmangel bis zur totalen Erschöpfung. Allerdings haben Sie dies erfolgreich gemeistert, d.h. all das, was Sie jetzt brauchen, haben Sie schon! Struktur, Geduld, Ruhe und ein gutes Gespür für Ihre Kinder! Bleiben Sie dabei! Dass es mal zwischenzeitlich nicht gut läuft, kann viele Gründe haben, in den seltestens Fällen ist es jedoch so, dass Sie es mit einem echten Rückfall zu tun haben. Auch sollten wir Eltern von zwischenzeitliche Schwierigkeiten beim Schlafen nicht gleich reflexartig eine unmittelbare Handlungsnotwendigkeit ableiten oder denken, man mache etwas falsch. Manchmal sind es eben Dinge, die wir nicht in der Hand haben, wie etwa, dass Ihre Kinder mittlerweile mehr und mehr in das Alter von Dingen wie Schlafwandeln, Alpträumen oder Nachtschreck kommen oder durch ein Aufblühen der Fantasie sich zahlreiche "Gespenster" ins Kinderzimmer einladen. Ihre Kinder fühlen immer komplexer und können noch nicht so gut zwischen Realität und Fantasie unterscheiden. Hier hilft nur Ruhe bewahren! Sie haben doch ein gutes Gefühl: wenn Sie glauben, Ihre Kinder schreien sich ein, haben schlecht geträumt o.Ä. finde ich es durchaus nicht schlimm, wenn Sie mal kurz ins Zimmer gucken, um zu trösten. Die Angst, schlechte Gewohnheiten zu etablieren, finde ich nachvollziehbar, allerdings ist situationsangemessenes Verhalten ja durchaus legitim. Hier würden Ihre Beiden höchsten ableiten, dass Mama und Papa sofort kommen, wenn mal wieder ein "böser Gorilla" , "großer Hund" oder "ein Monster" im Zimmer war. Hierdurch würde keine schlechte Gewohnheit, sondern Sicherheit geschafft, wodurch sich die Situation meist schnell entschärft. Wenn Sie dagegen den Eindruck haben es ist eher ein Nörgeln oder Quengeln, das auf der Schwierigkeit, selbst wieder in den Schlaf zu finden, basiert, dannn fahren Sie wieder Ihr Programm mit regelmäßigen Zeitintervallen. Da Ihre Kinder durch das selbstständige Einschlafen schon über gute selbstregulative Fähigkeiten besitzen und allein einschlafen, spricht allerdings wirklich wenig dafür, dass sich alte Muster wieder einfahren. Zum Abschluss vielleicht noch eine Hilfe gegen das Kopfkino ("was ist, wenn es jetzt wieder losgeht...). - Sagen Sie sich immer wieder, dass es eine neue Situation ist, Sie Äpfel mit Birnen vergleichen: beides ist Obst, aber doch anders. - Schreiben Sie sich auf, was Sie schon alles mit Ihren Kleinen geschafft haben und vergleichen Sie früher mit heute (Was geht jetzt, was früher nicht ging, wieviel schlafe ich jetzt, wieviel früher etc.) - Schreiben Sie sich auf, was das Schlimmste wäre, was jetzt passieren könnte und überlegen Sie dann, was Sie bereits an erfolgreichen Dingen eingesetzt haben (s.o.) und - sorgen Sie für Entlastung! Zwillinge sind wirklich eine große Herausforderung. Selbst wenn Sie jetzt alles gut im Griff haben, haben Sie noch einiges an Schlaf und Ruhe nachzuholen. Sie müssen und sollten nicht alles allien schaffen. Wenn Ihre Kinder nicht bereits betreut werden, sollten Sie hierrüber vielleicht mal nachdenken und zumindest mal einen Babysitter am Wochenende organisieren, um sich etwas auszuschlafen. Hat man so etwas im Hinterkopf, ist es quasi wie ein Ziel, auf das man hinarbeiten kann somit lässt sich manches besser aushalten. Sie können ja mal Feedback geben, wie es so läuft. Wenn es nicht klappt, denken wir einfach nochmal neu. Ich drücke Ihnen auf jeden Fall die Daumen, dass der Sandmann bald einen besseren Job macht und schönere Träume verschenkt! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 07.08.2015