Schlafprobleme Sohn (9 Monate)/schläft nur auf mir

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Schlafprobleme Sohn (9 Monate)/schläft nur auf mir

Ich möchte auch hier noch einmal mein Problem schildern, da ich denke, dass meine Frage hier besser passt. Unser Kleiner war zwar kein klassisches Schreibaby, hat aber dennoch die ersten 6 Monate viel geschrien, ist schon immer ein 24-h-Baby, unzufrieden, anhänglich und unruhig gewesen. Der Schlüssel bzw. das Problem liegt meiner Meinung nach im/am Schlaf. Er wirkt fast immer unausgeschlafen. Schon seit der Geburt haben wir das Problem, dass er nur auf mir schläft. In der ersten Zeit hat mich das nicht weiter gestört, da ich wusste, dass Neugeborene viel Nähe brauchen und er sich auch nur durch Nähe/Dauerstillen oder Tragen beruhigen ließ. Teilweise hatte ich ihn 24 h an der Brust. Dann so mit 2 Monaten haben wir angefangen ihn zwar weiter mit stillen/rumtragen in den Schlaf zu begleiten, dann aber in sein Bett (im Elternschlafzimmer) zu legen. Es hat oft Stunden gedauert und sehr viel Kraft gekostet, bis es geklappt hat. Immer wieder hat er beim Ablegen geweint, wir haben ihn wieder hoch genommen und es wieder versucht usw., dann hat er aber irgendwann wenigstens so drei/vier h am Stück geschlafen. Seit ca. drei Monaten geht aber auch das gar nicht mehr. Er schläft nur noch auf meinem Bauch (hat mittlerweile 10kg) und ich habe Bauch- und Rückenschmerzen und bin dauermüde, da ich schlecht schlafe. Er lässt sich auch nicht neben mich legen. Das betrifft den Tag und Nachtschlaf. Ich muss zudem immer mit ihm ins Bett und hocke 14h im Schlafzimmer. So langsam hätte ich gern wieder ein halbwegs normales Leben, zumal ich das Gefühl habe, dass ich auch seinen Schlaf ständig durch meine Bewegungen und Körpergeräusche störe. Haben Sie einen Tipp, wie wir vorgehen können, um ihn an sein Bett zu gewöhnen bzw. die Schlafsituation angenehmer zu gestalten? Wie gesagt, er wacht immer sofort wieder auf, wenn wir ihn versuchen dort abzulegen und fängt an zu weinen, will immer wieder zu mir/zieht sich hoch und streckt die Ärmchen nach mir aus. Auch so ist er ein unruhiger Schläfer, weint beim Abendritual oder wenn wir nur mit ihm ins Schlafzimmer gehen/den Schlafsack anziehen. Er wird auch oft schreiend wach und lässt sich schwer beruhigen, will immer wieder an der Brust nuckeln. Ich denke oft, dass er brustsüchtig ist, so lächerlich das klingt. Wir waren schon mehrmals bei zwei verschiedenen Osteopathen, beim Orthopäden - ohne Erfolg. Er nimmt keinen Nuckel und keine Flasche, isst meist drei Mahlzeiten (a 150g) am Tag, stillt noch sehr häufig. Wir leben sehr reizarm, der Tag ist meist strukturiert, wir haben ein Abendritual etc. Im Kinderwagen schläft er selten, meist schreit er auch hier und möchte auf den Arm. Im Tragetuch ist er zwar zufrieden, aber schläft nicht. Manchmal schläft er auch im Schaukelstuhl ein, aber auch da kann ich ja nicht weg. Wir wissen nicht mehr weiter - alles dreht sich nur noch um das Thema Schlaf und das seit fast einem Jahr. Wir erziehen ihn sehr bedürfnisorientiert und möchten ihn nicht schreien lassen. Mir ist unsere Bindung sehr wichtig. Ich bin aber mittlerweile sehr erschöpft und am Ende meiner Kräfte. Vielen Dank für Ihre Hilfe.

von Maiglöckchen2015 am 12.02.2016, 06:22


Antwort auf: Schlafprobleme Sohn (9 Monate)/schläft nur auf mir

Liebe Maiglöckchen!, Ich bin sehr froh das Sie diese Frage gestellt haben, denn sie ist sehr typisch für eine neue Form von Eltern, die sehr belesen sind, sich sehr viele Gedanken über Kindeserziehung und Bindung machen und verzweifelt nach einem Weg suchen, wie sie den Bedürfnissen Ihre Kind gerecht werden können ohne selbst auszubrennen oder Amok zu laufen. Ich denke, dass vieles von diesen Problemen durch eine zu rigide, wenig flexible und missverstandene Vorstellung von Bindung gefördert wird. Sicher verlangt der Aufbau von Bindung ein feinfühliges Reagieren auf die kindlichen Bedürfnisse. Doch was genau heißt das? - Heißt da, dass ein Kind nie weinen darf? Ich denke nicht. Wohlgemerkt: ich rede NICHT vom stundenlang alleine schreien lassen. Wenn aber ein Baby einfach mal hundemüde, überreizt oder überfordert ist, hat es nun mal keine anderen Ausdruckmöglichkeiten. Es immer wieder von diesen Zuständen abzulenken, führt es immer weiter weg vom Gefühl für sich selbst, so dass Dinge wie „Stopp – ich bin müde, ich will Ruhe, ich mag nicht mehr!“ (sinnbildlich gesprochen) für das Kind nicht mehr erfahrbar sind. (Ähnlich wie ein Manager, der immer weiter aufdreht und gar nicht merkt wie fertig er ist und in Ruhe wirklich gar nicht mehr zur Ruhe kommen kann. Manchmal muss ein Kind einfach im Weinen begleitet werden. Es braucht dann Mama oder Papa um sich anzukuscheln und zu trösten, nicht aber um dauerbespaßt, dauergeschuckelt oder dauergestillt zu werden. - Was heißt überhaupt Bedürfnis? Ein Kind hat unbestritten ein hohes Bedürfnis nach Nähe, nach körperlichem Kontakt. Doch es hat auch ein Bedürfnis nach Schlaf. Wenn nun das eine das andere behindert, läuft irgendwas schief. Konkret, wenn Ihr Kind nur auf Ihrem Bauch schläft und dann auch noch trotzdem schlecht, muss man sich fragen ob es wirklich ein natürliches Bedürfnis Ihres Kindes ist oder schlicht eine Gewohnheit? Nähe und Zuwendung können Sie Ihrem Kind auch anders geben, so dass Sie beide damit gut fahren. - Heißt Bedürfnisbefriedigung totale Aufopferung? Wenn dies so wäre, wäre die Menschheit vermutlich ausgestorben. Selbstredend muss man sich als Eltern eines kleines Kindes klar sein, dass man auf einiges vorerst verzichten muss und mit seinen Bedürfnissen oft hinten ansteht, doch sicher nicht soweit, bis gar nichts mehr geht. Es geht bei Baby nicht um Grenzen setzen im Sinne von Erziehung, doch im den sorgsamen Umgang mit den eignen Ressourcen und Kräften. Es ist daher nicht nur völlig in Ordnung, sondern auch erforderlich, dass Sie als Eltern nur Dinge machen, die sie längerfristig auch leben können. Natürlich können Sie ein krankes oder eben von einem schlechten Traum aufgewühltes Kind mal auf Ihrem Bauch schlafen lassen, doch sind keine schlechte Mutter, wenn Sie dies nicht als Dauerzustand anbieten. Übrigens. Die negativen Effekte einer Erschöpfungsdepression bei Müttern auf die Kinder sind deutlich und sicher bedeutsamer als der Stress, den ein Kind hat, wenn man es neben sich anstatt auf sich legt. Ich denke, dass Sie eigentlich wissen, dass Sie in eine kleine Sackgasse geraten sind. Vermutlich trauen Sie sich nicht, diese zu verlassen, da Sie einfach Angst haben, Ihrem Kind zu schaden. Die Crux ist, kein Experte – ich eingeschlossen – kann Ihnen den perfekten Weg für Ihre Familie zeigen. Das ist aber auch gar nicht nötig, denn Sie kennen sich und Ihr Kind und können deshalb vernünftige, feinfühlige und funktionierende Entscheidungen für sich und Ihr Kind treffen. Da bin ich sicher! Wenn Sie dann ein paar Tipps brauchen, können Sie hier mal stöbern. Doch Herz und Kopf muss erstmal abgeholt werden. Viel Erfolg! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 15.02.2016