Agressives verhalten

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Agressives verhalten

Hallo, Frau Dr. Bentz ich habe mal eine Frage bezüglich meines Sohnes. Der wird in drei Wochen 1 jahr Alt. Er war schon immer ein sehr sehr aktives Kind, z.b. hat er als säugling kaum geschlafen, er hat viel lieber alles beobachtet. Aktuell hat er immer wieder aggressives verhalten. Wenn ihm was nicht passt und das kommt sehr oft vor dann dreht er richtig durch. Er schreit und schlägt dann auf Gegenstände. Wenn er was in der Hand hat schmeißt er es durch die Gegend. Ich bin ehrlich gesagt damit etwas überfordert und weiß dann immer nicht was ich machen soll. Klar ich geh dann zu ihm und versuche ihn zu beruhigen oder hochzunehem aber oft schreit er dann noch mehr und steigert sich ein. Wir haben noch große Probleme was sein schlafrhythmus betrifft. Falls es überhaupt ein rhythmus sein sollte. Er steht gefühlte 1000 mal in der nacht auf und weint auch oft. Diesbezüglich habe ich mir jetzt einen Termin beim SPZ gemacht und werde natürlich das andere verhalten von ihm auch erwähnen aber der Termin ist erst Ende August. Daher wollte ich mal ihren Rat hören. Ich weiß Sie können übers Internet nicht viel sagen. Ich Danke Ihnen schon mal das Sie sich die Zeit nehmen meinen Beitrag zu lesen.

von babylove321 am 21.07.2016, 16:38


Antwort auf: Agressives verhalten

Liebe babylove! ich danke Ihnen für Ihren Beitrag! Es ist gut, dass Sie sich nicht scheuen Hilfe zu holen und noch viel besser ist es, dass Sie damit offen umgehen. Vielleicht motiviert dies auch andere Leser, diesen Schritt zu wagen. Was Ihre Frage betrifft: Auch ein Kind, was keine Regulationsschwierigkeiten hat, ist in dem Alter Ihres Sohnes nur sehr begrenzt fähig, seine Emotionen zu regulieren. Glücklicherweise gilt dies aber nicht nur für Dinge wie Wut, Frust, Ärger, Angst sondern auch für Freude, Zuneigung und Begeisterung. Sicher ist Ihr Sohn nicht nur ein kleiner Wutzwerg, sondern auch ein Strahlemann. Meist geht dies jedoch unter. Ein lächelndes, fröhliches Kind nehmen wir oft als Selbstverständlichkeit hin, ein wütendes Kind dagegen nicht. Es fällt auf und stört und bekommt dann leider oft die Aufmerksamkeit, die es nicht bekommt, wenn alles einfach nur entspannt und ausgeglichen läuft. Jedoch gehören alle Emotionen zum Leben dazu und der richtige, sprich angemessene Umgang mit ihnen müssen Kinder erst mühsam lernen. Ihr Kleiner will Sie nicht ärgern oder provozieren. Auch würde ich noch keine "echte" soziale Aggression annehmen. Ihr Sohn hat einfach noch begrenzte Möglichkeiten, innere Spannungen und Frust zu regulieren und reagiert daher eben noch impulsiv und in Erwachsenenaugen auch wenig rational. Dennoch: bei allem Verständnis für das Kind, sollten auch Sie Verständnis für sich haben. Es hilft zwar, zu wissen, warum ein Kind so reagiert, macht aber die konkreten Situationen nicht spaßiger. Wenn zudem die Nächte durch Schlafmangel gekennzeichnet sind, liegen per se die Nerven blank. Sie dürfen sich also überfordert sein, und nein - das macht sie nicht zu einer schlechten Mutter! Temporäre Überforderung gehört für mich quasi zum Elternsein dazu. Ich schließe mich da nicht aus, und möchte, wenn meine beiden Kinder fröhlich die Nachbarn mit "ihr alten AA-Kacker" begrüßen, einfach nur im Erdboden versinken. Manche Eltern sind jedoch nicht in der Lage, dies einzugestehen bzw. haben den Drang äußerlich eine perfekte Fassade zu präsentieren. Wieder andere haben keine Kinder und kennen das damit verbundene Chaos oft nur als Theorie. Sich und die eigene Reaktionen auch etwas wohlwollender zu betrachten, ist daher ebenso wichtig, wie Verständnis für das eigene Kind zu haben. Davon abgesehen ist die Annahme, gute Erziehung bestünde darin, Aggressive Impulse, Ärger und Wut gar nicht erst aufkommen zu lassen bzw. zu unterdrücken, ein häufig anzutreffender Irrtum. Für eine gesunde Entwicklung ist es wichtig, dass ein Kind lernt, dass alle Gefühle ok sind, nur nicht eben alle Reaktionen. Wichtig sind daher zwei Dinge a) Verständnis für das Gefühl ("oh, die bist ärgerlich, weil du da nicht drankommst") und b) zeigen, welche Reaktionen richtig und welche falsch sind ("Nein, wir schmeißen nicht mit Tellern). Grundsätzlich hilft es Ihrem Kind enorm, wenn Sie die Situation durch begleitende Kommentare spiegeln. So lernt Ihr Kind, seine Gefühle einzuordnen. Kleine Kinder werden manchmal von ihren Gefühlen regelrecht überflutet. Nicht immer muss Wut daher der Ausgang für eine aggressive Handlung sein, manchmal ist ein Kind auch einfach nur überfordert, gestresst oder ängstlich, aber auch paradoxe Impulse wie das "Begeisterungsbeißen" kommen vor. Dennoch, selbst die perfekteste Erziehung kann nicht verhindern, dass Kinder diesen Weg der emotionalen Kompetenzaufbaus erst lernen müssen. Lernen heißt ja eben nicht Wissen. Und zum Lernen gehören nun einmal Dinge wie Ausprobieren, und Fehler machen. Dennoch ist es gut, dass Sie sich professionelle Hilfe holen, denn möglicherweise hat Ihr Kind einfach besondere Schwierigkeiten und besondere Bedürfnisse. Ich drücke Ihnen die Daumen und vielleicht mögen Sie ja berichten, wie es weiterging! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 25.07.2016