plötzliche schreiatacken

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: plötzliche schreiatacken

Hallo. Meine Tochter ist 9 Monate und schreit seit gut einer Woche jede Nacht im stundentakt. Ohne Vorwarnung brüllt sie los wie am Spieß wenn ich sie dan anfassen möchte (sie schläft bei mir im bett) schreit sie noch mehr und fängt an rumzuhauen und sich ganz steif zu machen. Ich hebe sie dann trotzdem hoch und Schaukel sie dann beruhigt sie sich ich muss sie dann aber lange schaukeln bis ich es schaffe sie wieder abzulegen. Oft ist dann nach 10 Minuten spätestens nach einer Stunde wieder das gleiche Spiel.... Ich habe ein bisschen ihren Tagesablauf geändert da ich noch einen dreijährigen Sohn habe und er gar nichts unternehmen konnte so wie sie bisher schlief und zwar: 8 Uhr aufstehen Flasche trinken 10 uhr ins Bett 11.15 Uhr aufstehen 12 Uhr mittagsbrei 14 Uhr Mittagsschlaf 16.00 Uhr aufstehen 17.00 Uhr abendbrei Dann war sie wach bis teilweise 22 Uhr sie war vorher aber nicht müde sondern richtig aktiv in der Zeit von 16 bis 22 Uhr. Um 20 Uhr und 22 Uhr hat sie jeweils noch eine Flasche getrunken. So dann fing es vor kurzem an das sie obwohl sie müde war um 10 nicht mehr oder nur mit viel Geschrei eingeschlafen ist. Ich habe mir dann gedacht dann bleibt sie eben wach dann kann sie den Mittagsschlaf eher machen und sie geht dann abends früher ins Bett. Ich habe dann begonnen also vor ca 2 Wochen alles etwas vor zu ziehen: Aufstehen 8.30/9.00 Uhr Flasche Wach bis 13.15/30 (mittagsbrei 11.30) sie ist ab 11/ 12 schon sehr müde da kann ich sie aber nicht hinlegen da wir um 12.45 losfahren um meinen Sohn vom Kiga zu holen und alleine lassen trau ich mich sie nicht da sie auch unterm Tag schlaf öfters schreit also halt ich sie wach und bringe sie gleich ins Bett wenn wir Hannes geholt haben. Sie schläft sofort ein von 13.15 bis ca 15.00/15.30 16.30 Uhr abendbrei 19.00 Flasche 21.00 Flasche und ins Bett. Da beginnt Dann das schreispiel wie oben beschrieben. Kann es sein das es an der Umstellung Liegt? Was soll ich anders machen? Mein Sohn hat halt auch Bedürfnisse und möchte was unternehmen. Wenn ich meine Tochter vormittags hinlege u mittag später wird es Nachmittag so spät bis sie aufsteht das es draußen schon wieder dunkel ist und wir nicht mal Schlittenfahren ect gehen können. Sie nach einer Stunde aufwecken hilft auch nicht viel da sie dann nur weinerlich ist... Warum dieses schreien? Zähne sind keine in Sicht. Liegt es wirklich an der ganzen schlafeinteilung? (Nur am rande: beim wickeln schreit sie auch seit kurzem als hätte sie höllische schmerzen dabei) Danke für ihre Hilfe Lg

von Lefee am 11.01.2016, 09:50


Antwort auf: plötzliche schreiatacken

Liebe LeFee, es tut mir leid, dass die Nächte für Sie so anstrengend sind. Zwei kleine Kinder sind wirklich eine große Herausforderung an Geduld, Organisation und Energie. Der Anspruch allen gerecht werden zu wollen, legt dabei meist den Grundstein für viele Schwierigkeiten - man brennt aus, ist völlig gestresst, neigt zu Überreaktionen und macht aus Verzeiflung Dinge, die zur Aufrechterhaltung der Probleme beitragen oder diese gar verschlimmern. Als erstes möchte ich Ihnen daher den Rat geben, sich von überzogenen Ansprüchen zu befreien! Prüfen Sie doch mal wirklich kritisch, welche Dinge wirklich wichtig und entscheiden sind und fragen Sie sich auch bei Dingen, welches das kleinere Übel ist. Seien Sie pragmatisch anstatt perfektionistisch! Natürlich hat auch Ihr Großer Bedürfnisse. Doch wem nützt es was, wenn Sie an einem stressigen Tag noch schnell eine Aktivität einplanen, wenn Ihre Tochter und Sie schon völlig mit den Nerven am Ende sind? Es ist dann kein Drama, wenn das Schlittenfahren ausfällt und mal zur Hause ruhiges Programm läuft. Selbstverständlich ist Ihr Großer noch zu klein, um wirklich das Prinzip Rücksicht zu begreifen, doch wenn Sie ihm solche Dinge positiv verkaufen "heute machen wir es uns mal gemütlich" anstatt "wir können heute leider nicht...", wird es bei ihm gar nicht so negativ verankert und als Verzicht vorkommen. Er ist nun mal der große Bruder und Sie müssen ihm auch Gelegenheit geben, in seine neue Rolle hineinzuwachsen, d.h. er bekommt jetzt zwangsläufig etwas weniger ungeteilte Aufmerksamkeit und 1:1 Bespaßung, was ein Plus an Selbstständigkeit und Eigeninitiative erfordert. Das will natürlich gelernt sein, ist jedoch ein wichtiger Entwicklungschritt. Prüfen Sie auch mal selbstkritisch, ob es wirklich die Bedürfnisse Ihres Sohnes sind oder Ihre eigenen Ansprüche, denn Kinder brauchen meist keine großartigen Aktionen, um zufrieden zu sein. Ein Spaziergang durch den Park oder Wald kann ,man wunderbar gemeinsam machen. Ebenso ein Hörbuch hören oder vorlesen, malen, etc. Es ist wichtig, dass Sie dabei es Ihrem Sohn zutrauen, dass er sich auch selbst beschäftigen kann. Es ist eben keine "Strafe" oder "Verzicht", sondern ein Wachsen! Sie sollten daher auch kein schlechtes Gewissen haben, wenn Sie ihm weniger Zeit widmen sondern eine natürliche Entwicklung. Viel wichtiger als die Quantität der Zuwendung ist die Qualität! Exklusive "Mama- oder Papazeiten" können abends das Vorlesen oder am Wochenende mal Aktivitäten ohne Baby sein. Aus fachlicher Sicht spricht zudem nichts dagegen, dass Ihre Tochter am Tage Ihre Schläfchen im Tragetuch oder im Kinderwagen verbringt. So sind Sie nicht mehr sklavisch ans Haus gebunden und können flexibler den Tag gestalten! Das ist reine Gewöhnungssache, Was die Tagesgestaltung betrifft, so könnte der Übergang zum biphasischen Schlafrhythmus (also einen Tages- und den Nachtschlaf) für das Alter etwas zu früh sein. In der Regel halten Kinder noch zusätzlich zum Mittagsschlaf 1-2 (kurze) Hasenschläfchen, denn die Fähigkeit, über längere Zeit wach zu bleiben und dann den Schlafbedarf an einem Stück auszugleichen, ist noch begrenzt und kann auch nicht trainiert werden. Ich würde ihr daher schon die Gelegenheit geben, vormittags zu schlafen. Das muss nicht lang sein (machmal reicht schon ein Nickerchen von 15 Minuten), und ich würde das auch nicht forcieren, doch Sie andererseits auch nicht "künstlich" wachhalten. Für dieses Schläfchen muss Sie auch nicht ins Bett, sondern kann einfach ins Tragetuch / die Tragehilfe oder Sie machen einen Ausflug mit dem Kinderwagen. Nachts würde ich vom Schaukeln abraten. Warum können Sie in meinem Forum in vielen Beizzrägen zum Thema Durchschlafen ausführlich nachlesen. Zusammengefasst führt dies aber zur Gewöhnung an einen Bewegungsreiz, der - wenn er beim Schlafen wegfällt, kurz danach wieder eingefordert wird. Das war jetzt eine ganze Menge und auch nur eine Einschätzung aus der Ferne. Wenn Sie sich grundätzlich unsicher sind und/ oder die Probleme anhalten, zögern Sie nicht, sich Hilfe/ Beratung vor Ort zu holen. Es macht keinen Sinn, ewig abzuwarten, bis sich die Probleme deartig verfestigt haben, dass eine lange Behandlung erforderlich ist. Dann lieber mal ein bis zwei Gespräche vor Ort bei kompetenten Kollegen (Schreiambulanz, Frühe Hilfen, Hebamme etc.). Zusätzlich würde ich bei plötzlichen Schreien immer auch den Kinderarzt fragen, denn es ist ja nicht auszuschließen, dass nicht doch eine Erkrankung vorliegt, die diese Unruhe verursacht! Für all Ihre Vorhaben wünsche ich Ihnen viel Kraft, Erfolg und alles Gute, damit Sie die Zeit mit Ihren Kindern bald mehr genießen können und auch für sich mehr Ruhe finden! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 11.01.2016