ehemaliges 24-Stunden Baby, sehr wehleidig

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: ehemaliges 24-Stunden Baby, sehr wehleidig

Ich bin Mutter eines 2 Jahre und 4 Monate alten, ehemaligen 24-Stunden Babys. Mein Sohn war vom 1. Tag ein absolutes 24-Stunden Baby. Ich war im ersten Lebensjahr ganz häufig an meinen absoluten Grenzen und während andere sich sehnsuechtig an die Babyzeit zurückerinnern, fing die schöne Zeit bei uns ab ca. einem Jahr an. Mein Sohn hat absolut nie geschlafen, während sich andere über 2 Stunden Schlafphasen beschwerrten, waren es bei uns gerade mal 15-30 Minuten 24 Stunden am Stück. Häufig war es mir noch nicht einmal möglich, bis mein Mann nach 8-10 Stunden zu Hause war, Pipi zu machen. Fürs Duschen musste ich nach den ersten 2 Wochen Strategien entwickeln (meine Eltern kamen für die 15 Minuten Duschzeit zum Teil vorbei). Er war entwicklungstechnisch im ersten Jahr sehr schnell, mit 3 Monaten umgdreht, sehr früh die ersten Worte gesprochen, mit 6 Monaten schon hochgezogen und gekrabbelt, mit 4 Monaten bereits gerobbt, bereits mit 6 Monaten mit seinen Fingerchen, Nägel aus Fussleisten gezogen und Ähnliches. Extrem sensibel, sehr Licht- und Geräuschemfindlich, panische Angst vor Wasser, sehr empfindlich für Stimmungen. Inzwischen ist er entwicklungstechnisch ganz normal, hat seine Schwächen und Stärken (feinmotorisch und sprachlich besonders fit (wird 3 sprachig erzogen) und schnell in Zusammenhängen und grobmotorisch eher ängstlich). Er ist absolut unbeschwerrt, kann sich sehr gut alleine beschäftigen. Spielt mit anderen Kindern und lässt sich auch auf andere Erwachsene ein, teilt schon immer gerne. Trotzt alterentsprechend, ist aber insgesamt ein ganz normaler 2 Jähriger. Wir machen und nur unsere Gedaanken darüber, dass er sehr sehr wehleidig ist. Wenn er mal hinfällt, auch ohne sich zu verletzen, dann ist es der absolute Weltuntergang. Ein nichtsichtbarer kleiner Kratzer wird auch mal 2-3 Monate thematisiert und mögliche Gefahren werden einfach gemieden. Er hat sich bis fast 2 geweigert die Treppen selbst hoch und runterzulaufen, er wollte nur getragen werden (motorisch beherrscht aber beides alleine). Den Versuch eines Kleinkindturnkurses mit 20 Monaten haben wir abgebrochen, weil er sich mit Händen und Füssen geweigert hat und panisch reagiert hat. Nun hat es meiner Meinung nach etwas damit zu tun, dass er einfach aufgrund der Situation im ersten Jahr sehr viel Aufmerksamkeit von uns bekommen hat und diese nun ebenfalls einfordert. Wie können wir diese Situation etwas auflockern? P.S. Seine kleine Schwester ist jetzt 8 Wochen alt und ist bisher kein 24 Stunden Baby, eine neue Erfahrung für uns. Die Eifersucht spielt zwar eine Rolle, aber im Großen und Ganzen kommt er mit der neuen Situation bisher gut zurecht.

von lilule am 08.07.2015, 21:15


Antwort auf: ehemaliges 24-Stunden Baby, sehr wehleidig

Liebe Lilule! zunächst herzlichen Glückwunsch zur Geburt Ihres zweiten Kindes! Es freut mich, dass sie diesmal nicht mit den gleichen Startschwierigkeiten zu kämpfen haben und Ihr Babyglück jetzt schon eher genießen können. Zu Ihrer Frage: eigentlich haben Sie mir schon die Arbeit abgenommen und die wichtigsten Punkte schon erwähnt. 1. Temperament: sie beschreiben Ihren Sohn als äußerst sensibel, aufmerksam und sehr interessiert an seiner Umwelt sowie auch als ängstlich und wehleidig. Davon abgesehen, dass gewisse Phobien wie etwa vor Wasser, Hunden, vorm Dunkeln, vor bestimmten Lebensmitteln etc. in diesem Alter nichts Ungewöhnliches sind, mögen Teile davon einfach seinem "Naturell" entsprechen. Manche Kinder sind eben einfach etwas zurückhaltender, empfindlicher und ängstlich. 2. Aufmerksamkeit: Sie hegen ja selbst den Verdacht, dass es sein könnte, dass sich hinter seinem Verhalten der Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit verbirgt. Dies wäre auch nicht weiter verwunderlich, denn nicht nur, dass er sehr viel davon bekommen hat, jetzt ist auch noch Konkurrenz im Haus. Auch wenn Kinder nicht strategisch denken, lernen sie doch dann sehr schnell, wie man auf Umwegen dann doch wieder im Mittelpunkt steht. Da hilft nur möglich viel Gelassenheit und - immer bei Familienzuwachs wichtig - Eifersuchtsgefühle nicht verteufeln. Wenn Kinder das Gefühl bekommen, dass man ihrer Eifersucht mit Verständnis begegnet und sie eben nicht nur der große Bruder sein müssen, dann brauchen sie auch keine "Umwege", um ihren Unmut zu zeigen. 3. Orientierung an der elterlichen Reaktion: Wie reagieren Sie selbst, wenn Ihr Kind sich weh tut, wenn er mal etwas wie Klettern, Balancieren etc. ausprobiert? Greifen Sie schnell ein? Bekommen Sie selbst schnell die Panik und haben das Pflaster schon in der Hand, bevor Ihr Sohn auf der Rutsche ist? Gerade bei ehemaligen 24h-Kindren besteht die Gefahr, das wir ihnen - wenn sie die Schwelle vom Baby zum Kleinkind überschritten haben, nicht genug zutrauen und sie überbehüten. Auch wenn es in bester Absicht geschieht, wenn wir unsere Kinder zu sehr vor allem schützen wollen, Gefahren oft schon verbal vorwegnehmen ("wenn du barfuß bist, könnte dich eine Biene stechen"), vermitteln wir unsern Kindern, dass a) die Umwelt ein großes, gefärhliches Etwas ist und und b) sie allein hilflos sind. Auch hier hilft nur mehr Gelassenheit und immer wieder eigenständiges Ausprobieren und Explorieren fördern, ohne Druck auszuüben. Das muss übrigens nichts Grobmotorisches sein. Ist Sohn ist doch clever. Lassen Sie ihn mal beim Kochen helfen (geben Sie ihm Kindermesser oder eine Kinderschere), und geben sie ihm herausforderne Aufgaben, die ihm Erfolgsmomente vermitteln. So lässt sich Selbstbewusstsein spielerisch aufbauen. 4. Zuviel Druck! Sie machen sich dezidierte Gedanken über ihr Kind und beobachten es genau. Dies ist einerseits schön, andererseits kann es auch als Druck empfunden werden und buchstäblich den Spaß verderben. Möglicherweise fühlt sich Ihr Sohn beim Turnen u.Ä. einfach zu sehr beobachtet? Versuchen Sie vielleicht mal, es nicht ganz so akademisch anzugehen und lassen sich sich auf Situationen ein, auch ohne konkretes Förderziel. Und wir vergessen oft: Kinder sehen die Welt noch mit anderen Augen! Was uns völlig irrational erscheint, ist für die Kleinen einfach stimmig. Ihr Sohn ist ja gerade erst in einem Alter, wo er seinen Körper und seine Funktionen gerade erst entdeckt. Verletzungen, Narben, Blut, Ausscheidungen und andere "Produkte des Körpers" wie Popel etc. haben oft eine Faszination. Es könnte z.B. auch sein, dass es Ihren Sohn schlicht fasziniert, dass dort, wo vor ein paar Tagen noch ein Kratzer war, nun nichts mehr ist. Dass er Dinge thematisiert, die zeitlich sehr lange zurückliegen, kann ebenfalls daran liegen, dass das Zeitgefühl der Kleinen noch sehr wenig konkret ist, d.h. ob gestern oder vor zwei Monaten kann gleich sein, da gleich wichtig. Ansonsten würde ich mir aber keine großen Sorgen machen! Ihr Großer entwicklelt sich doch prächtig und - jetzt mal keine fachlich korrekte Antwort: kein echter 2-Jährigen ohne Spleen (-; Ihnen und Ihrer Familie alles Gute! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 08.07.2015


Antwort auf: ehemaliges 24-Stunden Baby, sehr wehleidig

Vielen Dank für die ausführliche und kompetente Antwort! Wir werden Ihre Ratschläge befolgen!

von lilule am 09.07.2015, 09:31


Antwort auf: ehemaliges 24-Stunden Baby, sehr wehleidig

Hallo, hier nochmal ein tipp beim hinfallen unser war auch immer total wehleidig teilweise ist er es heute noch. Bei uns haben zwei dinge geholfen ist er hingefallen z.b. haben wir uns den boden angeschaut und ganz erstaunt gefragt ob der nun ne delle hat oder ob da ein taler liegt. Zu dem hat unser sohn ein Lieblings stofftier und in der kita fingen die Kinder irgendwann völlig entnervt an ihm bei heul Attacken einfach das stofftier vor die Füße zu werfen und ihn zu ignorieren. Irgendwann wars ihm dann zu blöd. Heute schauen wir immer ist nix zu sehen gibts kein grund zu heulen. Kurz pusten und gut mehr ist nicht drin. Funktioniert bei uns ganz gut, einfach ablenken von der Situation. Oft stell ich ihm auch ne frage z.b was habt ihr in der kita gemacht, was gabs zu essen usw. Sobald er nämlich nachdenken muss ist es meist vergessen. Schön das Nummer zwei einfacher ist das macht mir mut .wir erwarten Nummer 2 in 6 Wochen. Lg nita

von nita83 am 11.07.2015, 13:00