Schlafen

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Schlafen

Hallo Fr Bentz! Mein Sohn, 15 Monate, war kein Schreibaby aber ich hoffe sie können mir trotzdem helfen! Anfangs hatte er ca 3x/Woche ca 20 min in denen er mit Pause schrie 'schreien - mich anlächeln - schreien'. Er war ein sehr sensibles und zurückhaltendes Baby, musste viel getragen werden, forderte ständig körperkontakt, fremdelte mit 3,5 Monaten schon heftig. Wir schlafen im Familienbett. Ich habe seine Bedürfnisse soweit irgendwie möglich erfüllt. Wenn er am Tag mal 30min insgesamt weinte war/ist es viel. Er ist ein absoluter Sonnenschein und hat seine Ängstlichkeit weitestgehend abgelegt und ist sehr aufgeschlossen und erforscht seine Umwelt. Meine Probleme sind nur dass er nach ca 60 min wach wird und weint/schreit. Dies hat er seit er 4 Monate alt ist! Anfangs schrie er ca 10-15 min ohne sich zu beruhigen. Mittlerweile weint er, ich komm ins Zimmer, spreche ihn an und er ist sofort ruhig. Dann leg ich mich zu ihm (wie beim einschlafen) und er schläft binnen kürzester Zeit weiter. Festes Einschlafritual haben wir schon lange bzw schläft er an mich gekuschelt in max 15 min ohne weinen ein. Können Sie mir sagen warum er das macht und wie ich ihm helfen kann dieses abendliche weinen "abzulegen" oder ist das normal? Mein zweites Problem ist dass er nachts ca 3x/Woche 2-3h wach ist! Er liegt dann bei mir gekuschelt bzw wälzt sich hin und her und versucht einzuschlafen! Phasenweise hat er auch schon fast durchgeschlafen (Flasche mit ca 170ml pre um 20/23 Uhr, nachts 1 Flasche wird gerade langsam entwöhnt). Nachts wach ist er ca 2 Wochen/Monat oder mehr. Es gibt aber kein Muster an welchen Tagen er wach liegt. Egel ob früh oder spät ins Bett, egal ob wir was unternommen haben oder nicht... Können Sie mir sagen wie ich ihm die Wachphasen nachts abgewöhnen kann? Es schlaucht schon sehr! Ferbern etc kommt für mich nicht in frage da ich darunter mindestens genauso leiden würde wie mein Sohn und ich das mit 100% Sicherheit nicht durchziehen könnte! Ich hoffe sie können mir trotzdem helfen! Mit lieben Grüßen, Eva

von Eva88 am 22.10.2015, 22:21


Antwort auf: Schlafen

Liebe Eva! aus Ihrem Bericht klingt sehr viel Stolz und Freude über die positive Entwicklung Ihres Sohnes. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass Sie über seine Probleme verunsichert sind und dass nicht, weil ihr Sohn pflegeleichter sein soll, sondern weil Sie Sorge zu scheinen haben, was ihm denn fehlt. Diese Sorge ist verständlich, doch ich möchte Sie gern beruhigen. Aus meiner Sicht scheint mit Ihrem Sohn alles in Ordnung zu sein. Wenn Sie sich hier im Forum umschauen, werden Sie sehen, dass viele Eltern von diesem plötzlichen, oft von Weinen begleitenden Aufwachen recht kurz (i.d.R. 60 -120 Min) nach dem abendlichen Einschlafen berichten. Wenn sich das Kind dann gut wieder beruhigen lässt und auch ansonsten keine ausgeprägten Ein-und Durchschlafschwierigkeiten hat, ist dies auch nicht pathologisch. Auch mehrfaches nächtliches Erwachen gilt noch nicht als Schlafstörung, sondern ist die Regel und nicht die Ausnahme. Einige Kinder, die über gute Selbstregulationsfähigkeiten und die nötige Reife des Hirns verfügen, schlafen einfach problemlos von selbst wieder ein, so dass die Eltern diese Unterbrechungen gar nicht merken. Sie sind aber in den meisten Fällen da. Wichtig ist bei der Beurteilung neben der Häufigkeit, wie schnell und wie die Kinder dann wieder in den Schlaf kommen. Wenn ein kurzes Gucken oder Ankuscheln reicht und keine langen Schreiphasen auftreten und/oder andauernde intensive, altersunangemessene elterliche Einschlafhilfen benötigt werden und das Kind am Tag nicht chronisch übermüdet und unzufrieden ist, ist soweit auf der Seite des Kindes alles ok. Ich finde es aber nicht verwerflich, sondern im Gegenteil sehr verantwortungsvoll, wenn man als Eltern auch an den eigenen Schlaf und die eigenen Grenzen denkt. Kompromisse sind hier mit zunehmenden Alter der Kinder nicht nur möglich, sondern aus meiner Erfahrung nach auf sehr förderlich für das allgemeine Wohlbefinden der Familie. Für Kinder braucht man Energie, Aufmerksamkeit, Geduld und gute Nerven - alles schwierig, wenn man unter chronischem Schlafmangel leidet. Ich finde, Sie sind hier schon auf einem sehr guten Weg. Was vielleicht noch etwas fehlt ist mehr Zutrauen in die Fähigkeiten Ihres Sohnes selber zur Ruhe und in den Schlaf zu kommen. Wie Sie selbst sagen, ist er ja nicht mehr das ängstliche, bedürftige Baby, sondern ein wacher, aufgeweckter kleiner Junge. Sie müssen auch nicht Ferbern, um etwas zu erreichen. Schlaftraining bedeutet auch nicht automatisch allein schreien lassen. Doch dies heißt auch nicht, dass Sie als Eltern sich nicht dafür entscheiden dürfen, Ihre Reaktionen auf das Aufwachen und Schreien Ihres Sohnes zu ändern. Dies kann sehr sanft und schrittweise erfolgen. Wenn Sie etwa berichten, dass Ihr Sohn sich beruhigt, wenn Sie ins Zimmer kommen, würde ich als nächsten Schritt versuchen, mich dann nicht mehr hinzulegen bis er einschläft. Wenn er ruhig ist, gehen Sie wieder raus, wenn er weint wieder rein und versuchen, ihn nochmal kurz durch Sprechen zu beruhigen usw. Sie müssen also nicht mit der Stoppuhr vor der Zimmertür warten, sondern können immer wieder rein gehen. Wichtig ist bloß, dass Sie ihm überhaupt die Chance geben, es selbst zu versuchen. Grummeln und Knötern ist allerdings kein Grund, um wieder ins Zimmer zu gehen. Diese monotonen, eher tiefen und vergleichsweise leisen Lautäußerungen sind kein Schreien und dienen manchen Kindern ähnlich wie Bewegungsautomatismen (Zappeln, Hin- und Herwälzen, Kopfdrehen etc) zum Beruhigen. Schreit er weiter, bleiben Sie bei ihm im Zimmer, aber legen sich nicht zu ihm. Ganz ohne dass Sie Protest aushalten wird es allerdings meist nicht gehen, denn die Motivation geht ja nicht von ihm aus. Sie wollen ja eine Gewohnheit ändern und Ihr Sohn muss erst die Erfahrung machen, dass es eben auch anders gut geht. Sie als Eltern haben natürlich den Wissenvorsprung, dass Ihnen klar ist, dass diese Änderung für alle Vorteile beinhaltet, Ihr Sohn weiß dies aber nicht und wird wahrscheinlich eben auch das Gewohnte einfordern - nicht weil es das einzig Gute, Richtige und Mögliche ist, sondern weil er es so kennt. Auch das schrittweise Abgewöhnen des zweiten Nachtfläschens ist sicher hilfreich, um ihn in seinen selbstregulativen Fähigkeiten zu stärken und zu bestätigen. Ich denke, es fehlt wirklich nicht mehr viel. Vetrauen Sie auf die Fähigkeiten Ihres Sohnes! Manchmal ist es so, dass wir Eltern es regelrecht verpassen, dass aus dem eigenen Baby plötzlich ein Kleinkind geworden ist und müssen uns selbst ein wenig abnabeln (-; Doch das Staunen über die rasanten Entwicklungen gehört meiner Meinung nach zu den schönsten Dingen am Elternsein... Ich drücke Ihnen die Daumen und wünsche Ihnen weiterhin so viel Freude aneinander! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 23.10.2015


Antwort auf: Schlafen

Ich hätte noch eine Frage. Könnten Sie bei entsprechenden Angaben ungefähr die Bindungsqualität einschätzen? Vielen lieben Dank!

von Eva88 am 23.10.2015, 07:55


Antwort auf: Schlafen

ganz übersehen... doch liebe Eva, lesen Sie doch mal selbst Ihre ersten Absätze durch... Ist das die Beschreinung eines Kindes mit unsicherer Bindung? Es ist gut, dass Sie diese Frage gestellt haben, denn ich erlebe immer wieder, dass besonders gut informierte Eltern mit hohen Ansprüchen sich durch die Bindungsliteratur oft sehr stark verunsichern lassen bis sie schließlich das Gefühl haben, sie würden ihr Kind mit allem Möglichen fürs Leben verkorksen und sich gar nicht mehr trauen, Eltern zun sein. Dass Schwierigkeiten auftreten, ist kein Zeichen, dass etwas mit der Bindung nicht stimmt. Es wird im Leben mit Kindern immer mal wieder etwas nicht glatt laufen und uns Eltern vor Herausforderungen stellen. Ängste, Wut, Trotz, Unruhe, Konflikt, Protest etc. gehören dazu und wir können und sollten Kinder nicht vor allen Steinen auf ihrem Weg bewahren, sondern Ihnen die Komptenzen vermitteln, damit angemessen umzugehen. Darüber hinaus bedeutet die (scheinbare) Abwesenheit von Problemem nicht, dass mit der Bindung automatisch alles stimmt. Manchmal ist sogar das Gegenteil der Fall und die Kinder verhalten sich einfach "pflegeleichter", weil sie keine Resonanz bekommen und / oder sogar gefährdert wären, wenn sie sich bemerkbar machen würden. Also, vertrauen Sie auf sich! Ihr Kleiner entwickelt sich doch prima!

von Dr. Meike Bentz am 23.10.2015