Kann nächtliches Milch Entwöhnen dem Kind schaden?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Kann nächtliches Milch Entwöhnen dem Kind schaden?

Sehr geehrte Meike Bentz, Als erstes möchte ich Ihnen sagen, dass ich ihre Arbeit sehr schätze. Ich finde es toll wie ausführlich, individuell und menschlich sie auf jede einzelne Person mit ihrem Problem eingehen!!! Vielen Dank dafür! < 3 Nun könnte auch ich dringend ihren Rat gebrauchen. Ich habe eine Tochter von 18 Monaten. Ich stille sie noch abends, nachts (leider!) und morgens. Ich würde das Stillen gern beibehalten bis sie ca. 2 Jahre alt ist, nur nicht mehr nachts! Sondern nur abends und morgens. Generell ist sie ein grosser "Milch Fan". Tagsüber stille ich schon seit vielen Monaten nicht mehr. Und doch fragt sie mich täglich auch tagsüber nach "Mi" ? Abends vorm Zubettgehen fragt sie nach "Mi" und ihr ganzes Gesicht leuchtet, wenn ich ihr bestätige, dass sie bald Milch bekommt. Zusätzlich ist sie ein extremes "Mama Kind". Sie lässt sich im Moment nicht mal von ihrem Vater ins Bett bringen. Ansonsten ist sie altersgerecht, teilweise überdurchschnittlich entwickelt und ein lebhaftes und lustiges Wesen. Leider scheint sie sich daran gewöhnt zu haben/ bzw. glaubt nur wieder mit Hilfe des Milch Trinkens nachts wieder einschlafen zu können. Ich stille sie bewusst nicht in den Schlaf. Trotzdem verlangt sie schon nach zwei Stunden nach zu Bettgehen nach der Brust. Schnuller, beruhigend zureden etc. helfen da nicht. Sie wacht alle 2-3 Stunden auf und möchte gestillt werden, oft auch häufiger. Plan ist es, so bald wie möglich, wenn mein Mann eine längere Periode frei hat, erneut ein "nächtliches Milch-Entwöhn-Programm" mit seiner Hilfe durchzuführen. Erstens weil ich es leid bin, nachts ständig zu stillen; ich würde auch ganz gern etwas ungestörter schlafen. Zweitens, weil ich denke dass es gut wäre für sie zu lernen, dass man auch anders wieder einschlafen kann, anstatt gestillt zu werden. ( Mittags zum Schläfchen schafft sie es ja auch). Oder könnte es sein, dass sie eine Art Schlafstörung hat und es wirklich nicht schafft alleine wieder einzuschlafen? Können alle Kinder, egal in welchem Alter dies jedoch lernen? Wenn sie vom Mittagsschlaf zu früh aufwacht, weint, noch müde ist und gerne weiterschlafen möchte, braucht sie auch immer Hilfe um wieder in den Schlaf zu finden (beruhigende Musik, Hand halten, streicheln, Schnuller). Beim Entwöhnen/ bzw. Schlafen-Üben würden wir sie nie allein lassen, sondern einer von uns schläft bei ihr und tröstet sie. Die ersten drei Nächte der Vater, dann ich. Was diesen Plan angeht bin ich mir in einem Punkt jedoch unsicher und dazu hätte ich gerne ihren Rat. Und zwar habe ich in einem Ratgeber ( "Aus der Praxis einer Kinderärztin" von Dr. Gisela Bremer und Dr.Barbara Beland) gelesen, dass man in keinem Fall das Schlafen-Üben durchführen soll, wenn man sich nicht sicher ist, den Unterschied von Verzweiflung und Protest des Weinens des Kindes herauszuhören. Man solle beim Kind nie das Stadium zulassen, indem es aus Hilflosigkeit oder Verzweiflung weint, da man ihm sonst emotional langfristig schaden könnte. Meines Erachtens kenne ich meine Tochter sehr gut und kann sie gut "lesen". Dennoch bin ich mir in diesem Punkt unsicher, denn neulich machte ich folgenden Test: Ich sagte meiner Tochter, dass sie abends Milch trinken darf, dass sie jedoch schon so gross sei, dass sie diese Nachts nicht mehr braucht. Wenn sie Nachts aufwacht, würde Mama kommen, aber keine Milch mehr geben. Ich versicherte ihr, dass sie keine Milch bräuchte, um wieder einzuschlafen. Sie würde es auch ohne schaffen und ich würde ihr dabei helfen. Folgendes geschah: Nach zwei Stunden nach dem Einschlafen wachte sie auf und verlangte nach Milch. Ich ging zu ihr, sprach ihr ruhig zu, streichelte sie und versuchte sie zu beruhigen. Erst war ihr Weinen eindeutig Protestgeschrei und Wut. Das ist ja in Ordnung. Ich hielt sie im Arm und versuchte sie zu trösten und zu beruhigen, aber es war vergebens. Sie weinte sich regelrecht in Hysterie. Sie schrie wie am Spiess, zitterte am ganzen Körper und schwitzte. Es hörte sich an als würde sie schlimm misshandelt werden, als habe sie unglaubliche Schmerzen. Meines Erachtens klang es folglich eher nach Verzweiflung und Hilflosigkeit, als nach Protest und Wut. Ihre Reaktion war so heftig, dass ich es nicht lange durchhielt. Ich war so verunsichert, hatte Angst ihr zu schaden und sie tat mir so leid, so dass ich ihr schliesslich die Brust gab. An der Brust beruhigte sie sich langsam, zitterte und schluchzte aber noch eine ganze Weile. Vom physischen Aspekt, braucht sie die Milch ja, vor allem Nachts, keines Falles. Nun zu meiner wichtigsten Frage: Kann es sein, dass mein Kind die Milch emotional so sehr braucht, dass das nächtliche Entwöhnen ihr schaden könnte, falls sie aus Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit weint, anstatt "nur" mit Wut und Protest zu reagieren?? Anders gesagt: Wenn das Kind unerbittlich und verzweifelt weint, und völlig hysterisch wird, obwohl man ihm beisteht, sollte man da lieber auf das Entwöhnen verzichten und die Situation dabei belassen wie sie ist, um dem Kind nicht zu schaden? Ungern würde ich die Situation dabei belassen, da ich das nächtliche unzählige Stillen wirklich leid bin. Auch müsste sie meines Erachtens lernen, auf eine andere Art und Weise wieder in den Schlaf zu finden. Ich möchte ihr aber keinesfalls schaden! Und würde mich stattdessen lieber "aufopfern", auch wenn es Jahre dauern sollte... Auch habe ich Bedenken, wie das Entwöhnen wohl mit dem Vater klappt, wenn sie schon bei MIR so heftig reagiert. Ihn lehnt sie ja häufig ganz ab. Oder könnte es sein dass sie es bei ihm sogar besser akzeptiert, da er einfach keine Milch hat? Ich danke Ihnen schon im Voraus herzlichst für ihren Rat und ihre Hilfe! Liebe Grüsse, Orchid

von Orchid11 am 25.04.2016, 12:30


Antwort auf: Kann nächtliches Milch Entwöhnen dem Kind schaden?

Liebe Orchid! Danke für Ihre Frage, die mir in meiner Praxis sehr häufig gestellt wird und sicher für viele andere Leser auch interessant ist. Ich freue mich zudem, dass Ihnen mein Forum gefällt und stelle mir mal gleich "virtuelle Blumen" auf meinen Schreibtisch! Zunächst ist das Thema Stillen und Abstillen so individuell zu beantworten, wie es Unterschiede zwischen Kindern und Eltern und Situationen gibt. Ebenso wie die damit verknüpfte Frage nach selbstständigem Einschlafen: Ja, grundsätzlich kann ein Kind ab einen gewissen Alter lernen, im Rahmen seiner biologischen Grundlagen (Reife, Schlafbedarf, Schlafhomöostase) und psychischen Natur selbstreguliert ein- und durchzuschlafen - vorausgesetzt es ist gesund und bekommt keine Medikamente, die den Schlaf beeinträchtigen. Man wird aber aus einem ICE keine gemütliche Regionalbahn machen können u.U. D.h. dann eben auch, dass bei einem sehr quirligen Kind mit wenig Schlafbedarf und niedriger Reizschwelle die Welt nachts eben anders aussieht als bei einem ruhigen, sehr in sich ruhenden Kind mit viel Schlafbedarf. Lernen wird dabei häufig gleichgesetzt mit "Antrainieren" / Konditioniert und weckt bei vielen Eltern Skepsis, die sich sehr um bindungsorientierten Zugang zum Kind bemühen. Doch Lernen geht es im Grund immer um wiederholte Erfahrungen ob nun direkt oder indirekt durch Modelllernen. Dies erfordert keineswegs immer ein aktives oder gar harsches Eingreifen. Auch beschränkt sich das Lernen nicht nur auf das abendliche und nächtliche Zeitfenster sondern umfasst den ganzen Tag. Macht ein Kind die Erfahrung, dass es Dinge allein kann, Mama und Papa jedoch immer da sind, so ist schon mal ein wichtiger Grundstock fürs Schlafen gelegt. Bindung hat ja den Zweck, Kindern die sichere Basis für die schrittweise Entwicklung zur Selbstständigkeit zu liefern und beinhaltet sowohl den Pol "Nähe" als auch den Pol "Loslassen". Kann ein Kind diese Erfahrung nicht machen, weil Eltern übervorsichtig sind, kaum Gelegenheit und /oder Motivation zum selbstbestimmten Explorieren geben, etc. ist es natürlich ungleich schwieriger. Gleiches gilt natürlich auch, wenn ein Kind die Erfahrung machen muss, dass seine Eltern unzuverlässig und wenig feinfühlig sind. Häufig beobachte ich zudem, dass Weinen und Nörgeln eines Kleinkindes gerade bei engagierten Eltern zu schnell mit Angst, Ablehnung, Verzweiflung, Hilfeschrei gleichgesetzt wird. Kommen dann noch Selbstzweifel und Schuldgefühle hinzu, steht die ganze Familie sofort parat, um alles Mögliche zu tun, damit das Kind zufrieden ist, denn es wird geradezu panisch gefürchtet, dem Kind zu schade. Aller Frust, aller Stress und alle negativen Gefühle sollen sofort abgestellt werden. Die ist verständlich. Für eine gesunde Entwicklung ist es jedoch nach dem Säuglingsalter auch wichtig, dass Kinder mehr und mehr die Erfahrung machen (dürfen), Dinge wie Wut, Frust, Stress oder Langeweile auch mal auszuhalten und sich Phasen ungeteilter Aufmerksamkeit mit Phasen geteilter Aufmerksamkeit abwechseln. Dies gilt natürlich umso mehr, je älter ein Kind ist. Es geht dabei jedoch nicht um Disziplinierung oder gar Abhärtung, sondern darum, ein Kind seine innere Zustände erleben zu lassen und Möglichkeiten zu geben, selbst Lösungswege, selbst die eigenen Aus-Knöpfe zu finden. Lernen bedeutet somit zwangläufig immer wieder Stress, Verwirrung, Trubel und auch mal Frust. Doch Frust ist nicht mit Unglück oder gar psychischem Schaden zu verwechseln. Die Crux ist dann nur, dies mit hohen Erziehungsidealen in Einklang zu bringen. Wieviel davon ist gut, was kann ich meinem Kind zumuten? Darf ich überhaupt etwas machen, was mein Kind nicht will? Darf ich aktiv sein oder muss ich auf die Entwicklung vertrauen? Wie vermittele ich Grenzen und darf ich überhaupt welche haben? Darf ich auch mal ein Bedürfnis nicht befriedigen oder ist promptes Reagieren besser? Sie sehen, man bewegt sich ständig in einem Spannungsfeld und das bedeutet Abwägen, Kompromisse und immer wieder neu zu gucken, wo man sich gerade befindet. Das Thema Stillen miteingeschlossen. Wenn Sie mich nun fragen, ob nächtliches Abstillen schaden kann, so sind wir wieder in diesem Zweispalt. Während einige dafür plädieren würden, dass Kind selbst abstillen zu lassen, würden andere sich für ein konsequentes Vorgehen aussprechen. Wieder andere wie Sie, sind irgendwie dazwischen.Rein fachlich spräche aus Meiner Sicht nichts dagegen, wenn Sie Ihr Vorhaben angehen zumal Sie ja einen wirklich guten und liebevollen Plan haben! Doch egal wie sanft Sie vorgehen, wenn Sie sich dafür entscheiden aktiv einzugreifen, ist mit Protest zu rechnen, denn die Handlungsinitiative geht ja von Ihnen aus. Ihre Tochter kann das Ganze ja noch nicht durchblicken und hat somit keinen Anreiz, ihr Verhalten zu ändern. Wie heftig ein Kind dann protestiert, ist je nach Temperament sehr unterschiedlich, doch es nicht so, dass das Kind, was am lautesten schreit, auch den meisten Stress hat! Kinder reagieren einffach unterschiedlich und Sie scheinen nun mal eine Tochter zu haben, die eine niedrigere Reizschwelle mit großer Willens- und Lautstärke kombiniert. Das macht es Ihnen nicht leichter, den Kindern aber nicht unbedingt schwerer! Sie äußern Ihren Unmut ja und wenn sie dann die Erfahrung machen, dass sie dies auch dürfen, dass Mama und Papa trotzdem da sind und nichts Schlimmes passiert, kann dies eine wertvolle, wenngleich anstrengende Erfahrung sein. Bei sehr stillen, passiven und "pflegeleichten" Kindern erkennt man dagegen u.U. nicht, was sie wollen und es fällt auch kaum auf, wenn sie sich unwohl fühlen. Auch das kann ein Grund zur Sorge sein, doch nur selten suchen Eltern in solchen Fällen Hilfe. Also: leider bleibt das Ganze Ihrer elterlichen Entscheidung vorbehalten und egal wie, es wird immer Kritiker geben. Wichtig ist, dass Sie von einer Entscheidung überzeugt sind, denn Sie fungieren ja tatsächlich als Gradmesser für Ihr Kind. Signalisieren Sie Gefahr, so wird auch Ihr Kind Angst haben. Signalisieren Sie Unsicherheit, wird auch Ihr Kind verwirrt sein. Das heißt natürlich nicht, dass Sie tiefenentspannt mit Werbelächeln neben Ihrem brüllenden Kind sitzen müssen. Aber eben auch nicht mit tränenüberströmten Gesicht und einen Keller voller Zweifel und Schuldgefühle. Das Gefühl, ich kann es mir und meinem Kind zumuten sollte da sein, sonst ist ein Scheitern wahrscheinlich. Also nicht ich, sondern Sie müssen sich Absolution geben! In diesem Sinne viel Erfolg für Ihren Weg! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 26.04.2016


Antwort auf: Kann nächtliches Milch Entwöhnen dem Kind schaden?

Liebe Meike Bentz, Erstmal herzlichen Dank für ihre ausführliche und aufschlussreiche Antwort! :) Ich hätte da noch ein paar Fragen. 1) Sie sagten, dass ein Kind ab einem gewissen Alter, unter bestimmten Vorraussetzungen, selbstregulierend ein- und durchschlafen kann. Was wäre denn dieses gewisse Alter? 2) Auch würde ich gerne wissen was sie davon halten, dass beim nächtlichen Abstillen die Mutter womöglich gar nicht anwesend ist. Auch dies stand in einem Ratgeber. Dass man das Kind für drei Tage und Nächte ganz dem Vater überlassen soll. Vorausgesetzt, dieser ist schon eine nahe Bezugsperson. Denn das Kind hätte kein Zeitgefühl, würde problemlos ohne Milch schlafen und nach Rückkehr der Mutter, keine Milch mehr verlangen. Kann dies traumatisierend für das Kind (18Monate) sein? Falls es noch nie so lange von der Mutter getrennt war? Bisher war das Maximum 7h. Danke schon im voraus für ihre Antwort! :) Lg, Orchid

von Orchid11 am 29.04.2016, 13:06


Antwort auf: Kann nächtliches Milch Entwöhnen dem Kind schaden?

Liebe Meike Bentz, Erstmal herzlichen Dank für ihre ausführliche und aufschlussreiche Antwort! :) Ich hätte da noch ein paar Fragen. 1) Sie sagten, dass ein Kind ab einem gewissen Alter, unter bestimmten Vorraussetzungen, selbstregulierend ein- und durchschlafen kann. Was wäre denn dieses gewisse Alter? 2) Auch würde ich gerne wissen was sie davon halten, dass beim nächtlichen Abstillen die Mutter womöglich gar nicht anwesend ist. Auch dies stand in einem Ratgeber. Dass man das Kind für drei Tage und Nächte ganz dem Vater überlassen soll. Vorausgesetzt, dieser ist schon eine nahe Bezugsperson. Denn das Kind hätte kein Zeitgefühl, würde problemlos ohne Milch schlafen und nach Rückkehr der Mutter, keine Milch mehr verlangen. Kann dies traumatisierend für das Kind (18Monate) sein? Falls es noch nie so lange von der Mutter getrennt war? Bisher war das Maximum 7h. Danke schon im voraus für ihre Antwort! :) Lg, Orchid

von Orchid11 am 29.04.2016, 13:26


Antwort auf: Kann nächtliches Milch Entwöhnen dem Kind schaden?

Liebe Orchid, ich habe ebenfalls für Ihren einfühlsamen Kommentar zum obigen Post zu danken! Es ist schön, wenn andere Eltern ein Forum nutzen, um sich gegenseitig zu stützen und mal nicht zu zerfleischen, wie leider anderswo häufig zu sehen! Zu Ihren Fragen: 1) hierzu gibt es folgende Aspekte: a) rein biologisch ist ein Säugling ab ca. 6 Monaten in der Lage, ca. 5-6 Stunden ohne Nahrung auszukommen, weshalb dies auch immer wieder als magische Grenze in den Köpfen vieler Eltern ist. b) Doch der Schlaf eines 6 Monate alten Kindes unterscheidet sich noch sehr vom Schlaf eines Erwachsenen und vollzieht in den kommenden 6 Monaten noch gravierende Veränderungen. "Störungen" sind gewissermaßen vorprogrammiert und somit können eben viele Kinder auch mit sechs Monaten noch nicht durchschlafen. Doch bereits mit Beginn des zweiten Lebensjahres ähnelt die "Schlafarchitektur" schon sehr dem Erwachsenschlaf. Jetzt nimmt die Bedeutung des Faktors "Reife" sehr deutlich ab. Äußere Faktoren (Rhythmus, Schlafhygiene, ungünstige Gewohnheiten, zu lange oder zu kurze Bettzeiten, Machtspiele etc.) werden dagegen immer wichtiger - was Segen und Fluch zugleich ist. Einerseits hat man mehr Möglichkeiten, den Schlaf positiv zu beeinflussen, kann aber auch durch ungünstige Interaktionsmuster erst Schlafprobleme schaffen. Doch natürlich ist das Ganze individuell. Manche Kinder haben eine niedrigere Erregungsschwelle, sind hypersensibel und eben "störungsanfälliger". Ebenso ist die Situationen in Familien natürlich ganz unterschiedlich. Doch Vorsicht: es ist wichtig und richtig die Individualität eines jeden Kindes zu respektieren. Gleichsam darf dies jedoch nicht dazu führen, dass man ein Kind als "schlechten Schläfer" hinnimmt ohne zu gucken, ob es nicht doch Dinge gibt, die einen guten Schlaf verhindern. Rein von der Biologie braucht der Mensch Schlaf und es eben nicht natürlich, wenn gesunde Kleinkinder jenseits des Säuglingsalters immer noch alle Stunde wach werden und erst durch umfangreiche Maßnahmen wieder beruhigt werden müssen. Damit will ich nicht sagen, dass auf elterliche Hilfen komplett verzichtet werden muss - doch sie sollten eben dazu führen, dass ein Kind schläft. Tun sie das nicht, muss man über Alternativen nachdenken. Mit anderen Worten: ich finde es völlig normal, kleine Kinder noch beim Einschlafen zu unterstützen und natürlich auch zu trösten, wenn sie nachts einen schlimmen Traum haben, krank sind oder einfach mal nicht schlafen können. Doch wenn ein Dreijähriges Kind regelmäßig nachts mehrfach noch herumgetragen werden muss, ohne Streicheln, Singen und Co. nachts nicht wieder einschlafen kann, nachts gespielt wird und / oder stundenlange Bettbringrituale notwendig sind, dann sind Eltern und Kind in eine Sackgasse geraten. Als Faustregel sage ich immer: die individuelle Entwicklungsrichtung muss stimmen, d.h. mit zunehmenden Alter muss ein Kind - von normalen schlechten Nächten mal abgesehen - besser schlafen. Starten man von einen hohen Ausgangsniveau (sehr häufige Unterbrechungen) dauert diese Entwicklung eben meist länger als wenn ein Kind von Anfang an gut schläft. Stagnation oder sogar eine Verschlechterung sollte man nicht ewig hinnehmen. Spätestens mit Schulbeginn macht sich ein dauerhaftes Defizit an Tief- oder REM-Schlafanteilen bemerkbar, wenn nicht ohnehin die ganze Familie bereits durch chronische Müdigkeit und kräftezehrende Machtkämpfe ums Thema Schlaf arg belastet ist. 2) Ich finde diese Methode prima! Die Sorge ein Kind könnte dadurch traumatisiert werden, teile ich absolut nicht, sofern eben wie Sie es sagen - eine gute Vater-Kind-Bindung besteht. Mütterexklusivität ist für eine gute Bindung weder notwendig noch förderlich. Dieses alte Postulat der Bindungstheorie ist wirklich überholt und wertet Väter schlichtweg in ihrer überaus wichtigen Bedeutung für Kinder ab. Ich mache häufig die Erfahrung, dass dies sowohl für die Kinder als auch die Mütter eine gute "Krücke" ist, die das Abstillen erleichtert. Hinzu kommt, dass Väter natürlich auch besonders stolz sind, wenn sie so einen Beitrag leisten können - was wiederum die Bindung weiter fördert. Es gibt andererseits natürlich auch kritische Stimmen, die sich komplett gegen ein von Elternseite initiiertes Abstillen aussprechen und dafür plädieren, Kinder solange zu stillen, bis sie es von selbst aufgeben. Wenn alle damit gut klarkommen, spricht überhaupt nichts dagegen. Ich wehre mich jedoch gegen den Umkehrschluss, dass alles andere "unnatürlich" sei und ein Trauma auslösen würde. Die Mehrheit der Menschheit und auch der Tierwelt müsste dann ja unter diesem Trauma leiden. Das strapaziert meiner Ansicht nach dann doch den Traumabegriff allzu stark. Ich hoffe, ich konnte damit die offenen Fragen klären und wünsche weiterhin alles Gute! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 11.05.2016


Antwort auf: Kann nächtliches Milch Entwöhnen dem Kind schaden?

Liebe Meike Bentz, Vielen herzlichen Dank für ihre ausführliche und aufschlussreiche Antwort! :) Liebe Grüsse, Orchid

von Orchid11 am 16.05.2016, 21:29