Federwiege empfehlenswert oder kontraproduktiv für Schlafverhalten?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Federwiege empfehlenswert oder kontraproduktiv für Schlafverhalten?

Hallo, wir haben ein 7 Wochen altes Baby was seit 3 Wochen viele Stunden am Tag schreit und durch sehr wenig zu beruhigen ist. Kinderwagen geht gar nicht, Tragetuch kurzfristig für 15-20 Minuten, danach kommt auch hier Protest. Auf den Arm nehmen funktioniert ebenfallls kurzfristig. Grund ist sicherlich, dass es ihm und mir nicht gelingt, ihn tagsüber zum Schlafen zu bewegen, manchmal ganz kurz, aber in den Tiefschlaf kommt er sicherlich kaum. Jetzt haben wir uns seit ein paar Tagen eine elektrische Federwiege zugelegt (die kontinuierlich schaukelt), was den Kleinen tatsächlich zufriedener stimmt, wenn auch nicht immer zum Einschlafen bringt. Nun diskutieren wir seit zwei Tagen, ob die Federwiege denn tatsächlich förderlich ist, oder uns nur im Moment etwas bringt und es dem Kleinen langfristig sogar erschwert, ein normales Schlafverhalten aufzubauen, welcher er vielleicht daran konditioniert wird, dass es zum Schlafen schuckeln muss? Vielen Dank für Ihre Hilfe!

von steffi 234 am 13.06.2016, 13:26


Antwort auf: Federwiege empfehlenswert oder kontraproduktiv für Schlafverhalten?

Liebe steffi234! leider gibt es meines Wissens noch keine wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema, von daher kann ich Ihnen Ihre Frage nicht gesichert beantworten. Ich sehe die Sache bislang so: Eine Federwiege kann eine Krücke sein, um einen Teufelskreis zu unterbrechen und erst einmal wieder zu Atmen zu kommen. Hier kann man von der „Zweck heiligt die Mittel“ reden. Natürlich wäre es laut Lehrbuch besser, jegliche Stimulation als Einschlafhilfe abzubauen, doch manchmal haben Eltern einfach dafür nicht mehr die Ressourcen, sie sind schlicht zu erschöpft. Bevor dann Schlimmeres passiert finde ich es durchaus legitim, so einen Versuch zu starten. Ist man dann erstmal wieder etwas erholter und entspannter, fällt es auch leichter, ein Kind dann wieder von diesen Hilfsmitteln schrittweise zu entwöhnen. Die Gefahr, dass sich ein Kind dann an Bewegungsreize gewöhnt besteht natürlich, doch haben Sie hier den Vorteil gegenüber Tragen, Wippen, Schuckeln, dass Sie aus dem Spiel sind. Darüber hinaus lassen sich Gewohnheiten ja auch wieder mit etwas Geduld ändern – ich persönlich habe z.B. noch nicht gehört, dass ein 4-Jähriger noch in der Federwiege schläft… Was Ihre aggressiven Gedanken betrifft, so kann ich Sie beruhigen! Es mag zwar immer noch ein Tabu-Thema sein, doch zeigen Untersuchungen, dass die Mehrheit der Eltern temporär solche Gedanken hat. Wenn Sie moderne Ratgeber oder Broschüren lesen, werden Sie sehen, dass dieses Problem auch immer mehr thematisiert wird, um das Tabu zu durchbrechen. Zwischen Denken und Handeln besteht ein Unterschied und es ist durchaus normal, auch mal negative, ablehnende oder aggressive Gefühle gegenüber einem Kind zu empfinden. Wenn mein Großer sich mal wieder hysterisch schreiend mitten in der Innenstadt ein zweites Eis ertrotzen will und mein Kleiner mal wieder meint er müsste seine Umwelt lautstark an seinen neu erworbenen fäkalsprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten teilhaben lassen, finde ich meine Kinder auch nicht immer herzallerliebst. Da hilft es manchmal mit einer verständigen Freundin sich scherzhaft über Kindermaulkörbe und schalldichte Kinderzimmer und Betäubungsgewehre zu unterhalten..(-; und zu sehen, dass es anderen eben doch auch mal ähnlich geht. Eine gute Bindung können Sie trotzdem haben, denn Bindung bedeutet ja nicht immer totale Harmonie und völlige Konfliktfreiheit. Im Gegenteil: eine gute Bindung ermöglicht es ja gerade, sich aneinander zu reiben – immer mit dem Wissen, dass der andere da ist und einen liebt und grundsätzlich schützt. Wichtig ist bloß, zu erkennen, wann die eigenen Grenzen erreicht sind. Aggressive Gedanken und Gefühle sind an sich also nichts was zu verurteilen wäre, können aber ein Warnsignal sein! Treten Sie häufiger oder intensiver auf, ist es an der Zeit, sich Gedanken zu machen, wie man Hilfe und Entlastung bekommen könnte. Im Akutfall ist es dabei völlig legitim, das Baby an einem sicheren Ort abzulegen und den Raum zu verlassen, sprich wirklich einmal schreien zu lassen, bis man wieder zu sich kommt und bestenfalls Ablösung in Sicht ist. Von einmaligen Situationen wie diesen wird ein Kind sicher keinen ernsthaften Schaden bekommen, wohl aber eben durch Schütteln oder andere Misshandlungen. Hat man sein Kind in so einer Situation schreien lassen, braucht man sich keine Vorwürfe machen, denn man hat verantwortungsvoll gehandelt und die Kontrolle behalten. In einer ruhigen Minute kann man dann einen Notfallplan (mit Notfallrufnummern) entwickeln, der einen dann in künftigen Situationen helfen kann. Da wären wir dann wieder beim obigen Thema: in der Ruhe liegt die Kraft. Der Alltag mit einem Baby ist anstrengend und nicht immer nur schön. Sich das einzugestehen und zu erlauben, auch mal schwach, erschöpft und genervt zu sein, ist der erste Schritt zur Besserung. Der zweite wäre dann, daraus Konsequenzen zu ziehen und dafür zu sorgen, dass man selbst auch mal Erholung und Entlastung bekommt. Dafür drücke ich Ihnen die Daumen! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 15.06.2016


Antwort auf: Federwiege empfehlenswert oder kontraproduktiv für Schlafverhalten?

Mich beschäftigt noch etwas- und zwar ist das Schreien fuer uns manchmal sehr anstrengend und oft eine Belastungserprobung (auch wenn die Haeufigkeit eigentlich gar nicht mehr so oft erscheint, dank Federwiege erfuellen wir die Kriterien eines Schreibabys sicher nicht mehr, trotzdem sind wir diesbezueglich schon etwas sensibilisiert und insbesondere draussen und abends wird noch sehr oft geschrien), sodass ich innerlich manchmal auch aggressive Gefuehle merke (wobei sich diese ganz klar nicht gegen das Baby sondern nur gegen dieses Schreien richten) und ich mir ganz sicher bin, nie die Kontrolle verlieren zu koennen und auch noch nie entsprechende Impulse dazu verspuert habe, obwohl es schonmal dazu kam, dass ich dann etwas schneller geschuckelt habe (aber ganz sicher ohne jegliche Gefahr). Nachts ist die Toleranzschwelle noch etwas niedriger und ich hab schon ein paarmal vor mich hingeflucht. Jetzt wollte ich zum einen wissen ob solche aggressiven Gefuehle beim Schreien "normal" sind und viele Eltern haben? Davon gesprochen oder geschrieben wird ja kaum und ich komme mir dann immer ganz schön labil und schlecht vor. Zum anderen hab ich morgens immer ein sehr schlechtes Gewissen wenn ich mal wieder nachts vor mich hingeflucht habe - nun wuerde mich interessieren ob das die Babys denn mitbekommen bzw. koennen sie das abspeichern? Ich hab bei vielem immer gleich Angst, dass sich das Urvertrauen nicht richtig aufbauen kann. Ich gehe ansonsten sehr liebevoll mit dem kleinen Zwerg um, und habe ihn wenn er weint immer auf den Arm, dies hat bis wir die Federwiege hatten viele Stunden des Tages eingenommen. Vielen Dank nochmal fuer Ihre Hilfe!

von steffi 234 am 14.06.2016, 22:04