Plötzlich "Panikattacken" beim Zubettgeh-Ritual

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Plötzlich "Panikattacken" beim Zubettgeh-Ritual

Sehr geehrte Frau Bentz, unsere Tochter ist jetzt genau 17 Monate alt und hat seit ein paar Tagen schreckliche Panikattacken beim Zubettgeh-Ritual. Seit unsere Tochter 2 Monate alt ist, schläft sie durch. Erst waren es 6 Stunden am Stück, was sich sehr bald gesteigert hat, und es gab nie Probleme beim Durchschlafen (außer bei den ersten Zähnchen im 6. Monat) und sie schläft von 21.30 bis 7.30 oder 8 Uhr.. Am Tag schläft sie zweimal je 1 Stunde (um 11.30 und um 16 Uhr). Sie hatte auch schon 3-4 Mal Schnupfen, das hat sie aber beim Ein- und Durchschlafen auch nicht gestört. Nun ist es so, dass sie einen Schnupfen hatte, und natürlich schwieriger durchatmen konnte wegen der verstopften Nase. Wir haben sofort alles unternommen, um ihr das Atmen zu erleichtern, und es gab in den 7 Tagen des Schnupfens 2-3 Mal Durchschlafprobleme, die wir aber sehr schnell gelöst haben. Sie hat sich immer recht schnell beruhigen lassen, so dass es praktisch ziemlich problemlos verlaufen ist. Jetzt ist der Schnupfen schon fast weg, das eine oder andere Mal hustet sie ein bisschen, aber das war es auch schon. In den letzten 4-5 Tagen hat sie aber, aus unserer Sicht, ganz schlimme Panikattacken, wenn wir mit dem Zubettgeh-Ritual beginnen. Jeden Abend, seit sie ganz klein war, geht es für ein paar Minuten in die Wanne, es wird gecremt, gesungen, Bilderbücher geblättert, etc. Es herrscht eine ziemlich ruhige Atmosphäre. Meine Frau "übernimmt" sie dann zum Stillen und sie schläft innerhalb von 10 Minuten ein. Jetzt fängt sie schon beim Ausziehen an zu weinen, wird ganz untröstlich, will nur noch gehalten und getragen werden. Wir nehmen sie dann immer auf den Arm, dort beruhigt sie sich dann ein bisschen. Da wir aber eine Windel anlegen müssen, wird sie beim Hinlegen wieder panisch und dreht und wendet sich und will wieder auf den Arm. Sie schreit und weint und wird ganz rot, fängt vom Heulen dann auch noch an zu husten, was fast schon einen Brechreiz hervorruft. Wir sind dann total fertig, und wenn sie dann zu meiner Frau zum Stillen geht, schläft sie wieder sehr schnell ein und durch. Sie wacht aber so anderthalb Stunden früher auf als sonst, gegen 6 Uhr. Gestern Abend, als sie begriffen hat das das allabendliche Ritual beginnt, hat sie wieder angefangen zu weinen. Als sie gesehen hat, dass ich das Handtuch vorbereite, hat sie ganz panisch reagiert. Sonst liebt sie es zu baden, Sie ist auch sonst die meisten Tage super gut drauf, bis es dann zum Schlafen kommt. Wir sind total fertig, weil sie ja schlafen muss und möchte, aber das Ritual sie auf einmal total aufregt. Vielleicht verbindet sie mit dem Schlafen Atemprobleme, oder sie versteht, dass sie jetzt alleine bleibt wenn sie schlafen geht und wehrt sich dagegen. Eigentlich ist sie ziemlich "eigenständig", spielt alleine, nimmt aber immer wieder Kontakt zu uns auf, und dann spielen wir gemeinsam. Natürlich nehmen wir auch den Kontakt auf und sie wirkt wie ein wirklich glückliches Kind. Seit dem Schnupfen gab es auch kleine Essensverweigerungssituationen, aber nie wirklich schlimm. Sie isst auch sonst wirklich wunderbar, nur heute Morgen zum beispiel hat sie das Frühstück komplett verweigert, obwohl es ihr Lieblingsfrühstück war. Ich hoffe, Sie können uns ein paar Tipps geben, was wir machen können, um sie zu beruhigen. Vielen Dank im Vorraus. Liebe Grüße, Emir

von emko am 18.11.2015, 11:42


Antwort auf: Plötzlich "Panikattacken" beim Zubettgeh-Ritual

Lieber Emir, zunächst freut es mich, dass mir auch mal ein Vater schreibt! Verständlicherweise sind Sie über das so veränderte Verhalten Ihrer Tochter besorgt. Die Gründe für solche Schwierigkeiten können ganz unterschiedlich sein und lassen sich aus der Ferne nur schwer beurteilen. Ich finde Ihre Vermutung, dass der Atemwegsinfekt Ihrer Kleinen zu den Schwierigkeiten geführt haben könnte, durchaus plausibel. Das Gefühl, nicht richtig atmen zu können weckt ja durchaus Urängste, welche dann schnell mit der Situation, in der sie aufgetreten sind, assoziiert werden. Im Kleinkindalter kommen zudem auch zunehmend diffuse und später auch sehr konkrete Ängste (Räuber, Monster etc.) hinzu. Diese spiegeln für gewöhnlich keine seelische Belastung wieder, sondern sind einfach die Folgen der voranschreitenden geistigen Entwicklung. Wie dem auch sei - Phasen zwischenzeitlicher Unruhe sind eher die Ausnahme als die Regel. Wenn Ihre Tochter mal für ein paar Tage schlecht einschläft, bedeutet das nicht, dass sie jetzt automatisch Schlafstörungen entwickelt. Meist gehen diese Phasen von allein vorüber. Wichtig ist dafür jedoch, dass Sie als Eltern Ruhe bewahren und Ihren Routinen und Ritualen treu bleiben! Häufig machen Eltern den Fehler, dass Sie das Weinen Ihres Kindes als Zeichen dafür interpretieren, dass Sie etwas falsch machen und fangen dann an, alles Mögliche auszuprobieren. Ist ein Kind nun aber durch etwas beunruhigt, verängstigt oder irritiert, geht es ihm wie uns: es braucht das Gewohnte, Ruhe und Struktur als Anker, um wieder in den Alltag zu finden. Weitere Neuerungen und diverse Maßnahmen sind in solchen Situationen dagegen überfordernd. Daher lautet meine Empfehlung: bleiben Sie bei Ihrem schönen Abendritual und versuchen Sie Ihrer Tochter so ruhig und gelassen wie möglich zu begegnen! Sie wissen ja, dass nicht Schlimmes passiert! Ihre Tochter muss vielleicht erst wieder lernen, das Ins-Bett-Bringen nicht mehr mit bedrohlichen Erinnerungen zu verbinden, doch das geht nur durch die wiederholte Konfrontation mit der Auslösesituation. D.H. Sie sollten nicht versuchen, die Panik zu meiden, sondern ihr immer wieder zeigen, dass alles ok ist. Durch dieses wiederholte Erfahrung, dass nichts passiert, wird ihre Panik sich schnell abbauen - durch Vermeidung jedoch festigen! Zum einen kann man durch Vermeidung nichts lernen, zum anderen wird die Botschaft gesendet, es ist doch bedrohlich. Wichtig ist daher auch, dass Sie als Eltern darauf achten, keine entsprechenden Signale zu senden. D.h. auch wenn es hart sein mag und Sie natürlich Ihre Kleine trösten wollen: Bleiben Sie möglichst neutral und gelassen! Durch ausgiebiges Trösten wird sehr viel Aufmerksamkeit auf die Angstreaktionen gelegt. Ziel sollte es aber sein, den Fokus zurück zur Normalität zu bringen. Das ist ähnlich wie bei einem kleinen Stolpern, wenn Sie sagen "Ups, nicht schlimm. Guck mal; ich puste kurz. Kannst weiterlaufen" wird sich Ihre Tochter - es sei denn sie hat sich wirklich richtig weh getan- aufgrund Ihrer ruhigen Reaktion schnell ebenfalls beruhigen. Wenn Sie dagegen so reagieren würden "Oh,Oh, was ist den passiert? Bist du verletzt? Blutest du? Was machen wir jetzt" würde sie höchstwahrscheinlich auch wenn sie keine Schmerzen hat, panisch reagieren, eben so wie ihre Bezugsperson. Sagen Sie ihr daher in kurzen einfachen Sätzen Dinge wie "Hey, das magst du jetzt nicht. Bist du vielleicht wütend oder hast du Angst? Das brauchst du nicht. Sieh mal, es ist alles ok. Mama und Papa sind da." Das können Sie immer wiederholen und weiter in der Routine bleiben. Damm müssten sich die Ängste schnell auflösen. Dafür drücke ich Ihnen allen die Daumen! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 19.11.2015


Antwort auf: Plötzlich "Panikattacken" beim Zubettgeh-Ritual

Ich danke Ihnen sehr für die Antwort! In der Zwischenzeit hat sich das mit dem Schreien gelegt. Noch immer haben wir aber Probleme mit dem Einschlafen (dauert ewig) und mit dem Durchschlafen und/oder sehr frühem Aufwachen. Aber ich bin zuversichtlich, dass sich das auch bald bessern wird. Viel mehr als hoffen kann man ja auch nicht machen :) Herzliche Grüße, Emir

von emko am 27.11.2015, 13:27