Baby plötzlich nachts lange wach - was tun?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Baby plötzlich nachts lange wach - was tun?

Guten Morgen, Unsere Tochter (7 Monate) hat von Geburt an von 20h bis 6h geschlafen +/- eine halbe Std. Zuerst mit zwei, nach 4 Wochen nur noch mit einer Unterbrechung zum Stillen. Seit 4 Wochen jedoch ist sie nachts von 1h bis 4h oder 5h wach. Wir haben auch noch einen 3-jährigen Sohn, so dass für mich Schlaf nachholen tagsüber schwieirig ist. Ab und zu nimmt eine Nachbarin tagsüber die Kinder mal für 2 Std, damit ich Schlaf nachholen kann oder mein Mann versucjt am WE sein Glück, aber die Kleine lässt sich gerade schwer von anderen (auch von Papa) betreuen. Zuerst dachte ich, es sei ein aufregendes Wochenende gewesen, dann eine Erkältung. Aber als all das vorbei war, wurde es nicht besser. Ich hab es mit Schmerzzäpfchen (falls Zahnung), Familienbett und Dauerstillen (falls Nähebedürfnis) versucht. Sie zerbeißt und kratzt mich dann nachts vor lauter "Spieltrieb". Ich komme langsam stark an meine Grenzen, werde durch den Schlafmangel aggressiv und depressiv. Heute Nacht konnte ich sie irgendwann nicht mehr stillen, weil ich so wütend auf sie war. Ich musste richtig die Fäuste ballen und Zähne zusammen beißen, um sie nicht zu schütteln. :( Wir waren schon bei der Osteopathie und beim Kinderarzt - beides wollte ich nächste Woche nochmal versuchen. Außerdem wollte ich versuchen, sie tagsüber mehr wach zu halten und später ins Bett zu stecken - ansonsten weiß ich nicht mehr was tun. Was kann das sein? Wie kann ich ihr (und mir) helfen? Herzliche Grüße

von Bettina3583 am 01.04.2016, 07:03


Antwort auf: Baby plötzlich nachts lange wach - was tun?

Liebe Bettina! Schlafentzug ist eine anerkannte Foltermethode und von daher ist es mehr als nachvollziehbar, wie Sie sich fühlen! Ihre Wut und depressiven Gedanken machen klar, dass Sie eine Belastungsgrenze erreicht haben und das sollten Sie ernst nehmen! Auf keinen Fall sollten Sie sich dafür verurteilen. Denken und Handeln sind schließlich zwei Dinge. Sollte es aber dennoch mal so sein, lassen Sie Ihr Kind lieber einmal wirklich schreien und verlassen solange den Raum, bis Sie wieder ruhig sind. Von diesen Notfällen wird Ihr Kind keinen Schaden nehmen und Sie handeln dann nicht lieblos sondern verantwortungsbewusst. Die gleichen Leute, die sagen würden, ich würde mein Kind niemals schreien lassen, lesen nämlich nachher auch kopfschüttelnd die Schlagzeile, dass ein Kind wieder zu Tode geschüttelt wurde - um es mal auf die Spitze zu treiben. Damit es nicht soweit kommt, haben Sie ja schon einiges getan und für Unterstützung gesorgt. Das finde ich klasse! Gäbe es denn noch die Möglichkeit, Ihren Dreijährigen regelmäßig vormittags übergangsweise für vielleicht 2-3 Stunden betreuen zu lassen? Ist es geplant, dass er in den Kindergarten kommt? Das würde sicher für alle zusätzlich etwas weniger Stress bedeuten, auch vermutlich für Ihren Großen. Was das Thema Schlaf betrifft: Nun ja, ohne genauere Daten kann ich hier nur vermuten, dass Ihre Kleinen einen zu geringen Schlafdruck aufbaut, d.h. am Tage zu viel und vielleicht auch zu spät schläft und demzufolge mehr Zeit im Bett verbringen muss, als Ihr Schlafbedarf es fordern würde. Besonders die hartnäckigen Durschlafprobleme kommen häufig von zu langen Bettzeiten und einer Rhythmusverschiebung in den Tag hinein. Häufig hat sich das so eingeschlichen. Kind hat nachts schlecht geschlafen, also lässt man es am Morgen liegen, damit es sich ausschlafen kann. Passiert dies regelmäßiger und wird der Rhythmus zusätzlich durch Infekte oder andere Dinge durcheinander gebracht, entsteht schnell ein Teufelskreis. Meine Empfehlung: Führen Sie mal für ca. 14 Tage ein 24-h Protokoll, in dem Sie sämtliche Wach-, und Schlafenszeiten festhalten und addieren. Gucken Sie zudem wie ausgeglichen und Fit Ihre Kleine ist und notieren Sie das hinter jedem Tag. Ermitteln sie dann den Durchschnitt der Schlafdauer und passen Sie Rhythmus und Bettzeit entsprechend an. D.h. weniger Schlaf am Tag und/ oder ein früheres Aufstehen am Morgen oder umgekehrt ein späteres ins Bett bringen am Abend. vergessen Sie dabei nicht: Es gibt keine Regel, wieviel ein Kind in welchem Alter schlafen muss. Der Schlafbedarf ist eine individuell Größe, die wir durch elterliches Zutun kaum beeinflussen können. Wir können also nicht dafür sorgen, dass sich der Schlafbedarf vergrößert, nur dass ein Kind entsprechend seines Bedürfnisses auch schläft. Und dieses Bedürfnis wird manchmal eben auch überschätzt. Es gibt Kinder die mit sieben Monaten nur 8-9 Stunden Schlaf brauchen, wenngleich natürlich die Mehrheit länger schlafen muss. Ob Sie auch so einen Fall haben, erkennen Sie daran, wie Ihr Kind sich sonst verhält. Ist es fit, fröhlich und aufmerksam, dann fehlen die Stunden nachts ohne Schlaf offensichtlich nicht. Verteilen Sie dann die offenbar notwenigen Stunden so, dass sich ein guter Rhythmus etabliert. Im Alter von sieben Monaten dürfen Sie dafür auch Wecken, wenn es nötig ist, denn ein in-den-Tag -Schlafen, führt eben dazu, dass nachts weniger geschlafen wird. Mit Ihrer Strategie liegen Sie also vermutlich richtig. Wenn Sie jedoch eh noch einmal beim Kinderarzt vorstellig werden, kann dieser Ihnen vielleicht Adressen vor Ort nennen, die auf frühkindliche Schlafstörungen spezialisiert. Viel Erfolg und Kraft! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 02.04.2016