Rückschritte

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Rückschritte

Sehr geehrte Frau Bentz, Sie haben mir mit Ihren Antworten bisher sehr geholfen und hoffe auch dieses Mal auf eine hilfreiche Antwort. Meine Tochter,jetzt 3, war bis zum 10.Lebensmonat ein Schreikind.Danach wurde es etwas besser ubd wir hatten nur noch kurze Schreiphasen. Seit Beikost beginn isst sie nicht und will nur Milch.Auch das habe ich bis auf die nächtliche Flasche in Griff.Sie ist immer noch ein seeeeeehr schlechter Esser,schlechter Schläfer ubd leicht quengelig. Nun zu meiner Frage: Ist es normal, dass ehemalige Schreikinder immer wieder in das Verhaltensmuster des Schreiens fallen???Seit Wochen ist sie wieder total maulig,weint viel,verweigert das Essen und wir haben nur noch Streit.Alles ist wieder ein einziger Kamof,das belastet mich sehr,da es mich an die Zeit erinnert,als sie ein Schreibäby war.Ich bin alleine mit uhr ubd komme dadurch langsam an meine Grenzen und denke auch mal drüber nach,sie einfach zum Vater zu bringen und sie dann nur noch alle 14 Tage zu holen. Und diesen Gedanken finde ich soo schöimm,da sie mein Ein und Alles ist.Ich könnte gar nicjt ohne sie sein und will es auch nicht. Aber diese ständigen Kämpfe,das Schreien und das Gefühl zu haben alles falsch zu machen,nagt an mir. Können Sie mir sagen ob das irgwndwann aufhört? Vielen Dank,dass ich das Schreiben konnte und vielen dank für Ihre Antwort

von rose2013 am 16.08.2016, 00:32


Antwort auf: Rückschritte

Liebe rose2013! auch wenn sich solche Gedanken schrecklich anfühlen und sicher in Situationen aufkommen, in den mal alles besonders schief läuft, verurteilen sollten Sie sich dafür nicht. Sie sind sicher nicht herzlos und gemein, sondern einfach an Ihre Grenzen angekommen. Sie leben in einer Extremsituation und daraus ergeben sich auch mal extreme Gedanken. Wenn Sie dieses Forum öfter lesen, werden Sie sehen, dass viele Eltern schon mal Ähnliches gedacht haben. Es ist also kein Zeichen dafür, dass Sie ein schlechter Mensch oder eine schlechte Mutter sind, sondern einfach dass die Situation so nicht mehr tragbar ist. Ich rate Ihnen daher, sich professionell begleiten zu lassen, und würde Ihnen empfehlen, sich einen Kinder- und Jungendpsychotherapeuten / Familientherapeut zu suchen (Adressen gibt es über die Krankenkassen) zu suchen. Einfach abwarten, und darauf hoffen, dass sich alles mit der Zeit legt, würde ich nicht. In einigen Fällen hört das Schreien tatsächlich nicht einfach auf, sondern verlagert sich nur auf andere Kontexte. Hier ist von einer manifestierten Regulationsstörung auszugehen, die typischerweise neben dem Schlafen, auch Dinge wie Essen, exzessives Trotzen, Spielunlust etc. beinhaltet. Diese Kinder sind - aus vielen Gründen - einfach anders. Hinter Ihrem „schwierigen“ Verhalten verbirgt sich kein verzogenes, schlechtes Kind, sondern eines, was immer noch Schwierigkeiten hat sich selbst zu regulieren und dabei höchst sensibel auf alle Reize und Veränderungen reagiert. Solche Kinder merken es eben nicht, wenn sie müde, hungrig, gelangweilt oder überreizt sind, sie machen einfach weiter bis zu dem Punkt, an dem gar nicht mehr geht. Sie brauchen auch fern der Babyjahre viel Hilfe dabei, sich und die eigenen inneren Zustände einzuordnen und angemessen zu beantworten. Sie haben von allem ein bisschen mehr und leben in Extremen. So kann aus einem kleinen Teufelchen im nächsten Moment ein kleiner Engel werden, Mittelwerte gibt es kaum. Das ist extrem anstrengende – sowohl für die Eltern als auch für die betroffenen Kinder. Diese Grundtendenz, oder auch Disposition, ist in manchen Kindern einfach da. Doch dies heißt nicht, dass man tatenlos zusehen muss. Kinder wie diese brauchen kontinuierliche Begleitung und ein Programm, was Ihnen hilft, mit sich selbst besser klar zu kommen. Eltern von Kindern brauchen Beratung und Unterstützung beim Umgang mit ihren Kindern. Langfristig wird es auch diesen Kindern gelingen, sich selbst besser zu regulieren, nur dass sie eben dafür mehr Zeit und Hilfe brauchen. Ziel dabei ist es, die Energie in gute Bahnen zu leiten, nicht sie abzuwürgen. Bei alldem darf man nicht vergessen: die Schwierigkeiten sind nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite stehen viele positive Dinge, wie große Begeisterungsfähigkeit, Kreativität, unkonventionelles Denken, ein sehr wacher, sensibler Verstand u.v.m. Kinder mit solchen Schwierigkeiten können daher auch sehr, sehr viel zurückgeben und sich toll entwickeln! Eine Voraussetzung dafür ist, dass sich der Alltag nicht nur um die Probleme dreht. Kinder und ihre Eltern brauchen Erfolgserlebnisse und positive, entspannte Begegnungen. Die Crux ist nun leider, dass Regulationsstörungen einen Eigendynamik entwickeln können, so dass die gesamte Eltern-Kind-Interaktion beeinträchtig ist. Gerade wenn es schon eine etwas längere Historie gibt, macht es keinen Sinn nur punktuell einzelne Themen wie Essen oder ins Bett gehen zu betrachten. Auch wenn Sie schon zig Versuche Hilfe zu finden, hinter sich haben, würde ich Ihnen raten, sich nochmals auf den Weg zu machen. Sie haben schon viel erreicht und den letzten Resten schaffen Sie auch. Unabhängig davon kann es jedoch Sinn machen, dass Sie tatsächlich mal eine etwas längere Aus-Zeit nehmen. Vielleicht kann der Vater Ihrer Kleinen Sie ja mal eine Woche am Stück zu sich nehmen? Mit Abstand sehen sich viele Dinge klarer. Ich drücke Ihnen weiterhin die Daumen und wünsche viel Kraft! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 17.08.2016