Einschlafschwierigkeiten

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Einschlafschwierigkeiten

Hallo! Jetzt muss ich mich auch einmal an Sie wenden. Meine Nerven sind am Ende... Meine Kleine ist jetzt 6 Wochen alt. Der Kinderarzt hat jetzt bei der Vorsorgeuntersuchung gefragt, ob sie schon lächelt. Doch das macht sie nicht. Wenn sie wach ist, dann schreit sie nur. Ihr fällt es sehr schwer einzuschlafen, das klappt nur, wenn es absolut still ist und ich neben ihr liege oder sie herum trage. Still ist es bei uns selten, denn der 3 jährige Bruder ist sehr eifersüchtig und ist oft erst recht laut, wenn ich sage, dass er leise sein soll. So kommt es, dass die Kleine am Vormittag gar nicht schläft. Ich kann sie auch nie hinlegen, weil sie gleich wieder zu schreien beginnt. Wenn ich sie im Tragetuch habe, dann ist sie leise, aber auch nur wenn ich mich bewege. Am Abend ist es am Schlimmsten. Da hilft auch das Tragen nicht mehr. Sie brüllt, bis ihre Stimme ganz schwach wird. Wie kann ich ihr helfen einzuschlafen? Im Kinderwagen bleibt sie übrigens auch nicht und mein Rücken tut schon weh.

von meggi2006 am 24.08.2015, 09:59


Antwort auf: Einschlafschwierigkeiten

Liebe Meggi! herrje, das ist ein schwieriger Start und ich kann - und sicher ganz viele andere Mütter hier - sehr gut nachvollziehen, dass Sie mit den Nerven am Ende sind. Doch Sie wissen sicher, dass der Spuk meist mit 3-4 Monaten vorbei ist. Doch das nur vorweg als kleiner Mutacher... Viele der Tipps, die für ein Kind was zu exzessiven Schreien neigt gelten, sind natürlich mit einen Geschwisterkind nicht so leicht umzusetzen. Von daher lautet meine erste Empfehlung, sich Unterstützung bei der Betreuung zu holen. Ich würde mal gucken, ob Sie Ihren Sohn stundenweise bei einer Tagesmutter oder von einem Babysitter / Leihoma betreuen lassen, sofern dies nicht durch Papa oder Großeltern möglich ist. Dies sicher Ihnen beiden Entlastung, denn auch für Ihren Ältesten ist die Lage ja sehr anstregend. Eine Entzerrung führt dann häufig schnell zu Besserung. Idealerweise geschieht dies vor der Geburt, damit sich die Großen nicht zurückgesetzt fühlen. Doch auch so würde ich Ihnen dazu raten, um aus der Negativspirale aus gegenseitiger Anspannung, Überreizung und Aufstachelung herauszukommen. Damit Ihr Sohn sich nicht verstoßen fühlt, müssen Sie es ihm natürlich schmackhaft (Du darfst dort allein spielen ohne dass das Baby dich stört) machen und dann auch mal jeden Tag exklusiv etwas mit ihm machen. Das muss nicht lange sein, ein Buch vorlesen ohne Baby, oder einmal gemeinsam Baden o.ä. reicht. In manchen Städten werden auch sogen. Kurse für sogen. Geschwisterdiplome angeboten, die Geschwister auf die neue Konkurrenz im Hause vorbereiten sollen und Eifersucht eingrenzen sollen. Meist handelt es sich dabei um Angebote vor der Geburt, aber sie können mal gucken, ob sie sich ein Stündchen babyfrei mit Ihrem Sohn freischaufeln und so ein Angebot wahrnehmen können. Außerdem können Sie sich durch die Frühen Hilfen oder dem Kinderschutzbund in Ihrem Kreis Unterstützung sichern. Rufen Sie dort doch einmal an und lassen sich beraten. Auch das Jungendamt kann Ihnen entsprechende Ansprechpartner und Adresse nennen. Nur keine Scheu - man wird Ihnen nicht Ihr Kind wegnehmen, nur weil Sie sich Hilfe holen! Im Gegenteil: sich Hilfe zu suchen ist ein Zeichen von verantwortungsbewusstem Handeln. Was Ihre Tochter angeht: Das Sie mit sechs Wochen noch nicht lächelt, muss Sie zunächst nicht beunruhigen. Dies ist ein circa Wert und manchen Kinder brauchen eben noch länger. Lassen Sie sich bitte nicht voreilig verunsichern. Leider dominieren im Netz die Horrorszenarien, doch dafür ist es zu früh! Sie sind in der nächsten Zeit durch die U-Untersuchungen eh viel beim Kinderarzt, der Ihnen immer eine fachlich versierte Rückmeldung geben wird, wenn etwas in der Entwicklung auffällig ist. Wie Sie selbst sagen, braucht Ihre Tochter Ruhe! Entscheidend für den Nachtschlaf ist nämlich in diesem Alter der Tagschlaf. Bereits alle 1 - 1,5 Stunden sollte so einem zur chronischen Überreizung tendierendem Kind die Möglichkeit gegeben werden, sich zu entspannen und abzuschalten. Reizabschottung ist dabei wichtig, heißt aber nicht, dass Sie sie völlig isolieren müssen. Oft reicht ein Tuch überm Kinderwagen oder eine Pause im Tragetuch an einem etwas ruhigeren Ort. Sie dürfen und sollten mit ihr auch raus gehen! Nicht nur, dass Ihnen das psychisch hilft, es fördert auch die Entwicklung eines festen Tag- / Nachrhythmuses. Gleichsam können Sie in dieser Zeit auch Dinge mit Ihrem Sohn unternehmen wie etwa einen Auflug in den Park, zum Spielplatz etc. Bitte lassen Sie sich nicht dazu verführen, durch das Schreien alles Mögliche zu tun! Das überreizt Ihre Kleine noch mehr! Manchmal werden Sie Ihre Kleine einfach nicht beruhigen können. Ihre wichtigste Aufgabe lautet daher: Ruhe zu spenden und sie im Weinen zu begleiten! Dies heißt nicht, sie allein schreien zu lassen, sondern in Ihren Schreiphasen bei Ihr zu sein, sich neben Sie zu legen, sie pucken oder Sie ins Tuch zu packen und Ihr zeigen und / oder sagen, dass alles nicht schlimm ist, dass es ihr bald besser geht etc. Sie wird nicht die Worte wohl aber Ihren Tonfall verstehen. Damit Sie ruhiger bleiben, empfehle ich für die harten Schreiphasen die Benutzung von Ohrenstöpseln, die die schrillen Obertöne etwas abpuffern. Vergessen Sie nicht: Ihre Kleine orientiert sich an Ihnen. Solange Sie ruhig bleiben, wird Sie lernen, dass das "doofe Gefühl" (Müdigkeit oder Überreizung) nicht Schlimmes ist und auch nicht Schlimmes passiert. Den Abend sollten Sie schon relativ früh einleiten und keine aufregenden Aktivitäten mehr erledigen, wie etwa Besuche, Einkaufen, Autofahren etc. Versuchen Sie, immer die gleiche Bettgehzeit anzupeilen, selbst wenn in diesem Alter noch vieles durcheinander geht. Schreibabys sind mit der selbstständigen Entwicklung einen festen Rhythmusses überfordert, weshalb sie die Hilfe Ihrer Eltern als Signal- und Taktgeben brauchen. Feste Strukturen, Rituale und Abläufe sind daher wichtig. Zur Abendzeit sollte daher auch ein anderes "Schlaf- und Beruhigungsprogramm" laufen, also nicht mehr Tragen, sondern Schlafen in der Horizontalen. Ob Sie Familienbett oder das Kinderbettchen bevorzugen ist dabei aus meiner Sicht nicht entscheidend. Wichtig ist nur, dass Sie Ihre Kleine daran gewöhnen, dass nachts im Liegen geschlafen wird, so dass sie Schlaf nicht nur mit Tragen, Schuckeln usw. verbindet. Das kann einige Zeit dauern, aber i.d. R. bessert sich nach 10 bis 14 Tagen das abendliche Schreiverhalten deutlich, wenn Sie sich die Zeit nehmen, Ihr diesen Weg zu zeigen und sich nicht dazu verführen zu lassen, immer wieder etwas Neues zu probieren. Pucken ist natürlich erlaubt! Aber auch hier gilt: mit Protest muss gerechnet werden und um zu sehen, on Ihr Kind darauf positiv anspricht, müssen Sie es eine Weile immer wieder probieren. D.h. Prostest 5-10 Minuten aushalten, wenn Sie sich einschreit, trösten und raus und am nächsten Abend wieder erneut versuchen usw. Das war jetzt schon eine Menge und fürs erste würde ich es dabei belassen, damit Sie nicht überfrachtet werden. Das Wichtigste ist eh, dass Sie Vertrauen zu sich finden, dass Sie selbst den besten Instinkt für Ihr Baby haben. Nicht ich sondern Sie sind die Expertin für Ihr Kind! Das Schreien ist kein Zeichen dafür, dass Sie eine schlechte Mutter sind! Sollten dennoch weiterhin Fragen auftreten, können Sie sich natürlich gern wieder melden! Alles Gute! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 24.08.2015