Schreianfälle während oder nach Besuch

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Schreianfälle während oder nach Besuch

Guten Tag Frau Dr. Bentz Unsere Tochter ist 11 Wochen alt und in der Regel ein sehr zufriedenes Baby. Ein ruhiger Tagesablauf sieht wie folgt aus: Schlafen (in der Nacht neben mir, durch den Tag auf mir oder in der Manduca) in unserem Bett spielen plaudern, stillen und dann wieder schlafen. Sie ist praktisch den ganzen Tag bei mir und erhält viel Nähe. Wenn sie gut gelaunt ist, lege ich sie für ca. 1/4 - 1/2 Stunde in ihr Bett zum Spielen (dann beginnt sie zu weinen). Die Wachphasen sind ca. 3/4 Stunden bis 1 1/4 Stunden. Beim Schlafen kommt es auch oft vor, dass sie 3 Stunden schläft mit kurzem Stillen dazwischen. Das heisst sie schläft sehr viel! Nun ist es so, dass ich ihr das nicht oft bieten kann. Wir haben seit der Geburt viele Arztbesuche und auch die sonstigen Besucher werden nicht weniger. (Sie hat seit Geburt viel Kontakt zu anderen Personen). Das heisst, ca. 4 Tage in der Woche haben wir Programm und da fängt das Problem an. Zu Beginn lächelt sie die Personen an und lässt sich auf den Arm nehmen. Natürlich möchten sie alle bespassen und halten. Das habe ich bereits eingeschränkt aber gerade bei den Grosseltern lässt es sich nicht umsetzten. Auch die Manduca ist keine Hilfe, da solange die Füsschen, Händchen und der Rücken gestreichelt werden bis sie wach wird -und dann darf man sie ja halten! Wenn wir auf Besuch sind oder Besuch haben, schläft sie somit über mehrere Stunden nicht. Ich vermute oder besser ich weiss, dass ihr das zuviel wird. Da sie sich nicht hinlegen lässt (Kinderwagen/Bettchen), hat sie keine Möglichkeit für eine Auszeit und ist Nonstopp unter "Beschuss". Sie fängt meist schon während dem Besuch oder spätestens danach an heftig zu schreien (mittlerweile mit Tränen) und lässt sich nicht mehr beruhigen. Wir kennen sie so nicht. Das bricht uns fast das Herz und ist für alle sehr anstrengend. Mittlerweile geschieht dies auch nach kurzen Besuchen oder Arztbesuchen. Ich mache mir nun Vorwürfe und habe für eine Woche Besuchssperre gesetzt (auch da meine Bitten "bitte Kind nicht wecken, bitte Kind seine Pausen lassen" "bitte Kind zurückgeben"nicht erhört wurden) damit wir uns erholen können. Die Grosseltern meinen nun, dass das falsch sei und sie sich daran gewöhnen muss und ich damit nur das Gegenteil bezwecke. Was soll ich tun? Bemuttere ich mein Kind zu fest und bin Schuld an dem Schreien? Wie gehe ich am besten vor, damit sie sich daran gewöhnt und es nicht noch schlimmer wird? Wie fahre ich nach dieser Woche am besten fort? Ich möchte sie ja nicht isolieren! Ich danke Ihnen für Ihre Antwort.

von memuell am 20.01.2016, 14:35


Antwort auf: Schreianfälle während oder nach Besuch

Liebe Memuell! nun, ich bin mir sicher, dass Sie unter meinen Lesern viele Neider haben, denn ein Baby mit einem hohen Schlafbedarf ist hier im Forum eher selten anzutreffen. Dennoch sehe ich das Problem und denke, dass das Thema Besuch und Baby wiederum ein "Konflikt-Klassiker" ist. Ich finde es dabei zunächst wichtig, sich einmal zu fragen, welche Motive Menschen haben, sich so zu verhalten. Sicher keine schlechten: Babys sind süß, man möchte sie instinktiv bekuscheln, tragen, hochheben. Viele sehnen sich nach der Zeit zurück, als die eigenen Kinder noch klein waren oder wünschen sich selbst sehnlichst ein Baby - alles soweit in Ordnung und nicht verwerflich. Probelamtisch wird es dann, wenn diese Wünsche dazu führen, dass die Bedürfnisse des Kindes und seine Grenzen nicht gewahrt werden - wie in Ihrem Fall! Ein schlafendes Baby solange zu streicheln und hochzunehmen bis es wach wird und schreit ist sicher nicht zum Wohle des Kindes und zeugt schlichtweg von Ignoranz und Egoismus. Es geht dann eben nicht mehr darum, dem Baby oder der Mutter etwas Gutes zu tun, sondern sich selbst. Den Vorwurf, Ihr Kind zu doll zu bemuttern und es zu stark abzuschirmen würde ich mir daher nicht gefallen lassen. Schließlich sind es ja gar nicht Sie, sondern Ihr Baby was im Rahmen seiner Möglichkeiten (= Schreien) eben eine Grenze zu ziehen versucht. Das nicht zu respektieren ist Ihnen und dem Baby gegenüber wirklich dreist. Ein Kind ist kein Schmusetier und muss auch nicht durch zudringliche Kontakte an seine Umwelt gewöhnt werden. Es dahingehen erziehen zu wollen, ist völlig sinnlos! Wenn ein Kind müde ist, ist es müde - egal ob Oma gerade kuscheln will oder nicht! Es ist also völlig in Ordnung, wenn Sie hier ganz klar "Stop" sagen, denn Ihr Kind kann es ja nicht. Für die kindliche Entwicklung ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass auf die Bedürfnisse eines Babys promt reagiert wird. Zu diesen Bedürfnissen gehört auch klar Ruhe! Werden Siganale des Kindes einfach ignoriert, kann das einerseits zunächst dazu führen, dass ein Kind noch mehr aufdreht um Gehör zu finden, um im nächsten Schritt im Extremfallpassiv zu werden, weil es gelernt hat, dass es nichts nützt. Letzteres ist natürlich eher für schwere Fälle von Vernachlässigung und Misshandlung anzunehmen und gilt sicher nicht für Ihren Fall, aber es erklärt das psychologisch "Ungesunde" an so einem Verhalten. Sie dagegen machen alles richtig, indem Sie Ihrem Kind das geben, was es braucht - nämlich offenbar noch viel Ruhe und körperliche Nähe. Also: Vertrauen Sie auf sich und die Signale Ihres Kindes! Sie bestimmen, wann Spielzeit ist und wann nicht! Sie sehen, ich hab mich stellvertretend für Sie ein bisschen mitgeärgert. Vielleicht nehmen Sie etwas von diesem Ärger mit und seien Sie in Zukunft nicht ganz so nett! Setzten Sie klare Grenzen ("Ich möchte nicht, dass..., wenn ihr euch nicht daran halten könnt, muss ich euch leider bitten zu gehen / werde ich gehen"). Wenn man Kinder hat, wird es immer wieder Situationen geben, wo man sich als Eltern einfach zum Wohle seines Kindes durchsetzen muss (ob nun in der Kita, der Schule, bei den lieben Verwandten usw.). Dafür alles Gute und viel Erfolg! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 21.01.2016


Antwort auf: Schreianfälle während oder nach Besuch

Hallo, ich kenne diese Situationen der respektlosen, Willen-aufdrückenden Verwandtschaft und habe anfänglich den gleichen Fehler gemacht: Ich habe nicht im Sinne meines Kindes klare und sehr deutliche Grenzen gesetzt. Ich war als "Neu-Mama" unsicher und habe nicht auf mein Bauchgefühl gehört. Es war so, dass ich hinterher über meine eigene Unfähigkeit mein Kind zu beschützen und es vor Zudringlichkeit zu bewahren, weinen musste. Aber ich habe sehr schnell daraus gelernt, dass einzig und alleine meine Mutterintuition gilt und bin auf Konfrontation gegangen. Und gegenüber der Unverschämtheit anderer kann man/muss man sich wehren! Der Witz ist, dass solche Personen nicht dazulernen! Ich bekomme bald mein zweites Kind und die selben Personen versuchen tatsächlich jetzt schon wieder die gleiche Masche... Das schlimme ist, dass ich mich über eine solche Rücksichtslosigkeit immer noch aufrege. Ich kann Dir nur, wie Frau Dr. Bentz, ganz dringend dazu raten absolut konsequent und auch rigoros zu sein! DU musst DEIN Kind beschützen! Und wenn Du dies machst, brauchst Du Dich nicht zu rechtfertigen oder Dir ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen! Frau Dr. Bentz hat dazu eine tolle, direkte, aber professionelle Antwort geschrieben!

von CK18 am 24.01.2016, 00:00


Antwort auf: Schreianfälle während oder nach Besuch

Hallo, bei meinem Sohn (jetzt 1,5 Jahre) war es ähnlich. Er hat ein sehr hohes Schlaf und Ruhebedürfnis und brauchte anfangs viel Körperkontakt. Ich habe auf mein Bauchgefühl gehört und den Besuch von Anfang an einsgeschränkt und immer versucht einenTag Pause dazwischen zu lassen. Auch das ständige am Kind rumzupfen wenn es schläft habe ich sehr schnell unterbunden. Ich war manchmal vielleicht etwas streng mit unserem Besuch aber das war mir egal. Wenn wir mal 3 Tage hintereinander unterwegs waren oder Besuch hatten, hat er abends stundenlang geschrien. Es war ihm einfach zu viel. Hör auf dein Bauchgefühl, dein Kind wird es dir danken. Ich finde das übrigens sehr unverschämt von den Großeltern, sie sollten das Beste für Ihr Enkelkind wollen. Vielleicht sollest du mal klare Worte an sie richten. Lg

von Raphmin2607 am 26.01.2016, 12:28